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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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W.: Ein Aristokratisches englisches Wohnhaus, [2]
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November-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für ^nnen-Dekoration.

Leite (89-

in aristokratislijks tnglislhks ^Aohnhans.

(Billard- u. Naurlizimnrrr, Vidlivtlzrl!.» kvgi.märz.hest.)

englisches Leben und englische Litten kennt, der wird
7 auch nur natürlich finden, daß in einem Hause
>ie dem, in das ich den Leser einführte, das Billard-
zimmer unter all den vorhandenen Räumen einen hervorragenden
Platz einnimmt. Es ist nicht etwa ein allgemeines Lpielzimmer,
in dem das Billard zeitweilig unter einer aufgelegten Tischplatte
verborgen wird, während man um dasselbe herum allerhand
anderer Kurzweil obliegt.

Jedes Lpiel, das Geschick-
lichkeit und Nebung erfor-
dert, steht in England im
Dienste der Lports, und
weit größer als die Zahl
der aktiven Theilnehmer an
denselben ist in der Regel
die der Zuschauer. Welche
Rücksicht man aber auf die
letzteren nimmt, sieht man
bereits in jedem öffentlichen
Bierhause, wo ein Billard
stets ringsum, in gehöriger
Entfernung mit erhöhten
Litzen für dieselben um-
geben ist. Mit gespannter
Aufmerksamkeit wird von
da der Verlauf des Lpieles
beobachtet. Man kritisirt
mit unterdrückter Stimme,
geht Wetten auf den
Ausgang ein, und dabei
wechseln Zuschauer und
Spieler oft die Rollen, denn
sie alle sind natürlich auf
dem Billard zu Hause. Hier
in dem so kostbar ausge-
statteten Heim war das
Billardzimmer das wahre
Ideal der Gemüthlichkeit
und Behaglichkeit. Ein
englisches Billard ist sehr
groß, größer noch als die
alten deutschen, gleich denen
es an den Leiten mit
Taschen oder Netzen ver-
sehen ist, in welche sich die
Bälle oft aus reiner Nieder-
tracht zu verlaufen scheinen,
oder in die man sie nach
einer der Regeln sogar
hineinzuspielen hat. Doch
ich will ja keinen Leitfaden für angehende Spieler verfassen, und
so erwähne ich nur noch, daß auf einem englischen Billard ein
Landauer mit zwei Pferden bequem stehen könnte. Dasjenige
meines Gastgebers war aus italienischem Nußbaum und reich
geschnitzt. Aus demselben Material bestand die Wandbekleidung,
die jedoch nur als die Umrahmung großer Gobelin-Gemälde
sichtbar wurde. Ebenso waren die Kamineinfasfung, die Säulen,
welche die Stelle der Thürpfosten einnahmen, und die in tiefe
Felder eingetheilte Decke aus Nußbaumholz. In der Mitte der-
selben befand sich ein großes Oberlicht aus mattem Glas, von
dem aus das Billard sein hauptsächlichstes Licht empfing, und
die Fenster waren mit rothen Plüschgardinen ziemlich dicht ver-

hangen, um Schattenwirkungen zu vermeiden. Den Fries, welcher
unterhalb der Decke um das Zimmer lief, und ebenso die Felder
in jener, schmückten Malereien im pompejanischem Geschmack.
Rings um das Billard lag ein Teppichläufer, während im
Uebrigen der parquetfußboden sichtbar wurde. Die Sofas rundum
an den Wänden standen auf ungefähr acht Zoll hohen, ebenfalls
parquettirten Tritten, so daß sich von ihnen aus das Spiel mit
Leichtigkeit verfolgen ließ. Vor den beiden Fenstern befanden sich
noch zwei große Lehnstühle und an dem Pfeiler zwischen denselben
ein in Nußbaum reich geschnitzter Anschreibeschrank mit Behält-
nissen für Kreide, Bälle
und all das andere Hand-
werkszeug des Billardspie-
lers. Als Möbelbezug
hatte Gobelinstoff Verwen-
dung gefunden, und auf
dem Kaminvorsprung stand
vor dem üblichen Spiegel
eine Stutzuhr und zu jeder
Seite derselben ein Gla-
diator in Kampfstellung
als Sinnbild des friedlichen
Kampfes, dem die Stätte
diente.

Durch die große, mit
malerisch gerafften Vor-
hängen versehene Thür-
öffnung gelangte man in
ein kleines kosiges Vorzim-
mer, das indeß nur das
vermittelnde Glied zwischen
dem Billard- und dem
Rauchzimmer bildete. Der
Eindruck, den dieses letztere
auf den es zum ersten Male
Betretenden machte, war
ein ungemein überraschen-
der, denn man mußte sich
plötzlich in den Orient ver-
setzt wähnen. Rosa, Trsme-
weiß und Gold schienen
auf den ersten Blick die

vorherrschenden Farben zu
sein, und zuerst lenkte man
seine Schritte unwillkürlich
nach dem breiten und tiefen
Erkerfenster, in dem ein
kleiner Raum für sich ge-
schaffen war. Einer der
bekannten gegitterten orien-
talischen Verschlüge schloß
ihn ab, doch mehr andeu-
tungsweise als in Wirk-

lichkeit, denn durch eine sich in weitem Bogen wölbende Eingangs-
öffnung sah man die rund um die Nische laufenden breitsitzigen
Ruhesofas, die der Türke, seine Wasserpfeife rauchend, liegend
benutzt. Die Fenster im orientalischen Stil gehalten und theils
mit Gitterwerk verziert, waren mit blaßgelben Gardinen aus
dünner indischer Seide drapirt, und von der Decke hing in diesem

Erker, zu dem übrigens auch eine Stufe emporführte, eine jener

in Kupfer und Messing gearbeiteten Lampen mit Roßschweif und
Halbmonden. Ich muß aber nun zu dem eigentlichen Zimmer
zurückkehren, dessen Decke durch erhabene crsmefarbige Rippen in
geometrische Figuren eingetheilt, und deren Grund theils rosa,
theils crsme gemalt und mit einem in Gold schraffirten Muster

Abbildung Nr. qsy. Kamin im Arbeitszimmer des Präsidenten.
 
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