August-Heft.
Zllustr. kun st ge werbt. Zeitschrift für Znnen-Oekoration.
Seite f25.
^Mas Veittsche -Munstgewerbq mrd die engli sch - amerikan i sche Bewegung?)
von Richard Streiter.
II.
1ußer der sachgemäßen verwerthung der Maschinentechnik für die
Runstindustrie im Allgemeinen kann auch die Ausnützung und
künstlerische Verwendung neuer Materialien und Techniken, wie
wir sie in England und Amerika finden, dem deutschen Runstgewerbe manche
Anregung bieten. Nur erwähnt seien die von den Japanern herüber-
genommenen Bast- oder Binsenmatten, womit die Engländer in einfachen
Räumen den unteren Theil der wand an Stelle von Holztäfelungen jetzt
gerne verkleiden, dann jene wenig kostspieligen, dabei sehr reizvollen Decken-
bildungen mittelst Tapeten und feiner Holzleisten, die bei uns bereits Eingang
gefunden haben. Eine schätzbare
Bereicherung hat die Möbelindustrie,
die Parketbodenfabrikation erfahren
durch die zahlreichen neuen, theil-
weise sehr schönen Holzarten, die
durch die Ausbeutung der amerika-
nischen Urwälder gewonnen werden.
Line der beachtenswerthesten Er-
scheinungen aber in der amerika-
nischen Runstindustrie ist unzweifel-
haft die hohe Entwicklung der
Glasfabrikation, die mit ihren
mannigfaltigen neuen, sehr reiz-
vollen Glassorten eine Fülle von
künstlerischen Verwendungsmöglich-
keiten bietet, deren Bedeutung und
Ausbildungsfähigkeit bei uns leider
noch zu wenig gewürdigt wird. Die
eigenartigen, prächtigen Runstver-
glasungen der Amerikaner erscheinen
so recht geeignet, eine nothwendige
Reaktion anzubahnen gegen unsre
häufig stilwidrigen, weil allzu
malerisch komponirten und durch-
geführten Glasgemälde, die von
dem echten, aus dem Prinzip der
Runstverglasung hervorgegangenen
Stil unsrer ältesten Glasfenster leider
so weit sich entfernt haben. Was
einzelne amerikanische Firmen, in erster Linie Tiffany u. Lo. in New-Hork,
an feinen Gefäßen in Glas und glasirtem Thon hervorbringen, steht den
besten früheren Leistungen dieser Art um nichts nach.
während der Weltausstellung in Chicago haben besonders die ameri-
kanischen Beleuchtungskörper für elektrisches Licht die Aufmerksamkeit der
europäischen Sachverständigen auf sich gelenkt. Seitdem sind neben hohem
Lob auch recht absprechende Urtheile über diesen Zweig der amerikanischen
Runstindustrie laut geworden. Erst kürzlich ist von gewichtiger Seite die
Ansicht ausgesprochen worden, der größte Theil der gerühmten amerikanischen
Beleuchtungskörper sei nichts anderes, als eine Nachahmung der westgothischen
Guarrazor-Rronen. Dies ist denn doch nicht zutreffend. Daß die Amerikaner
bei ihren Beleuchtungskörpern ebenso, wie bei ihren Möbeln, wie bei allen
ihren kunstgewerblichen Erzeugnissen sich an alte Muster halten, ebenso wie
wir, das ist nichts neues. Neu ist nur, daß wir ihnen das zum Vorwurf
machen sollen, wir, die wir doch im Anschluß an alte Vorbilder lange Zeit
das einzige Heil erblickt haben und noch erblicken. So sehr aber auch die
Amerikaner alte Motive verwenden, sie thun es doch freier, selbständiger,
als wir; vor allem suchen sie nicht die Grundstimmung der alten Stilperioden
„möglichst echt" auf moderne Verhältnisse zu übertragen, sondern suchen
durch Verschmelzung alter Formen mit modernen Bildungsprincipien etwas
Abbildung Nummer 406. Artischoken-Muster in Anaglypta.
Neues, Eigenartiges zu gewinnen. Das tritt auf das deutlichste bei ihren
Beleuchtungskörpern zu Tage. Das elektrische Licht hat eine stärkere Leucht-
kraft als frühere Beleuchtungsarten, es gestattet in der Anbringung der
Lichtquellen die größte Freiheit. Diese Eigenthümlichkeiten der neuen
Beleuchtungsart berücksichtigen die Amerikaner in erster Linie. Sie verzichten
häufig auf die bei der früheren Rerzen- oder Gasbeleuchtung nothwendigen
tief herabhängenden Rronleuchter, setzen vielmehr, da das intensiv leuchtende
elektrische Licht weicher, milder wirkt und den Raum gleichmäßiger durch-
fluthet, wenn es höher angebracht wird, die Beleuchtungskörper direkt in
die Decke ein und bilden sie dementsprechend künstlerisch aus wie große
Agraffen der Goldschmiedearbeit, in
die daun matte und geschliffene
Gläser wie große Edelsteine gefaßt
sind, durch die das Licht heraus-
leuchtet. Zu einem andern, sehr reiz
vollen Typus der amerikanischen
Beleuchtungskörper hat das Be-
streben geführt, dem Auge das
Hineiusehen in die Helle, blendende
Lichtquelle zu ersparen. Die Bogen-
lampe oder das Bündel Glühlichter
wird demnach durch ein Gehänge
von geschliffenen Gläsern und Glas-
perlen, das an orientalische Laternen
erinnert, wie mit einem Schleier
verhüllt. Diese Gehänge haben wohl
zu jener Behauptung von der Nach-
ahmung der Guarrazar-Rronen ge-
führt. Aber wenn auch wirklich
das künstlerische Motiv dorther ge-
nommen sein sollte, so ist doch seine
Anwendung zu dem angegebenen
Zweck etwas principiell Neues, für
uns sehr beachtenswerthes. Man
begegnet in Deutschland ja auch hin
und wieder schon freieren, von den
früheren Formen der Beleuchtungs-
körper abweichenden Anordnungen
des elektrischen Lichtes; aber so
selbständig, zielbewußt und sachlich durchgebildete, dabei künstlerisch reizvolle
Lösungen des modernen Problems, wie sie in Amerika zu finden, haben wir
in Deutschland doch wohl nicht aufzuweisen, mit Ausnahme vielleicht des
in die Decke eingesetzten korbartig gestalteten Lüstertypus, den Architekt
Seeling im Stadttheater zu Halle zum erstenmal angewandt hat, und der
nunmehr in fast allen neueren Theatern zur Ausführung gelangt.
Unser besonderes Interesse beanspruchen natürlich die englischen und
amerikanischen Möbel, um so mehr, als deren Einführung und Nachahmung
bei uns von vielen Seiten empfohlen wird. Da ist zunächst heroorzuheben,
daß die Engländer und Amerikaner durchaus nicht nur jene modernen Typen
verwenden, die als Modeartikel jetzt in eleganten Geschäften bei uns zu
sehen sind, daß sie vielmehr sehr viele Möbel nach alten Mustern machen,
ja häufig alte Muster direkt copiren. Diese Möbel nach alten Mustern aber
werden mit einer gewissen Beschränkung in Gebrauch genommen, die wohl
zu beachten ist: sie werden aufgestellt in den prunkräumen von Schlössern,
von Herrschaftssitzen, von vornehmen Häusern, in der für das englische und
amerikanische Familienhaus so karakteristischen Halle, jenem Empfangs, und
Repräsentationsraum, der den Mittelpunkt des Verkehrs im Hause bildet,
wohl auch in einem oder dem anderen zu Gesellschaftszwecken dienenden
Raum, selten aber in den eigentlichen Wohn- und Schlafzimmern. Auch
beschränken sich die Möbel alten Stils vorwiegend aus feste Besitzungen,
während für Miethwohnungen die modernen Möbeltypen vorgezogen werden.
Zllustr. kun st ge werbt. Zeitschrift für Znnen-Oekoration.
Seite f25.
^Mas Veittsche -Munstgewerbq mrd die engli sch - amerikan i sche Bewegung?)
von Richard Streiter.
II.
1ußer der sachgemäßen verwerthung der Maschinentechnik für die
Runstindustrie im Allgemeinen kann auch die Ausnützung und
künstlerische Verwendung neuer Materialien und Techniken, wie
wir sie in England und Amerika finden, dem deutschen Runstgewerbe manche
Anregung bieten. Nur erwähnt seien die von den Japanern herüber-
genommenen Bast- oder Binsenmatten, womit die Engländer in einfachen
Räumen den unteren Theil der wand an Stelle von Holztäfelungen jetzt
gerne verkleiden, dann jene wenig kostspieligen, dabei sehr reizvollen Decken-
bildungen mittelst Tapeten und feiner Holzleisten, die bei uns bereits Eingang
gefunden haben. Eine schätzbare
Bereicherung hat die Möbelindustrie,
die Parketbodenfabrikation erfahren
durch die zahlreichen neuen, theil-
weise sehr schönen Holzarten, die
durch die Ausbeutung der amerika-
nischen Urwälder gewonnen werden.
Line der beachtenswerthesten Er-
scheinungen aber in der amerika-
nischen Runstindustrie ist unzweifel-
haft die hohe Entwicklung der
Glasfabrikation, die mit ihren
mannigfaltigen neuen, sehr reiz-
vollen Glassorten eine Fülle von
künstlerischen Verwendungsmöglich-
keiten bietet, deren Bedeutung und
Ausbildungsfähigkeit bei uns leider
noch zu wenig gewürdigt wird. Die
eigenartigen, prächtigen Runstver-
glasungen der Amerikaner erscheinen
so recht geeignet, eine nothwendige
Reaktion anzubahnen gegen unsre
häufig stilwidrigen, weil allzu
malerisch komponirten und durch-
geführten Glasgemälde, die von
dem echten, aus dem Prinzip der
Runstverglasung hervorgegangenen
Stil unsrer ältesten Glasfenster leider
so weit sich entfernt haben. Was
einzelne amerikanische Firmen, in erster Linie Tiffany u. Lo. in New-Hork,
an feinen Gefäßen in Glas und glasirtem Thon hervorbringen, steht den
besten früheren Leistungen dieser Art um nichts nach.
während der Weltausstellung in Chicago haben besonders die ameri-
kanischen Beleuchtungskörper für elektrisches Licht die Aufmerksamkeit der
europäischen Sachverständigen auf sich gelenkt. Seitdem sind neben hohem
Lob auch recht absprechende Urtheile über diesen Zweig der amerikanischen
Runstindustrie laut geworden. Erst kürzlich ist von gewichtiger Seite die
Ansicht ausgesprochen worden, der größte Theil der gerühmten amerikanischen
Beleuchtungskörper sei nichts anderes, als eine Nachahmung der westgothischen
Guarrazor-Rronen. Dies ist denn doch nicht zutreffend. Daß die Amerikaner
bei ihren Beleuchtungskörpern ebenso, wie bei ihren Möbeln, wie bei allen
ihren kunstgewerblichen Erzeugnissen sich an alte Muster halten, ebenso wie
wir, das ist nichts neues. Neu ist nur, daß wir ihnen das zum Vorwurf
machen sollen, wir, die wir doch im Anschluß an alte Vorbilder lange Zeit
das einzige Heil erblickt haben und noch erblicken. So sehr aber auch die
Amerikaner alte Motive verwenden, sie thun es doch freier, selbständiger,
als wir; vor allem suchen sie nicht die Grundstimmung der alten Stilperioden
„möglichst echt" auf moderne Verhältnisse zu übertragen, sondern suchen
durch Verschmelzung alter Formen mit modernen Bildungsprincipien etwas
Abbildung Nummer 406. Artischoken-Muster in Anaglypta.
Neues, Eigenartiges zu gewinnen. Das tritt auf das deutlichste bei ihren
Beleuchtungskörpern zu Tage. Das elektrische Licht hat eine stärkere Leucht-
kraft als frühere Beleuchtungsarten, es gestattet in der Anbringung der
Lichtquellen die größte Freiheit. Diese Eigenthümlichkeiten der neuen
Beleuchtungsart berücksichtigen die Amerikaner in erster Linie. Sie verzichten
häufig auf die bei der früheren Rerzen- oder Gasbeleuchtung nothwendigen
tief herabhängenden Rronleuchter, setzen vielmehr, da das intensiv leuchtende
elektrische Licht weicher, milder wirkt und den Raum gleichmäßiger durch-
fluthet, wenn es höher angebracht wird, die Beleuchtungskörper direkt in
die Decke ein und bilden sie dementsprechend künstlerisch aus wie große
Agraffen der Goldschmiedearbeit, in
die daun matte und geschliffene
Gläser wie große Edelsteine gefaßt
sind, durch die das Licht heraus-
leuchtet. Zu einem andern, sehr reiz
vollen Typus der amerikanischen
Beleuchtungskörper hat das Be-
streben geführt, dem Auge das
Hineiusehen in die Helle, blendende
Lichtquelle zu ersparen. Die Bogen-
lampe oder das Bündel Glühlichter
wird demnach durch ein Gehänge
von geschliffenen Gläsern und Glas-
perlen, das an orientalische Laternen
erinnert, wie mit einem Schleier
verhüllt. Diese Gehänge haben wohl
zu jener Behauptung von der Nach-
ahmung der Guarrazar-Rronen ge-
führt. Aber wenn auch wirklich
das künstlerische Motiv dorther ge-
nommen sein sollte, so ist doch seine
Anwendung zu dem angegebenen
Zweck etwas principiell Neues, für
uns sehr beachtenswerthes. Man
begegnet in Deutschland ja auch hin
und wieder schon freieren, von den
früheren Formen der Beleuchtungs-
körper abweichenden Anordnungen
des elektrischen Lichtes; aber so
selbständig, zielbewußt und sachlich durchgebildete, dabei künstlerisch reizvolle
Lösungen des modernen Problems, wie sie in Amerika zu finden, haben wir
in Deutschland doch wohl nicht aufzuweisen, mit Ausnahme vielleicht des
in die Decke eingesetzten korbartig gestalteten Lüstertypus, den Architekt
Seeling im Stadttheater zu Halle zum erstenmal angewandt hat, und der
nunmehr in fast allen neueren Theatern zur Ausführung gelangt.
Unser besonderes Interesse beanspruchen natürlich die englischen und
amerikanischen Möbel, um so mehr, als deren Einführung und Nachahmung
bei uns von vielen Seiten empfohlen wird. Da ist zunächst heroorzuheben,
daß die Engländer und Amerikaner durchaus nicht nur jene modernen Typen
verwenden, die als Modeartikel jetzt in eleganten Geschäften bei uns zu
sehen sind, daß sie vielmehr sehr viele Möbel nach alten Mustern machen,
ja häufig alte Muster direkt copiren. Diese Möbel nach alten Mustern aber
werden mit einer gewissen Beschränkung in Gebrauch genommen, die wohl
zu beachten ist: sie werden aufgestellt in den prunkräumen von Schlössern,
von Herrschaftssitzen, von vornehmen Häusern, in der für das englische und
amerikanische Familienhaus so karakteristischen Halle, jenem Empfangs, und
Repräsentationsraum, der den Mittelpunkt des Verkehrs im Hause bildet,
wohl auch in einem oder dem anderen zu Gesellschaftszwecken dienenden
Raum, selten aber in den eigentlichen Wohn- und Schlafzimmern. Auch
beschränken sich die Möbel alten Stils vorwiegend aus feste Besitzungen,
während für Miethwohnungen die modernen Möbeltypen vorgezogen werden.