Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

DOI article:
Schliepmann, Hans: Von der Berliner Gewerbe-Ausstellung, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0181

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
August-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite fZZ.

^Mon dev berliner ^ewerbe-Mirsstellung.

von Hans Schliepinann.

«tzALZNUD I- Allgemeines.

allein Gepränge, das die Haupt- und Residenzstadt eines
mächtigen Reiches aufzubringen vermag, ist das große Unter-
nehmen der Berliner Ausstellung am ;. U!ai der Veffentlichkeit
erschlossen worden. Und die Veffentlichkeit ist einig in dem Urtheil, daß
dieses Unternehmen ein „durchschlagender Erfolg" sei. Das ist nun eine
Zensur, die in der Regel Werken der Bühnenkunst ertheilt wird. Aber ich
wählte sie mit gutem vorbedacht, denn was zunächst den Erfolg der Aus-
siellung macht, ist die Inszenirung. Trotz aller preußischen „Schneidigkeit",
die als „Schnoddrigkeit" dreist genug vorher verkündete, diese Berliner Aus-
siellung werde die erste „Welt-Ausstellung sein, die bei der Eröffnung ganz
fertig dastände, war die Ausstellung eben noch nicht fertig, ja man nahm
seit der Eröffnung entschieden ein gewisses Tempo der Unlust wahr, so daß
gerade derjenige Theil, der unseren Lesern zunächst am Herzen liegt, die
Kojen der Möbel-Industrie, erst um die Mitte Juni völlig zum
Abschluß gelangt sind. Zwar ist immerhin schon am Eröffnungstage ver-
hältnißmäßig weit mehr zu sehen gewesen, als sonst bei den früheren großen
Weltmärkten; die Empfindung aber mußte doch schon damals zuweilen alle
Freude über das glänzende Gewand der Ausstellung durchkreuzen, daß dieses
Gewand im verhältniß zum Körper etwas sehr geräumig sei.

Nun, das ist freilich — Mode, und zur Lourfähigkeit gehört die lange
Schleppe. Aber Dame Industrie ist doch ihrem Wesen nach nicht lediglich
auf das Scheinen und Glänzen zugeschnitten. Nicht in der höfischen Ver-
neigung, sondern in der redlichen Arbeit liegt ihr Erfolg, ihr Werth. Immer
wieder wird sich daher die Hauptfrage auf das Wesen der Ausstellung
richten müssen, nicht so auf ihre Einkleidung, soll anders eine solche Ver-
anstaltung einen inneren Werth, eine innere Berechtigung haben.

Diese Frage nun kann abschließend erst nach eingehender Prüfung der
Einzelheiten beantwortet werden. Aber von vornherein müssen ernstliche
Zweifel auftauchen, ob wirklich den Veranstaltern der Ausstellung nur
die Förderung der Industrie am Herzen gelegen hat. Die Ausschlachtung
der Idee ist jedenfalls so raffinirt geschäftlich, an so zahlreichen Stellen finden
sich neue Mausefallen für den Geldbeutel der Besucher, daß höchstens die
lückenlose Darstellung des Könnens und eines vorbildlichen Schaffens der
Berliner Industrie mit der Schaffung dieses Welt-Jahrmarktes zu versöhnen
vermöchte.

Lines aber wird freilich allseitig und ohne Einschränkungen zugestanden
werden müssen: die Künstler, denen nur oblag, das äußere Gewand der
Ausstellung zu schaffen, haben ihre Aufgabe in einer weise gelöst, die in
der That der Ruhmredigkeit der Berliner von einer Welt-Ausstellung
eine gewisse Berechtigung gibt.

Ich für meine Person habe die Ehrfurcht vor diesem Worte „Welt-
Ausstellung" verloren. Lhicago hat mich durch die Praxis in meiner theore-
tischen Ueberzeugung nur befestigt, daß eine Welt-Ausstellung weder ein
zuverlässiges Kulturbild, noch eine Schule der Anschauung, noch auch blos
eine gesunde Spekulation ist - - der Krach war die Folge der künstlichen
Ueberhitzung! — Ich möchte also von vornherein die Idee einer auf minder
ausgedehnte Kreise beschränkten Ausstellung — also auch der Berliner —
für gesünder halten. Aber wenn's denn doch auch hier schließlich auf die
„große Schau", den „vergnügungsrummel" ankommen solh so darf man von
der reichshauptstädtischen Schau schon sagen, daß sie danach angethan ist, die
Schaulustigen aus aller Herren Ländern anzuziehen, daß sie den vergleich
mit Paris und Lhicago nicht völlig zu scheuen braucht. Das Gelände der
Ausstellung ist größer als das der pariser von ;S8I und wegen seiner überaus
malerischen Parkanlagen namentlich für die heißen Sommertage unendlich
viel reizvoller als das schattenlose, allerdings beinahe dreimal so große von
Lhicago ;8Y3. Und wenn die Baulichkeiten weder an Umfang noch an
äußerer Pracht völlig mit denen jener großen Weltmärkte wetteifern können,
so dürfen sie doch in Bezug auf Vriginalität der Erfindung entschieden

erheblich über die von Lhicago gestellt werden. Es verlohnt sich daher,
wenigstens in allgemeinen Zügen das Geleistete zu besprechen.

Die erste Frage bei der immer doch etwas auf den dekorativen Schein
gestellten Aufgabe der Errichtung von Ausstellungspalästen ist diejenige nach
dem Material, aus welchem die Wunderwelt eines Sommers errichtet werden
soll. Paris hatte sie in den Hauptbauwerken äußerst monumental, ja, einen
neuen Stil anregend, durch Schaffung von Eisen fachwerk beantwortet;
Lhicago dagegen hatte seine klassischen „Marmor".Paläste aus „Staff" —
Gipsputz mit Pflanzenfasereinlage — über trügerischen Holz- oder Eisen-
gerüsten zurechtgezaubert. Berlin fand im „D ra h tp u tz ein verhältnißmäßig
recht solides Haupt-Baumaterial, und es ist ein erstes, nicht unbedeutendes
Verdienst seiner Künstler, daß ihre Werke vortrefflich auf dieses Material
zugeschnitten erscheinen. Entsprechend dem Putzkarakter ist fast durchweg auf
Flächen Wirkungen hingestrebt; das Blendwerk antiker oder antikisirender
Säulen- und Architravstellungen ist möglichst vermieden, nirgends behauptet
der Gips oder gar der Mörtel Marmor zu sein.

Ja, was für die Fortentwickelung des Ausstellungsbanes, namentlich
bei beschränkteren Mitteln, ungemein bedeutungsvoll ist, das Holz schämt sich
nicht, wie in Lhicago, in unverhüllter Gestalt aufzutreten, vielmehr hat es
geradezu das luftigere Eisen ästhetisch besiegt. Technische Riesen-Wunderwerke
wie die Industriehalle in Lhicago wird man ja freilich nicht in Holz Her-
stellen können, schon der Feuergefährlichkeit halber nicht; daß sich aber Hallen
mittlerer Abmessungen in geradezu herrlicher weise in nur durch Imprägnirung
gebräuntem Holz, dabei überaus einfach und ohne sonderliches Schnitzwerk,
ohne farbige Behandlung, ausgestalten lassen, das hat doch eigentlich erst
Karl Hoffacker augenfällig bewiesen.

Das Geheimniß seines Erfolges beruht zunächst auf der Wahl möglichst
geringer und gleichartiger Holzstärken, wodurch die Konstruktion außerordentlich
klar erscheint. Dafür ordnet er Holztheile, die stärker beansprucht werden,
wie z. B. die Sparren, dichter gedrängt an, um so für die von innen sicht-
baren Dachflächen einen lebhafteren Rhythmus in der Theilung zu gewinnen,
ohne daß die theilenden Holzstäbe allzu plump wirkten. Dann aber liegt
ein Hauptreiz dieser Innenräume in der Beleuchtung und in der Farbe.
Die riesenhaften Fenster geben die ausreichendste Lichtfluth für die aus-
gestellten Gegenstände; in der Höhe des nach deutscher Art steil ansteigenden
Dachstuhles aber herrscht eine milde Dämmerung, die den Räumen etwas
wohnliches, Trauliches verleiht. Zu letzterer Wirkung trägt dann noch der
schöne, kalt bräunliche Ton des Holzwcrkes im Verein mit dem weißen, nur
durch wenige, aber wirkungsvolle, energisch farbige Friese unterbrochenen
Ton der wand- und Dachflächen bei.

Auch im Aeußeren entwickeln sich die beiden größeren Schöpfungen
Hoffackers - das Gebäude für Wohlfahrts-Einrichtungen und die
Baugruppe für Fischerei, Nahrungsmittel und Sport auf das
Reizvollste. Dem Parkkarakter des Geländes, der Konstruktionsweise in Holz
und dem — deutschen Empfinden gleich angemessen, ist die malerische
Gruppirung vor der monumentalen Symmetrie bevorzugt. So brauchte denn
auch dem Stoffe eigentlich nirgend Gewalt angethan zu werden. Die meisten
Putzflächen, das dunkle Holz, die kupfergrünen Dächer bilden an sich bereits
einen frischen und natürlichen Dreiklang. Dabei ist die Durchbildung im
Einzelnen ganz frei von Schablone in reizvollster Verwendung hauptsächlich
nordischer und romanischer Formen erfolgt. Lin wahres Juwel humorvoller
und intimer Stimmungsarchitektur ist namentlich die kreuzgangartige hölzerne
Rundbogenhalle mit ihrem reichen Schnitzwerk auf farbigem Grunde, die
den Hof der Fischerei-Baugruppe umzieht.

Um Karl Hoffackers Verdienste in vollem Umfange zu würdigen, sei
gleich auch noch seiner Schöpfung „Alt-Berlin" gedacht. Ls ist schwerlich
nöthig, hier auf dieses ganz wundersam zur Wirklichkeit gewordene Architektur-
märchen einzugehen. In Kürze dürften alle illustrirten Blätter den Zauber
dieser ganz unvergleichlichen, wirklich aus einem echten Dichtergemüth ohne
 
Annotationen