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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Schliepmann, Hans: Das jetzige Ausstellungswesen und das Kunstgewerbe!
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0273

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Preis vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.—, für

Sämmtliche Original-Illustrationen stehen unseren Lesern zur verwerthung frei.

VV" Dir Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten.

Illustrationen und textliche Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.

Nur Sonder-Hefte sind einzeln L Mk. 2.— erhältlich.

Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift

VII. Iahrg. 1896. -A

Z Leipzig ^ Darmstadt ^ Wien. W- Dezember-Heft.

^Mas jehigp Milsstellulrgswesen und das sHunstgewerde!



von gans Schliepmann.

E^on einem etwas kurrigen
Fürsten eines deutschen
Mittelstaates aus den fünfziger
Jahren erzählt man das Wort:
„Eine Eisenbahn muß ich haben,
und wenn sie fünfzig Thaler
kostet I" Wan hat über die Tiefe
der Sachkenntniß und der Auf-
fassung, die aus diesem Worte
hervorleuchtet, sehr überlegen
gelacht; aber jene' ehrgeizige
Hoheit hatte doch die Entschul-
digung, daß die Eisenbahnen
damals noch etwas ganz Neues
waren. In Deutschland aber
gab und gibt es noch unzähl-
bare Leute, die mit ebensoviel
Sachkenntniß und naiver Wunsch-
manie nach einer „Weltausstel-
lung" schreien, obwohl eine
Weltausstellung nichts Neues ist
und ihr Drum und Dran, ihr
Nutzen und Schaden füglich also
bekannt sein sollte. Und da nun
die Leiter unserer deutschen
Geschicke diesen Leutchen eine
Weltausstellung nicht gönnen
wollten, so ward zunächst eine

„nationale", dann eine „Berliner" Ausstellung geplant. Aber wir
Deutschen leben bekanntlich nicht nur in Berlin geistig — im guten
und schlechten Sinne. Auch andere Städte hatten längst eine Aus-
stellung geplant, und vielleicht mit ebensoviel Recht wie in Berlin,
für welche Stadt, mein Domizil, ich sonst persönlich wahrhaftig keine
blinde Vorliebe habe! Aber nun kam sogleich die deutsche Dick-
köpfigkeit und Absonderungssucht; statt sich irgendwie einer Idee
einzufügen, statt hier oder da zu warten, mußte jeder „Uulturmittel-
punkl" der Welt zeigen, daß er „auch Einer" sei. Nnd so hatten
wir denn in diesem Jahre, abgesehen noch von den Lockungen der
erleuchtetsten Nation des Erdballes, der Ungarn in Dfen-Pest,
eigentlich die Pflicht, den Inseraten und Plakaten von Berlin,
Dresden, Nürnberg, Stuttgart und Aiel zur Besichtigung ihrer
Ausstellungen zu folgen, was natürlich nicht einmal ein gelang-
weilter Engländer oder ein rentenfeister Hans-in-allen-Gassen zu
leisten vermag.

Es ist, als ob der Himmel selbst solchem kleinlichen und
planlosen Thun ausdrücklich seine Mißbilligung habe aussprechen
wollen, denn seit Menschengedenken hat kein so elender Sommer
alle Reisegedanken erstickt. So beginnt denn jetzt allmählich sich
der Aatzenjammer über so viel verlorene Liebesmüh' einzustellen.

Das scheint der geeignete Zeitpunkt, einmal die Frage der
Ausstellungen, namentlich aber deren Nutzen für das Uunst-
gewerbe, das unseren Lesern am meisten am Herzen liegt,
möglichst ohne vorgefaßte Meinungen gehörig zu beleuchten.

Die ersten großen Ausstellungen haben eine wirkliche Aultur-
mission erfüllt. Sie haben in einer Zeit, da noch nicht die aus-
gedehntesten Eisenbahnnetze die Länder einander näher rückten,
 
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