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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Hövel, Christian: Der Tisch und seine Bauart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0255

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November-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Teile ssiJ.

zisch und seine

von Lhristian Hövel, Düsseldorf.

!auart.

Manche der verehrten Leserinnen und Leser werden viel-
( leicht etwas verwundert die Überschrift lesen und
denken, was denn Besonderes über
den Tisch zu sagen sei. Wer so gedacht,
mag zum Theil schon recht haben, viel
ist es auch nicht, aber immerhin
genug, was der Beachtung werth
ist. Der Tisch, eines der meist-
benutzten und unentbehrlichsten
Nköbel, wird von seinen Her-
stellern recht oft sehr stief-
mütterlich behandelt, weniger
in Hinsicht auf die Größe
als in Bezug auf seine prak-
tische Zweckerfüllung und
die ästhetische Gestaltung
seiner Ginzelformen und
Verzierungen. Die Höhe
eines Tisches für Familien-
und Luxusgebrauch, und die
kommt für uns ja haupt-
sächlich in Betracht, steht
mit 78 — 80 om für alle
Fälle so ziemlich fest. Die
Länge und Breite eines
Tisches richtet sich je nach
den verschiedenen Bedürf-
nissen oder Räumen. Je
nach seiner Zweckbestim-
mung wird außer der Größe
eines Tisches auch die Aus-
stattung desselben sein
müssen, z. B. ein Talontisch
kann und soll ja reicher und
zierlicher sein, wie ein Wohn-
oder Tpeisezimmertisch und
ein Küchentisch anders und
einfacher wie letztere. Zeder
Tisch soll so gebaut sein,
resp. verziert sein, daß
keine seiner Verzierungen
der Zweckbestimmung des
Tisches und unserer Be-
quemlichkeit hinderlich ist;

ferner soll die Anordnung der Verzierungen so sein, daß dieselben
einzeln betrachtet und in der Gesammtwirkung mit unserem
Schönheitssinn resp. -gefühl nicht in Konflikt kommen. Wie unsere
heutigen landläufig gebräuchlichen Tische diesen Gesetzen ent-
sprechen, wollen wir in dieser Abhandlung versuchen festzustellen.

Nehmen wir, weil der Vergleich am nächsten liegt, einen

Abbildung Nr. ^S2. Geschmiedete Thore im Korridor des oberen Hauptgeschosses.

Wohnzimmertisch und fragen wir uns, worin seine Verzierungen
bestehen. Vor allem Anderen fallen uns die vier Stollen — all-
gemein fälschlich „Stempel" geheißen — ins Auge, die wichtigsten
Theile, weil Träger der Tischplatte. Zn der Regel sind dieselben,
ausgenommen der obere Theil der Stollen in etwas mehr als
Zargen- (Traverse) breite, der vierkantig bleibt,
gedrechselt, entweder bis zum Fußboden
oder bis etwa s6 om vom Fußboden,
bis dahin also, wo der Steg, die
untere Verbindung zwischen den
vier Stollen, zwischen die eigent-
lichen Tischstollen und die wie-
der gedrechselten Tischfüße
eingefügt ist. Bei reicherer
Ausstattung werden auch die
oberen, kantig bleibenden
Flächen der Stollen soviel
länger genommen um zwi-
schen Stollen und Traverse
(resp. Zargen) Konsolen an-
bringen zu können. Der
Tischstollen ist vor allem
Anderen der Träger der
Verzierungen und die mög-
liche Gestaltung des Stollens
ist so groß und gestattet so
viele Variationen aller Art,
daß man nicht leicht Sorge
zu haben braucht, es ließe
sich nichts Neues mehr
machen. Unsere Renaissance-
tische sehen aber gar nicht
aus, als ob dies der Fall
wäre, denn überall sieht
man fast genau dieselben
Tischstollen, am einfachsten
dadurch gekennzeichnet, daß
sie im oberen gedrechselten
Theil die bekannte Kugel
haben. Daß der größte
Umfang dort ist, ist schon
ganz recht, da ein Tisch-
stollen stets eine gewisse Be-
weglichkeit ausdrücken soll
— er soll also nach unten
hin verjüngt sein, nicht wie
eine Säule den größten Um-
fang unten haben. Wenn wir eine solche Kugel etwas näher
ansehen, finden wir gleich, daß sie nicht echt ist. Statt die Stollen
nämlich aus einem Stück Holz zu machen, das so dick ist wie
die Kugel es erfordert, nimmt man dünneres Holz und zwar nur
in der Stärke, wie es oben an den vierkantig gebliebenen Flächen
zu sehen ist und verleimt die Kugel aus vier, oft noch mehr
 
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