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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Ueber Gobelins: Nach einem Vortrag
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Fischbach, Friedrich: Kunstgewerbliche Schul-Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0213

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Seite s58.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration,

September-kfeft.

Massen von Rartons an die Brüsseler Manufakturen und die einheimischen'
bereits zum großen Theil in Italien gebildeten Künstler schlossen sich mehr
oder minder der neuen Kunstrichtung an. Trotz mancher vortrefflichen Leistung,
namentlich auf ornamentalem Gebiet, war die italienische Richtung im
Großen und Ganzen für die Gobelins nicht vortheilhaft. Ls fehlte die
lebendige Wechselwirkung zwischen den italienischen Malern und den Brüsseler
Taxissiers. Die strengen, akademisch-kunstvollen Kompositionen der Italiener
mit wenigen, stark hervortretenden Figuren nahmen auf den dekorativen Zweck
der Gobelins nicht die nöthige Rücksicht. So wurde die alte, künstlerische
Tradition des Mittelalters gelockert und unterbrochen, die Ligenart geschwächt
und die belgische Industrie ging gegen Lude des 16. Jahrhunderts merkbar
zurück. Im ^7. Jahrhundert setzte der verfall sich fort, trotz eines glänzenden,
aber vorübergehenden Aufschwunges, den die starke Betheiligung eines
P. P. Rubens Hervorrufen mußte. Rubens hat eine außerordentlich große
Zahl von Vorlagen geschaffen und die Teppiche nach seinen Bildern mit der
Geschichte des Decius Mus, der Geschichte Heinrichs IV. und der Maria
Medici gehören zu den besten und großartigsten Leistungen der ganzen Industrie.

Den Niedergang der belgischen
Fabrikation benützten Franzosen,

Italiener und Deutsche zu neuen An-
strengungen, die Wirkerei bei sich
eiuzuführen oder zu erneuern. Denn
wenn auch die künstlerische (Dualität
der Gobelins damals gesunken war,
die Liebhaberei dafür stand auch im
1?. Jahrhundert noch überall in
höchster Blüthe. Kein Palast, kein
vornehmes Hans, keine namhafte
Kirche glaubte ihrer entbehre» zu
können, von allen Seiten bemühte»
sich die Höfe, erst niederländische,
später französische Arbeiter durch Pri-
vilegien , hohe Gehälter und andere
Vergünstigungen zu gewinnen und
neue Werkstätten zu errichten.

Wir sehen daher seit dem An-
sang des 1?. Jahrhunderts eine Un-
zahl neuer Manufakturen in ganz
Europa emporschießeu. Ihre Erzeug-
nisse sind zum Theil ganz vortreffliche
gewesen, aber nur wenigen war eine
lange Lebensdauer beschiede». Die
bedeutendste Fabrik Italiens wurde
in Florenz von Losimo I. als Arrazzeria
Medicea begründet. Sie erhielt sich
bei sehr großer Produktion, wovon
namentlich das heutige Gobelin-
museum in Florenz noch Zeugniß
ablegt, bis zum Aussterben des medi-
ceischen Hauses im Jahr 1727. Da-
neben entstanden, blühten und ver-
gingen die Manufakturen von Ferrara,

Rom, Neapel, Turin, Venedig. Nur
eine römische Werkstatt, 17 io von
Llemens XI. durch französische Ar-
beiter ins Leben gerufen, ist erst beim
Einzug der Italiener 1870 ausge-
hoben worden.

In Deutschland bestand seit
160-1 eine herzoglich bayrische Anstalt in München, dauerte aber nur wenige
Jahre. Besseren Erfolg hatte Preußen. Es gelang den: großen Kurfürsten
französische Teppichwirker nach Berlin zu ziehen. Diese zuerst von Mercier
geleitete Manufaktur bestand noch l?6g. Line große Zahl ihrer Werke,
darunter eine Serie mit den Thaten des großen Kurfürsten, wird noch heute
im König!. Schloß zu Berlin aufbewahrt. Zu den besten Erzeugnissen des
17. Jahrhunderts zählen die Teppiche der englischen Fabrik von Mortlake,
die auf Anregung Jacobs I. 1620 von flandrischen Künstlern begonnen
wurde und für welche Rubens und van Dyck selbst Vorbilder geliefert haben.
Auch Spanien hat im 18. Jahrhundert mit zwei Fabriken in Madrid und
Sevilla an der Gobelinmanufaktur, aber mit wenig Glück, theilgenommen.
Selbst nach Rußland ist die edle Kunst vorgedrungeu. Die erste Anstalt
entstand 1607 in Moskau, eine zweite, von Peter dem Großen begründet,
arbeitete in Petersburg fast das ganze 18. Jahrhundert hindurch mit fran-
zösischen Kräften.

Alle diese und zahlreiche andere Fabriken ohne Ausnahme wurden in
den Schatten gestellt, als Paris unter Ludwig XI V. die Führung übernahm,
die ihm bis heute nicht streitig gemacht werden konnte. In Paris hatte die
alteingesessene ^Industrie vom 1H. Jahrhundert herauf sich fortgefristet, war

aber zur Zeit der Vorherrschaft von Arras und Brüssel in verfall gerathen.
Franz I., Heinrich II. und Heinrich IV. ließen es an mannigfachen versuchen
nicht fehlen, die Tapisserie wieder auf die Höhe zu bringen. Aber der Ruhm
ihrer Schöpfungen in Fontainebleau und Paris verblich, als Lolbert 1662
die König!. Manufaktur des K ro n m o b i l i a rs ins Leben rief. Das
neue Unternehmen, mit allen Privilegien und reichen Mitteln ausgestattet,
von Lolbert selbst verwaltet, wurde im Duluis clss Kodslins untergebracht,
von dem Hause ist dieser Name der früheren Besitzer, die mit der Teppich-
Wirkerei nichts zu thun hatten, auf den Hauptzweig des Betriebes, die
Wirkerei, übergegangen und ihm verblieben. Mit der künstlerischen Leitung
wurde von Ludwig XIV. der Hofmaler Lharles Lebrun betraut, ein Meister
ersten Ranges auf dem Gebiet der Dekorationsmalerei großen Stils. Unter
seinen zahlreichen Kompositionen für das Teppichatelier steht der große
Lyklus mit den Thaten Ludwigs XIV. obenan, ein glänzendes Zeugniß
seiner speziellen Eignung für dieses Gebiet der Kunstindustrie. Unzweifelhaft
sind diese Gobelins nach Lebruns Entwürfen den besten Leistungen aus der
Zeit Rafaels und Rubens an die Seite zu stellen. Die Pariser Manufaktur

errang sofort die führende Stellung
und hielt nicht nur die kleineren
französischen Fabriken, wie Beauvais,
Aubusson, Valencienner, sondern die
gesammte europäische Produktion
völlig in künstlerischer Abhängigkeit.
Sie hielt die Herrschaft auch weiterhin
fest als der Geschmack sich änderte
und unter der Direktion von Franyois
Boucher das leichter bewegte Rokoko
und der zierliche Stil Louis XVI.
zum Durchbruch kamen. Im Anfang
der Revolution war die Manufaktur
vom Untergang bedroht; Marat selbst
hatte ihre Schließung beantragt. Aber
ihr Weltruhm war so groß, ihre
Stellung als stolzeste Säule der fran-
zösischen Kunstindustrie so gefestigt,
daß sie dem Ansturm widerstand.
Allein von allen den zahlreichen
Fabriken, die im Laufe vieler Jahr-
hunderte Kirchen, Paläste und Schlösser
mit ihren Erzeugnissen geschmückt
hatten, ist sie bei mancherlei Wechsel
des Geschmackes, aber in altem Glanze
erhalten geblieben. Und es hat auch
nicht den Anschein, daß in absehbarer
Zeit ihr eine wirksame Konkurrenz
entstehen könnte. —

Kunstgewerbliche

Schul-Nusstellungen.

-MM>er die Entwickelung der Kunst-
gewerbe- und Fortbildungs-
schulen in letzten Jahrzehnten ver-
folgte, scheut nichts mehr als die
Besichtigung der sog. Schülerarbei-
ten. Wir wollen nicht einzelnen
Direktoren und Lehrern Vorwürfe
machen, sondern nur ein Prinzip
beleuchten, das zu tadeln ist, weil
„Lüge", oder gelinder gesagt „Flunkerei" die nothwendige Folge ist. —
In solchen Schülerarbeiten treten uns in der Regel tadellose Kopien und
sogar zuweilen vortreffliche Entwürfe entgegen, wie kommt das? In den
meisten Schulen heißt es: „Der Lehrer ist verantwortlich, daß jede
Kopie korrekt ist". Das klingt sehr einleuchtend, denn man will Nach-
lässigkeiten verhüten. Würde aber mit rother Tinte wie in Schulheften
korrigirt, so merkte man bald an der Tiefe des rothen Meeres wie viele
Schülerstriche in demselben ersoffen sind. Legt solch ein Schüler, der Litho-
grafien und Kupferstiche mit Hülfe des Lehrers fast in den Schatten stellt, auf
einem Atelier Proben ab, so merkt man bald die Flunkerei, d. h. den Unter-
schied der Proben und der Schularbeiten. — Das Uebel begann schon vor fast
20 Jahren. Als die Kunstgewerbeschule in Wien gegründet wurde, erzählte
mir E. Wahliß, daß zwei seiner besten Porzellanmaler mit 500 Gulden
Stipendien gewonnen seien, als Schüler in die Klasse für Porzellanmalerei
einzutreten. Diese Leute waren im Alter zwischen 20 und io Jahren. Die
nächsten Ausstellungen in Gesterreich, Deutschland, London rc. zeigten die
Leistungen „dieser Schüler" und alle Welt war verblüfft und lobte und der
Wetteifer begann. — Man schreibe doch ehrlicher „Lehrerarbeiten mit Schüler»
betheiligung". — _ Lriedr. Fischbach.

Abbildung Nr. H28. Thür im südlichen Livilsenats-Sihungssaal.

Modelle: Giescke und ssrof. Geiger, Berlin. — Ausführung: F. A. Schütz, Leipzig.
 
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