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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Barber, Ida: Die Möbel-Industrie in der Milleniums-Ausstellung in Budapest
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0237

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Mktober-Hefl.

Zllustr. kunslgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoralion.

Seite s77.

Di^ ^^öbel-°Dndustri^ in den ^Millenniums-Musstellung in ^^udapest.

von Ida Barbe r.

Ungarn haben all Denen, die sie zu Gast geladen und die aus
eigener Initiative zum Besuch der Millenniums - Ausstellung
gekommen, gezeigt, was sie auf den verschiedensten Gebieten der
Kunst, der Industrie, des Handels zu leisten im Stande sind.
Kostbare, mit dein Aufgebote echter Kunst ausgestattete Paläste bergen die
Erzeugnisse ihres Fleißes, ihres ernsten, von Erfolg gekrönten Strebens. Da
ist kein Gebiet der modernen Technik, das nicht seine guten Vertreter hätte;
alle Lomitate, auch die fernsten, haben das Ihrige beigetragen, die Ausstel-
lung interessant und lehrreich zu gestalten. Die Möbel-Industrie ist sowohl
in ihren primitivsten Anfängen, wie in ihrer höchsten Vollendung vertreten;
großartig schön gehaltene Interieurs ist man ja auf allen Ausstellungen
zu sehen gewöhnt, prachtzimmer mit Lrker-Dekorationen, reich ausgestattete
Schlafzimmer, die nur so zum Schlummern einladen, — vom feinsten
Parisianismus durchduftete Boudoirs — all das finden wir auch hier; ganz
eigenartig aber, und auf anderen Ausstellungen nicht vertreten, ist das, was
uns die „Dorfstraße" bietet. Letztere besteht aus circa 30 Häusern, die
aus den verschiedensten Lomitaten beigestellt, genau so gebaut, möblirt, ein-
gerichtet, mit allerhand Figuren illustrirt sind (Wachs, doch lebenden Menschen
täuschend ähnlich), wie man sie daheim findet. Ls ist interessant, vergleiche
anzustellen, wie die Leute da und dort wohuen, wie sie ihre Betten, Schränke,
Tische, Stühle ausstatten, bemalen, bekleiden, wo sie mit Dekorationen wie
Gardinen, Decken, Sofabehängen anfangen, wie sich ihr Farbensinn bethätigt,
wie sie hygienischen Anschauungen zugänglich sind. Da sind noch die von
Alters her geschätzten hohen Federbetten, die bei den Bewohnern des Szabolcser
Lomitats bis an die Decke hinan aufgespeichert werden, je drei große, mit
Stickereien besetzte Kissen über einander, etwa drei rothe, drei blaue, drei
gelbe und so fort, bis endlich die Zimmerdecke erreicht ist. Line Einrichtung
ohne solch ein Feder-Thurmbett würde bei den Szabolcser Bauern nicht für
voll angesehen werden.

In anderen Lomitaten ist man be;cheideuer; da thnts auch ein Bett
mit drei fest gestopften Unterbetten und zwei Polstern, im Eisenburger und
Tomeser Lomitat hat man sogar ganz niedere Betten mit Matratze und
Wolldecke, ei» Fortschritt, der gewürdigt sein will.

Die Möbel sind hier im „Dorf" zumeist bunt angestrichcn, mit Blumen,
Vögeln, Arabesken bemalt. Blau scheint die Lieblingsfarbe der Bäuerinnen
zu sein. Die große Truhe ist zumeist das Lffektftück der ganzen Einrichtung.
Nur ganz vereinzelt kommen Kommoden, Etagören, Wandbretter vor; im
Hause des Bordoser Lomitats überrascht uns sogar eine regelrechte Kredenz,
die mit allerhand bunt gestickten Tüchern belegt ist. Die Kästen sind entweder
farbig angestrichen oder polirt. In der bosnischen Ausstellung sind einige
Herren- und Bauernstuben, die uns ganz kunstvoll geschnitzte Schränke zeigen,
die, wie man uns mittheilt, hier mit zum Hausinventar gehören; man
miethet dort die Wohnung sammt eingemauerten Schränken und zahlt sie
mehr oder minder hoch, je nachdem die Kästen mehr oder minder gut geschnitzt,
bemalt oder, wie in den Herren-Stuben, mit Perlmutter-Einlagen versehen,
sind. Auch der kroatisch-slavonische Pavillon hat seine im nationalen Geschmack
gehaltenen Herren-, Bauern- und Gesindestuben, letztere mit hohen Betten und
bunten Holzmöbeln; die besseren Stuben, in türkischen Farben gehalten, sind
mit schwellenden Divans, großen Spiegeln, kunstvoll geschnitzten Möbeln gefüllt.

Die große Industriehalle birgt die modernen Interieurs; letztere
füllen die ganze Westseite der Ausstellung und sind mit Geschmack und großer
Kunst gefertigt. Die besten ungarischen Dekoratöre sind hier mit in den
Wettbewerb getreten und überraschen uns durch gediegene Arbeit und feinen
Geschmack. Ls sind da Piscen von unübertroffener Schönheit, die sich kaum
besser auf der pariser und Lhicagoer Ausstellung fanden.

In der Serie der ausgestellten Schlafzimmer fallen vortheilhaft die
von Junos Lsepreghy gefertigten in französischer Renaissance gehaltenen
Mahagonibetten auf, zu diesen passend ein stilvoll geformter Schrank, der
zum Hängen der Kleider, zum Legen der Wäsche wie eine Kommode einge-
richtet ist und oben einen Aufsatz trägt. Sehr hübsch sind einige von Gyula-

Müller ausgestellte Einrichtungen, ein Schlafzimmer beispielsweise ganz mit
Nuß eingelegt, Draperien von nilgrünem Atlas mit vil üenrs, je zwei und
zwei über einander, dazu Garnitur von grünem Brockat in altungarischem Ge-
schmack.— Die Firma Dosa Tcstvsrek (Gyür) stellt ein Schlafzimmer mit
französischem Doppelbett aus, herrliche Nnßholzschuitzerei, oben blaue Draperien,
Toilettetisch und Garnitur in gleicher Ausführung, der dreitheilige Kasten
mit venetianer Spiegelwand. — vielen Beifall findet das von Vdön Hörman
ausgestellte Schlafzimmer einer adeligen Dame, die Wände sind mit Rokoko-
Panneaux bekleidet, über dem Sofa und Bett je eine Krone, am Spiegelkasten
zur Rechten und Linken Etageren mit Spiegel-Rückseite. Man sieht noch
Betten von Ahorn-, Lichen-, Kirsch-, Birnenholz, Helle und dunkle, mit Gold
und Perlmutter gezierte, auffallend niedere, breite Betten und schmale, zum
Zusammenlegen eingerichtete, die mit den verschiedensten Stoffarten bezogen
sind. — Robert Schöberl's Stuhl-und Divanbetten haben sogar die Auf-
merksamkeit des Kaisers erregt, der bei seinem Rundgang äußerte: „Das
ist doch das denkbar Praktischste, was ich seither in F a u t en i l - B e tt en
sah; wirklich ein sehr nützliches Möbelstück." Das Schöberl-Bett nimmt
am Tage als Fauteuil den kleinsten Raum ein, ist von massivem Schmiede-
eisen mit großen Rollen gefertigt, 75 Lentimeter breit, ausgezogen 2 Meter
lang, mit Plüsch, Seidenbrokat oder abgepaßtem Teppich bekleidet. Der
Vberstoff leidet beim Daraufliegen nicht, da Lehne und Sitz beim Aufklappen
nach unten kommen. Gleich praktisch ist der Patent-Schöberl-Stuhl, der
in allen nur denkbaren Lagen und Stellungen gebraucht werden kann und
sich namentlich bei Kranken und Rekonvaleszenten bewährt; es sind am Lehn-
stuhl so verschiedene Vorrichtungen angebracht, vermöge deren man ihm nach
Wunsch, Laune oder Bequemlichkeit die verschiedensten Stellungen geben kann.

Einen der Hauptanziehungspunkte bildet das sogenannte Königs-
zimmer in der historischen Abtheilung, das von Architekt Ignäcz Alpür
erstellt wurde, und von welchem wir auf Seite eine gut gelungene
Abbildung bringen. Das Zimmer ist in Nußholz mit Mahagoni, theilweise
vergoldet, ausgcführt, und bildet das Arbeitszimmer Sr. Majestät des Königs,
im Fall er sich in seinen Appartements in der Ausstellung aufhält, sonst ist
es als Ausstelluugs-Gbjekt selbstverständlich der Besichtigung zugänglich.
Der Kamin ist in Sandstein gehalten, ebenfalls zum Theil vergoldet und
polychrom verziert.

Auch hübsche Motive zeigen sich in einigen speziell als Herrenzimmer
gedachten Räumen. Da ein breites Bett Genre Louis XIV. mit Erhöhung,
wie auf einem piedestal stehend, Wanddraperieu von grünem Sammt, die
Lauseuse von gleichem Stoff, der Boden mit rothem Teppich bekleidet; das
Bett steht wie in einer Lrkernische, ist hübsch mit weißen Spitzen und grüner
Sammtdecke montirt. Paül Gergely stellt ein herrliches Horreuzimmer
aus, die Möbel Mahagoni mit Gold, der Schreibtisch mit anstoßendem Bücher-
regal, die Möbel mit rothem Leder bezogen, der Plafond mit Gobelins bespannt.

Unter den ausgestellten Iadzimmer-Einr i chtuugen findet die von
Hermann Gmehling besonderen Beifall; das Mobiliar ist ans Eichenholz
gefertigt, Füße und Dekoration aus Hirsch-, Reh- und Büffelhörnern her-
gestellt, die Panneaux und Möbelbezüge aus geschnitztem Leder, der Schrank
gleichfalls mit geschnitzten Lederfüllungen. — Gleich effektvoll ist ein von
Heinrich Seifert L Söhne ausgestelltes Billardzimmer, das
Mobiliar aus hellein Eichenholz mit bronze Plüsch-Einlagen, iin Fond eine
Landschaft, Dekoration von gestickten Vorhängen.

Die Eisenmöbel-Fabrikation erfreut sich in Ungarn großer
Beliebtheit. Man sieht reizende Zimmer-Linrichtungen aus gebogenem, mit
Gold eingelegten Eisenmöbcl, andere in italienischer Renaissance, wieder
andere quits suglisli. Sehr schön ist ein von der Firma Bsrslcu Ns-rkns
ös II srAsr ausgestelltes, in englischem Stil gehaltenes Doppelbett, die Nacht-
kasten mit zwei Marmor-Etagsren, an Schränken und Tischen reiche Gold-
verzierung. — Andere Firmen stellen weiße, bunt bemalte Lisenmöbel aus,
dreitheilige Sxiegelkästen, Rokoko-Schräukchen rc.

Holzbildhauer Jakob Hajts hat herrliche Spiegel im Barock-Stil
 
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