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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0160

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Seite sh 6.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zuli-Heft.

unseren Mllultrat innen.

ben Reigen des uns vorliegenden künstlerischen Schmuckes eröffnet eine
Vignette von H. Bäumer, der uns darin eine lauschige, gefällig kom-
xonirte Eck-Dekoration bietet. Derselbe Künstler ist mit einer Reihe sehr geschickt
angeordneter Fenster- und Thür-Dekorationen in den Abbildungen
Nr. 376—378, 380—382 und 393 vertreten. Das Eigenartige in der Wahl
seiner dekorativen Mittel, das Ueberzeugende des Ausführbaren durch seine
kecke und reizvolle Vortragsweise läßt uns zu seinen Arbeiten sofort in ein
intimes verhältniß treten. Etwas Bekanntes, bereits Liebgewonnenes spricht
uns aus diesen werthvollen Studien an, wir denken an Meister werle und
an sein Hauptwerk „Das vornehme deutsche Haus", werle beginnt Schule
zu machen und die Schüler machen dem Meister Ehre! Dieser Vorgang hat
bereits die Aufmerksamkeit der führenden Fachkreise erweckt: Werle's Werk
war ein kraftvoller Vorstoß für die Gewinnung einer heimischen Ausdrucks-
weise in der Gestaltung und Ausschmückung unserer Wohnräume und der
Erzeugnisse des Kunstgewerbes. Und

was das bedeutet in einer Zeit, in der ___

sich die Stimmen, gewichtige Stimmen,
mehren, die sich auf die deutsche Gothik
und Frührenaissance berufen, die dem
englischen Kunstgewerbe mit zun, Siege
verholfen haben sollen! wir sind nun-
mehr von einer einschneidenden Nach-
äffung des Empire-Stils bewahrt ge-
blieben! Räumer theilt mit werle viele
Vorzüge, so auch die Ueberlegenheit in
der völlig aufgehenden Verquickung
stilistischer Einzelheiten aus allen Zeiten
und zwar in ganz neuer material-tech-
nischer Gestaltung und Anwendung.

Auch Bäumer versucht es wie werle —
und wie es schon Marot that — die
Lntwurfsarbeiten für Tapezierer und
Dekoratör dem Architekten zurück zu
erobern und damit das zulässig Maß-
volle in der Gesammt < Dekoration von
allen Auswüchsen der Stoffverschwen-
dung zu befreien. Das sehen wir in
der in flüssigster Neu-Sxätgothik — man
möchte sie Werle-Gothik taufen — ge-
haltenen Fenster-Dekoration der Abbil-
düng Nr. 382 und der sich hieran an-
lehnenden wand- und Thür-Dekoration
der Abbildung Nr. 378. Diese letztere
ist ein wirklich einschmeichelndes Blatt
mit seinen zahlreichen echten Motiven
im Holzkarakter; das Holz scheint überall
zu seinem Recht kommen zu sollen, was
besonders dem reichen floralen (Orna-
ment recht zu statten kommt. Abbil-
düng Nr. 38, hat einen Grundakkord
im Stil Ludwig XVI. und zwar in
höfischer Strenge; die einseitige Beto-
nung durch die Kandelaberflankirung
und Schiffbekrönung verschieben äußerst
geschickt die architektonische Mitte bei

dieser jedenfalls an einem wandende gedachten Thürdurchbrechung. Zn
Abbildung Nr. 380 dominirt die Frührenaissance mit wenig englischen An-
klängen. Der schön, aber für die Judith oder Zustitia zu mächtig und
lebendig gestaltete Rahmen in italienischem Barock lenkt leider von den
sonstigen netten Einzelheiten des übrigen Holzwerkes stark ab. Zn diesem
Blatte verräth sich uns noch der „alte" Bäumer vor seiner Bekanntschaft mit
werle. Recht originell ist er wieder in der in Abbildung Nr. 376 wieder-
gegebenen Fenster-Dekoration mit der in zierlichem Holzwerk ausgeführten
Haupt-Galerie und der rollenförmigen Wickelung und einseitigen Raffung
der Vorhänge. Ebenbürtig schließt sich die Fenster-Dekoration der Abbildung
Nr. 377 an, deren Lambrequin in Lederschnitt oder Stickerei-Applikation
gedacht sein dürfte, ausgestattet mit reicher Passementerie-Arbeit. Man wolle
die hohe Einheitlichkeit dieser Lösungen in sich, gerade in den Draperien
beherzigen, aber auch nicht vergessen, daß solche Dekorationen Licht haben
müssen, also Gegenbelichtung, um in ihrer ganzen Schönheit zur Geltung
zu kommen. Ebenfalls mit Zuthat reicher Lederschnitt-Arbeit ist die Schluß-
Dekoration dieses Heftes, Abbildung Nr. 3Y3, gedacht. Diese Beiträge Bäumers
sind treffliche Belege für die Abklärung eines ins praktische übersetzten
künstlerischen Moments der architektonischen Dekoration!

Die Kunst-Beilage I, die wir dem bestbekannten Architekten H. Kirch-

Abbildung Nr. 393. Thür-Dekoration, von H. Bäumer.

mapr verdanken, ist wieder in Komposition wie Darstellung ein Meisterstück
von seltener Delikatesse und feiner Stimmung. Zn der Darstellung ist Kirchmayr
wohl überhaupt den meisten der publizirenden Architekten über, er ist Maler-
Architekt von großer Bedeutung. Der Empfangsraum oder auch Warte-
zimmer zeigt in allen seinen Bildungen und Schmuckmitteln die Bevor-
zugung des Holzes, dem ich immer weitere Verbreitung im deutschen Hause
wünsche. Etwas hat der Künstler hier an Tiroler Vorbilder gedacht und,
wie es nicht anders sein kann, auch England gehuldigt. Das wirkt in seiner
Schlichtheit so ehrlich; Drechsel-Arbeit, Täfelwerk und Decke, ja selbst der
westasiatisch gemusterte Fußbodenbelag und Vorhang stimmen zusammen und
könnten in ihrem Ensemble ein Vorbild für englische Znterieurs sein.

Heinrich wetze! in Frankfurt a. M., von dem wir schon mehrfach
dekorative Malereien brachten, spendet uns in Abbildung Nr. 383 einen
Fries und in der in Tondruck ausgeführten II. Kunst-Beilage einen
D ecken - Entwurf aus seinem eigenen Speisezimmer. Besonders diese
beiden Arbeiten sprechen wieder recht dringlich zu uns und lehren, daß man
hinter dem Anerkannten der Zeit nicht Zurückbleiben darf. Auch wetzel hat

bei England eine Anleihe gemacht, nicht

_ in Einzelheiten, nein, in der Auffassung

und Wiedergabe rein deutscher Motive.
Man fällt ordentlich über das Wort
„englisch", aber die Sache ist weniger
schlimm als sie sich anhört — uns ist
es heute kein Geheimniß mehr, daß
England seine Muttersaat in Deutsch-
land und Tirol erntete und deutsche
Künstler schneiden mit gutem Recht ihr
Theil vom reifen Halm. „An Gottes
Segen ist Alles gelegen" und „Trink'
und iss', Gottes nicht vergiß" sind ganz,
in den herrlichen Entwürfen deutsche
Mahnsprüche bildend, im Sinne der
deutschen Frührenaissance angewendet.
Sehr gut ist das Mittelfeld mit der
Umrahmung und den Zwischenstücken
sowie der anschließende Fries gelungen.

Ein Treppen - G eländer in
deutscher Spätrenaiffance resp. deutschem
Barock aus einem Hallenser Privathause
in einer Aufnahme von Zoh. Schmidt
bietet uns Abbildung Nr. 38-,. Das
schwülstige Geranks zeigt uns so recht die
weniger gute Wirkung gegen gedrehtes
oder kantiges Traillenwerk, wie z. B.
in Kunst-Beilage I und Abbildg.Nr. 389-
Zm Anschluß an das dem Archi-
tekten Bskar Dedreux gewidmete April-
Heft geben wir in Abbildung Nr. 390
und 39, die geometrische und perspek-
tivische Ansicht eines weiteren Beleuch-
tungsgeräthes, das überaus graziös
wirkt. Es ist ein in Schmiedeeisen
nach dem Entwürfe desselben Meisters
ausgeführter Wandarm mit Laterne,
an italienische Schmiedewerke der Spät-
renaiffance erinnernd.

Abbildung Nr. 392 zeigt uns den
Entwurf zu einem von Z. Neuser in
Mannheim ausgeführten Blumentische in Schmiedeeisen, von reichster
aber doch nicht überladener Gliederung, an dem die Kunstschmiederei wahre
Triumphe feiern kann. Aufbau wie Einzelheiten sind trefflich, die Fuß-
kreuzung ist bei der etwas weiten Ausladung geschickt angeordnet.

Abbildung Nr. 389, eine Empfangshalle in einem amerikanischen
Hause darstellend, bietet ein recht gutes Beispiel von mäßiger Abmessung,
dessen nicht zu große Kostspieligkeit es für das deutsche Bürgerhaus geeignet
macht. Unsere Vorflure und Vestibüle könnten von ihrer nüchternen Monu-
mentalität manchmal sehr gut etwas missen, hier ist etwas Traulichkeit
weit eher am Platze.

Der Entwurf für eine Buchdecke — Lhronik — in Lederschnitt und
leichter polychromirung, Abbildung Nr. 387, stammt von dem ebenfalls
bestens bekannten Robert Grsans. Das Wappen, umgeben von Zris und
Schilf, ist mit seiner wehenden Helmdecke prächtig gezeichnet; ein kleiner
Fehler liegt jedoch in der Komposition: die Tartsche — Schild — muß die
gleiche Richtung des Helmes mit seiner Helmzier haben, der Ausschnitt der
Tartsche hätte bei ihrer Stellung demnach auf die andere, heraldisch rechte
Seite gehört. Bei einer Ausführung wäre es bei der Schönheit des Entwurfs
doppelt erwünscht, den kleinen Fehler zu beseitigen.
 
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