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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Hagen, L.: Gobelins und Gobelin-Malerei
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W. M.: Kunstvolle Mosaik-Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0059

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Seite 38.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

Illustrationen aus Familienblättern als Vorlagen zu benutzen und
sie nach Bedarf zu vergrößern. Es kommt dabei ein wunder-
liches Gemisch heraus von Erinnerungen aus den Museen und
dem beliebten Schattirungssystem der modernen Kreuzstichstickerei.
Neutraltinte und kalte Sepia, Indigo und Weiß werden nicht
gespart, damit Jedermann erkenne, wie sehr „nach dem Leben"
die Malerei fabrizirt
wurde. Eine etwas
höherstehende Masse von
Gobelinmalern oder
-Malerinnen legt sich auf
das gewissenhafte Ko-
piren alter Gobelins in
den Museen. Hier aber
kopirt man natürlich
pflichtschuldigst auch den
Staub der Farben. Zu-
meist hat man dabei in
Deutschland keine Ahn-
ung von der Thatsache,
daß schon in sehr früher
Zeit — in Deutschland
nachweislich schon im
Anfang des sH. Jahr-
hunderts — das Gold
sehr reichliche Verwen-
dung findet. In der
Florentiner Arrazzi-
sammlung, wo fast alle
Gobelins in außer-
ordentlicher Farben-
frische erhalten sind, verwenden die kopirenden Damen große
Mengen von Goldstaub, welchen sie mit Hülfe eines trockenen
Pinsels in die feuchte Farbe auf ihrem Gobelinstoff hineinarbeiten.
Sie könnten dies gar nicht unterlassen, weil man ihnen angesichts
ihrer Vorbilder sagen würde, daß sie ohne Gold viel zu weit
hinter den (Originalen Zurückbleiben, um auf Absatz rechnen zu
können. — Eine dritte Klasse von Gobelinmalerei war auf der

diesjährigen großen Berliner Kunst-Ausstellung — wenn ich nicht
irre — nur durch ein einziges Exemplar von Max Seliger ver-
treten. Hier bot sich die selbständige Komposition eines Künstlers,
der die Eigenart der Gobelinmalerei in ihrem vollen Umfange
erfaßt hatte. Die Darstellung — ein Herbst oder Abend — stand
im Entwurf stark unter englischem Einfluß. Speziell enthielt

sie Reminiscenzen an
Sir Frederik Leighton.
Zwei Frauengestalten
unter einem Baum, ein
Hund und ein Stück
blühender Acker bildeten
den Hauptinhalt. Es
muß vorweg zugegeben
werden, daß an der
Zeichnung an Hals und
Kopfhaltung einer Figur
für „Nörgler" viel greif-
bares Material zu finden
war. Auch wurde im
Ausdruck der Gesichter
nicht jene intime Weich-
heit exreicht, die gerade
für den Stil der prä-
rafaelliten unerläßlich
scheint. Dagegen ent-
hielt der Aufbau der
Gruppe in Bezug auf
Geschlossenheit und
architektonische Anord-
nung im Sinne des
Michelangelo so zahlreiche selbständige Momente, daß selbst
ein prärafaellit davon hätte lernen können. Schon in diesem
Sinne zeugte das Bild nicht von bloßem Anpassungsvermögen,
sondern von Schulung, die sich mit dem Grundelement im Naturell
des Künstlers verschmolzen hat. Durchaus selbständig war bei
dieser Arbeit auch die Behandlung der Farbe. Sie verrieth ein
vertieftes Verständniß für das Wesen der Farbe im eigentlichen

Abbildung Nr. 204. wohn-Zimmer im altdeutschen Larakter. von A. Müller.

sHunstvvlle

ei der Beachtung, welche neuerdings den kunstvollen
Mosaik-Arbeiten wieder mehr und mehr zugewandt
wird, dürfte es auch für unsere Leser von Interesse
sein, Einiges über die Entstehung und Herstellung dieser Arbeiten
zu vernehmen. Mosaik-Arbeit ist eine alte Kunst. Ihre Wiege
scheint im Grient gestanden zu haben; nach Rom kam sie etwa
sOO Jahre vor Christus und fand dort eifrige pflege. Man
bediente sich der Mosaik bei der Herstellung von Fußböden und
zwar nicht blos in den Zimmern, sondern auch in den Vorhallen
und Höfen. Man nannte diese kunstvollen Pflaster pavimsiKa
hosslata oder mit einem griechischen Namen ditlloskratig,. Sie
stellten entweder regelmäßige Grnamente oder (sonderbar genug)
Speiseüberreste oder auch Nachbildungen von Gemälden dar, wie
die Alexanderschlacht.

Beim Hauseingange war meist das Bild eines Hundes im
Estrich eingelegt, welches die Worte illustrirte: „Oavs oavsm"
(Hüte dich vor dem Hunde). Von den Stürmen der Völker-
wanderung wurde, wie so manches Andere, auch diese Kunst
weggefegt und fand nur bei den byzantinischen Griechen ein Asyl.
Einer von ihnen, Namens Apollonius, brachte sie wieder nach
Italien, indem er die St. Markuskirche in Venedig mit Mosaiken
schmückte. In Italien blüht sie nun bald mehr, bald minder
bis in die Gegenwart. Im Beginn des H8. Jahrhunderts gründete

Papst Clemens XI. zu Rom eine besondere Schule für Mosaik,
aus welcher manches ausgezeichnete Werk hervorgegangen ist.

Eine ähnliche Schule entstand vor 30 Jahren zu St. Peters-
burg, deren gelungenstes Werk eine Nachbildung der Trans-
substantiation von Rafael ist. Au den größten und schönsten
musivischen Arbeiten gehört das Mosaikbild in der italienischen
Kirche zu Wien, welches von Giacomo Rasaelli herrührt, und
das Abendmahl von Leonardo da Vinci darstellt. Man unter-
scheidet mehrere Arten der Mosaik, unter denen die bedeutendsten
die römische und florentinische sind. Das Material der ersteren
sind farbige Steinchen und Glasstifte, das der letzteren nur harte
Steine, großentheils Halbedelsteine und sogar Perlen. Florentiner
Mosaik-Arbeiten sind die feinsten der Welt, Florenz hört es gerne,
wenn man das sagt, Florenz ist stolz darauf. Florenz möchte
sich diese Spezialität bewahren.

Es ist den Künstlern dankbar, die ihm diese hohe Achtung
verschaffen und seine Truhen mit fremdländischem Gelde füllen,
und so ermuthigt es dieselben durch Pensionen. Man höre, wie
verschwenderisch es dabei zu Werke geht. Es weiß, daß Leute,
welche diese schönen Kleinigkeiten zusammenstückeln, frühzeitig
sterben, weil die Arbeit so sehr an die Stube fesselt und Hand
und Hirn erschöpft, und so hat die Stadt verfügt, daß alle diese
Leute, welche das 60. Jahr erreichen, nach diesem eine Pension
haben sollen.

Ich habe nicht gehört, daß irgend einer von ihnen schon
wegen seiner Dividenden nachgefragt hat. Einer kämpfte sich
 
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