Leite s30.
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
August-kseft.
Die englischen Kunsttischler des 18. Jahrhunderts, Chippendale, Heppelnihite, Mayheni und Inee, Shearer, Sheraton usiv.
historisch-kritische Skizze nach dem Englischen des K. M. Warren von Reinhard Wein hold, Berlin.
iAs dürfte kaum eine Periode der Möbel-Erzeugung geben, deren Studium
für den Fachmann gegenwärtig so wichtig ist, als diejenige des >8. Jahr-
hunderts in England. Auch die Ausstellungs-Objekte der diesjährigen
Berliner Gewerbe-Ausstellung sind wieder vorwiegend in diesem Geschmack
gehalten, ein Beweis mehr, daß der englische Stil vorerst die Führung
behalten wird. Wenn man den Um-
stand in Betracht zieht, daß die im
;8. Jahrhundert so sehr geschätzten
englischen Möbel nach dem Jahre
;8oo vollständig aus der Mode
kamen und daß fast ein Jahrhundert
verging, ehe sich die Gunst der
Mode ihnen wieder zuwandte, so
erwartet man kanin, daß mehr da-
von erhalten geblieben ist, als sich
in einzelnen Museen vorfindet. Aber
die englischen Tischler des ;8. Jahr-
hunderts waren nicht nur Meister
im Zeichnen, sondern sie waren auch
Fachleute im besten Sinne des
Worts und ihre großartige Kombi-
nation von Leichtigkeit und Solidität
hat uns mehr von ihren Erzeug-
nissen erhalten, als inan für möglich
halten sollte.
Unsere Generation hat wohl den
Geschmack der damaligen Zeichner
wieder ausgenommen, den Zeichnern
selbst hat sie aber keine Gerechtig-
keit widerfahren lassen. Die zier-
liche TitelWignette, einen Lupido
darstellend, der einer klassisch kostü-
mirten Dame eine Papier-Rolle mit
der Inschrift: „Linmüthigkeit mit
Gerechtigkeit" überreicht, welche
wir in der «Original - Ausgabe des
„Tischler-Preis-Buch's" («üubinst-
inulrsr's Lool: ot'Drioss), im Jahre
t778 für die Londoner Tischler-
gesellschaft (I-ondon 8c>oisby ol
Ouüinsb-Nuüsr's) herausgegeben,
vorfinden, erscheint uns heute als
Satyre. Die Tischler zu der Zeit
mögen „einmüthig" gewesen sein,
„gerecht" waren sie entschieden nicht,
wir kennen kaum ihre Namen und
bemühen uns auch nicht, diejenigen
die wir kennen, im Gedächtniß zu
behalten, sondern klassifiziren alle
ihre Möbel unter dem einen Namen:
„Lhippendale." Und doch haben
die Zeichnungen derjenigen, deren
Namen in Vergessenheit gerathen
sind, mindestens denselben Werth als
derjenigen, deren Namen weiteren
Kreisen bekannt sind, „Shearer"
z. B. war der leitende Faktor der
erwähnten Gesellschaft, als im
Jahre ;7Y3 eine zweite Auflage
des Buches erschien, dessen beste
Zeichnungen von ihm waren. Und
heute ist sein Name dem größeren
Publikum kaum noch bekannt, und
seine 2g interessanten und praktischen Entwürfe von Buffets (sids-üourds),
Bücherschränken, Stühlen, Schreibtischen (sorssn-rvritünA-tuülös) sind mit
seinem Namen längst in Vergessenheit gerathen. Sonderbarer Weise sind
seine Sideboards eigentlich das, was wir „Lhippendale" nennen, denn
Ehippendale's Entwürfe zeigen ausnahmslos nur Servirtische mit Schubladen.
Lhixxendale's erstes Buch erschien im Jahre ;75H unter dem Titel:
„Düs Osnblsinun und Oudinsb-Nuksr's Oirsotor" und wahrscheinlich ist
die Periode nach ihm benannt worden, weil dieses Buch die zahlreichsten und
am besten ausgeführten Abbildungen enthielt, der Name Lhippendale findet
sich in keinem Londoner Inventarium der betreffenden Zeit; — allerdings
meint Herr Lyon in seinem „Ooloniul. Vurnitmrs", daß es zu damaliger
Zeit daselbst so viele und so geschickte Arbeiter und Zeichner gab, so daß
Niemand daran dachte, ein Möbel mit dein Namen des Künstlers zu be-
zeichnen. vielleicht ist es auch die größere (Quantität und die Vielseitigkeit
der Erzeugnisse der Lhippendale'schen Familie, welche veranlaßte, daß deren
Namen fortlebte, während andere vergessen wurden. Sicherlich hat Lhippendale
den Stil, welcher seinen Namen
trägt, nicht geschaffen, denn: „Nie-
mand hat jemals einen Stil ge-
schaffen, vielmehr schafft der Stil
den Mann, welcher ihn beherrscht."
Die Zeichner der damaligen
Zeit waren Leute von Geist und
Erziehung, darunter viele schon
mehrArchitekten als einsacheTischler.
Die Grundzüge wurden dem Spät-
renaissance - Barock - Stil entlehnt,
welcher damals in Frankreich, wo
der prachtliebende Louis XIV. so
viel zur Entfaltung der Künste
beitrug, in Blüthe stand. Die eng-
lischen Zeichner des ;8. Jahrhunderts
ließen den Renaissance-Stil voll-
ständig in ihrer Individualität auf-
gehen und tönten den Glanz der
Französischen Schule zu den ein-
fachen Linien eines „Sheraton"
und „Heppelwhite" ab. Lhippen-
dale bezeichnet sein späteres vor-
lagen-Buch offen als: „im alten
Französischen Styl", während John-
son, ein Holzbildhauer, (ebenfalls
ein vergessener Name) sein Buch
init ausgesprochen französischen
Zeichnungen unkonsequenter weise
dem Lord Blaquenay, als „Drssl-
dsnb ok rüs Xnta-dullioun-Xsso-
oiution" widinet.
Um das Entlehnen aus dem
Französischen zu verstehen, muß man
bedenken, daß vor dem Jahre ^739
kein brauchbares Buch mit Ent-
würfen in England publizirt worden
ist, während in Frankreich, Holland
und Deutschland zahlreiche Werke
erschienen waren, welche die eng-
lische» Künstler vielleicht sahen,
wenn sie nicht gar alle aus ge-
meinsamer Ouelle schöpften. Selbst
wenn keine Exemplare der Bücher
nach London kamen, so ist es nicht
ausgeschlossen, daß die Leute auf
die Reise gingen, wie Sir W.
Lhambus (der Zeichner von 80-
insrssb-Nonss), welcher im Jahre
;766 sein Buch: „Oüinsss Xroüi-
bsotmrs und Vurnibnrs" sowohl
in englischer als auch in französischer
Sprache herausgab. Ihm verdanken
wir die Einführung des chinesischen
Stils, welcher später in England
so populär wurde. Architekten waren
auch die Gebrüder Adam (;773) und
obwohl viele der feinsten Häuser
in London und der Provinz von denselben entworfen und mit deren Holz.
Blumengewinden und Laubwerk dekorirt wurden, so stellten sie selbst doch
keine Möbel her. Ihre drei prachtvollen Bände enthalten unzählige Motive
für Spiegel, Kainine, Leuchter und Bücherschränke, später von Anderen aus-
geführt und oft init Wedgwood-Platten verziert. Wallis („^ dooü ol
ornuinsnbs" t77t), Matthias Darly („Oornplsub üoolr ol Xroüitöotmrs
t773), Lolumbani („X nsrv doolr ol Ornuinsnb" >773) und Richards«,»
(„Osilings und oüiinnsy xisoss« ^77ö) waren so ausschließlich Architekten,
daß sie weniger hier in Betracht kommen; nur Pergolesi (sein Serien-Buch
beginnt ;777), den Robert Adain von Italien mitbrachte und dessen Mittel-
Ornamente für Decken so feiner Natur sind, daß man die Mitbenutzung der
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
August-kseft.
Die englischen Kunsttischler des 18. Jahrhunderts, Chippendale, Heppelnihite, Mayheni und Inee, Shearer, Sheraton usiv.
historisch-kritische Skizze nach dem Englischen des K. M. Warren von Reinhard Wein hold, Berlin.
iAs dürfte kaum eine Periode der Möbel-Erzeugung geben, deren Studium
für den Fachmann gegenwärtig so wichtig ist, als diejenige des >8. Jahr-
hunderts in England. Auch die Ausstellungs-Objekte der diesjährigen
Berliner Gewerbe-Ausstellung sind wieder vorwiegend in diesem Geschmack
gehalten, ein Beweis mehr, daß der englische Stil vorerst die Führung
behalten wird. Wenn man den Um-
stand in Betracht zieht, daß die im
;8. Jahrhundert so sehr geschätzten
englischen Möbel nach dem Jahre
;8oo vollständig aus der Mode
kamen und daß fast ein Jahrhundert
verging, ehe sich die Gunst der
Mode ihnen wieder zuwandte, so
erwartet man kanin, daß mehr da-
von erhalten geblieben ist, als sich
in einzelnen Museen vorfindet. Aber
die englischen Tischler des ;8. Jahr-
hunderts waren nicht nur Meister
im Zeichnen, sondern sie waren auch
Fachleute im besten Sinne des
Worts und ihre großartige Kombi-
nation von Leichtigkeit und Solidität
hat uns mehr von ihren Erzeug-
nissen erhalten, als inan für möglich
halten sollte.
Unsere Generation hat wohl den
Geschmack der damaligen Zeichner
wieder ausgenommen, den Zeichnern
selbst hat sie aber keine Gerechtig-
keit widerfahren lassen. Die zier-
liche TitelWignette, einen Lupido
darstellend, der einer klassisch kostü-
mirten Dame eine Papier-Rolle mit
der Inschrift: „Linmüthigkeit mit
Gerechtigkeit" überreicht, welche
wir in der «Original - Ausgabe des
„Tischler-Preis-Buch's" («üubinst-
inulrsr's Lool: ot'Drioss), im Jahre
t778 für die Londoner Tischler-
gesellschaft (I-ondon 8c>oisby ol
Ouüinsb-Nuüsr's) herausgegeben,
vorfinden, erscheint uns heute als
Satyre. Die Tischler zu der Zeit
mögen „einmüthig" gewesen sein,
„gerecht" waren sie entschieden nicht,
wir kennen kaum ihre Namen und
bemühen uns auch nicht, diejenigen
die wir kennen, im Gedächtniß zu
behalten, sondern klassifiziren alle
ihre Möbel unter dem einen Namen:
„Lhippendale." Und doch haben
die Zeichnungen derjenigen, deren
Namen in Vergessenheit gerathen
sind, mindestens denselben Werth als
derjenigen, deren Namen weiteren
Kreisen bekannt sind, „Shearer"
z. B. war der leitende Faktor der
erwähnten Gesellschaft, als im
Jahre ;7Y3 eine zweite Auflage
des Buches erschien, dessen beste
Zeichnungen von ihm waren. Und
heute ist sein Name dem größeren
Publikum kaum noch bekannt, und
seine 2g interessanten und praktischen Entwürfe von Buffets (sids-üourds),
Bücherschränken, Stühlen, Schreibtischen (sorssn-rvritünA-tuülös) sind mit
seinem Namen längst in Vergessenheit gerathen. Sonderbarer Weise sind
seine Sideboards eigentlich das, was wir „Lhippendale" nennen, denn
Ehippendale's Entwürfe zeigen ausnahmslos nur Servirtische mit Schubladen.
Lhixxendale's erstes Buch erschien im Jahre ;75H unter dem Titel:
„Düs Osnblsinun und Oudinsb-Nuksr's Oirsotor" und wahrscheinlich ist
die Periode nach ihm benannt worden, weil dieses Buch die zahlreichsten und
am besten ausgeführten Abbildungen enthielt, der Name Lhippendale findet
sich in keinem Londoner Inventarium der betreffenden Zeit; — allerdings
meint Herr Lyon in seinem „Ooloniul. Vurnitmrs", daß es zu damaliger
Zeit daselbst so viele und so geschickte Arbeiter und Zeichner gab, so daß
Niemand daran dachte, ein Möbel mit dein Namen des Künstlers zu be-
zeichnen. vielleicht ist es auch die größere (Quantität und die Vielseitigkeit
der Erzeugnisse der Lhippendale'schen Familie, welche veranlaßte, daß deren
Namen fortlebte, während andere vergessen wurden. Sicherlich hat Lhippendale
den Stil, welcher seinen Namen
trägt, nicht geschaffen, denn: „Nie-
mand hat jemals einen Stil ge-
schaffen, vielmehr schafft der Stil
den Mann, welcher ihn beherrscht."
Die Zeichner der damaligen
Zeit waren Leute von Geist und
Erziehung, darunter viele schon
mehrArchitekten als einsacheTischler.
Die Grundzüge wurden dem Spät-
renaissance - Barock - Stil entlehnt,
welcher damals in Frankreich, wo
der prachtliebende Louis XIV. so
viel zur Entfaltung der Künste
beitrug, in Blüthe stand. Die eng-
lischen Zeichner des ;8. Jahrhunderts
ließen den Renaissance-Stil voll-
ständig in ihrer Individualität auf-
gehen und tönten den Glanz der
Französischen Schule zu den ein-
fachen Linien eines „Sheraton"
und „Heppelwhite" ab. Lhippen-
dale bezeichnet sein späteres vor-
lagen-Buch offen als: „im alten
Französischen Styl", während John-
son, ein Holzbildhauer, (ebenfalls
ein vergessener Name) sein Buch
init ausgesprochen französischen
Zeichnungen unkonsequenter weise
dem Lord Blaquenay, als „Drssl-
dsnb ok rüs Xnta-dullioun-Xsso-
oiution" widinet.
Um das Entlehnen aus dem
Französischen zu verstehen, muß man
bedenken, daß vor dem Jahre ^739
kein brauchbares Buch mit Ent-
würfen in England publizirt worden
ist, während in Frankreich, Holland
und Deutschland zahlreiche Werke
erschienen waren, welche die eng-
lische» Künstler vielleicht sahen,
wenn sie nicht gar alle aus ge-
meinsamer Ouelle schöpften. Selbst
wenn keine Exemplare der Bücher
nach London kamen, so ist es nicht
ausgeschlossen, daß die Leute auf
die Reise gingen, wie Sir W.
Lhambus (der Zeichner von 80-
insrssb-Nonss), welcher im Jahre
;766 sein Buch: „Oüinsss Xroüi-
bsotmrs und Vurnibnrs" sowohl
in englischer als auch in französischer
Sprache herausgab. Ihm verdanken
wir die Einführung des chinesischen
Stils, welcher später in England
so populär wurde. Architekten waren
auch die Gebrüder Adam (;773) und
obwohl viele der feinsten Häuser
in London und der Provinz von denselben entworfen und mit deren Holz.
Blumengewinden und Laubwerk dekorirt wurden, so stellten sie selbst doch
keine Möbel her. Ihre drei prachtvollen Bände enthalten unzählige Motive
für Spiegel, Kainine, Leuchter und Bücherschränke, später von Anderen aus-
geführt und oft init Wedgwood-Platten verziert. Wallis („^ dooü ol
ornuinsnbs" t77t), Matthias Darly („Oornplsub üoolr ol Xroüitöotmrs
t773), Lolumbani („X nsrv doolr ol Ornuinsnb" >773) und Richards«,»
(„Osilings und oüiinnsy xisoss« ^77ö) waren so ausschließlich Architekten,
daß sie weniger hier in Betracht kommen; nur Pergolesi (sein Serien-Buch
beginnt ;777), den Robert Adain von Italien mitbrachte und dessen Mittel-
Ornamente für Decken so feiner Natur sind, daß man die Mitbenutzung der