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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Bach, Max: Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgewerbe in Stuttgart, [1]
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Seite s36.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

August-Lfeft.

Husstellung für Elektrotechnik und -Murchgewerbh in -Stuttgart.

von Max Bach.

I. Das neue Landesgewerbemut'emir in Stuttgart.")

in Ereignis;, welches man seit Jahren mit großer Spannung
erwartete, war die Eröffnung des neuen Laudesgewerbemuseums
am 6. Juni d. Is.; waren doch unter dem Publikum alle mög-
lichen Gerüchte verbreitet über den unerhörten Luxus, der hier
zum Ausdruck gekommen sei, über maßlose Ueberschreitung der vorgesehenen
Etatssummen u. dergl., wieder auch hörte man Klagen über unmäßige Platz-
verschwendung durch Repräsentation?- und Kommuuikationsräume zum Nach-
theil der für praktische Zwecke dienenden eigentlichen Sammlungsräume.

Wer aber, wie der Berichterstatter, sich versagen konnte, schon vorher
hinter die Kulissen zu schauen, der mar wirklich überrascht von der Fülle
des Schönen, das sich jetzt dem Auge darbot. Jeder Unzufriedene wird sagen
müssen, hier ist ein Werk geschaffen, um das uns unsere Nachbarstaaten
Baden und Bayern, die ja längst in Kunstsachen uns überflügelt haben,
beneiden können.

Bezüglich seiner Lokalitäten für Sammlungen stand Stuttgart lange
Zeit in keinem guten Ruf. Die Alterthümersammlung war viele Jahre in
einem Privathaus untergebracht, die Kunstsammlungen müssen sich mit dem
schon im Jahr gebauten, nach und nach allerdings vielfach erweiterten
Kunstgebäude, in welchen: früher zugleich auch die Kunstschule untergebracht
war, nothdürftig behelfen; am schlimmsten waren aber die Sammlungen der
König!. Lentralstelle für Gewerbe und Handel daran, welche in einer bau-
fälligen Kaserne untergebracht waren. Dafür haben sie aber auch jetzt die
Genugthuung, an der Spitze aller ihrer Schwesteranstalten zu stehen und
nichts ist wohl drastischer, als ein vergleich der alten Räume in der finsteren
Legionskaserne mit dem neuen Prachtbau.

Betreten wir den in den Formen italieuisch-französirender Spätrenais-
sance gehaltenen Bau durch das Hauptportal, so gelangen wir in ein
herrliches Vestibül, an welches sich das große Treppenhaus anschließt. Breite
Granitstufen mit reicher Wangenbekleidung von Labradorgrauit führen in
die höher gelegene Vorhalle selbst, welche durch 20 Säuleupaare in ein
breites Mittelschiff und zwei Seitenschiffe getheilt ist. Je zwei Säulen aus
Hellem Bavenogranit stehen auf einer gemeinschaftlichen Plinthe und tragen
ein Gebälk aus Gberkirchner Sandsteinen, auf welchem die Gurtbögen auf-
sitzen, zwischen welchen die Tonnen- und Kreuzgewölbe eingespannt sind.
Das Licht, durch bemalte Kathedralverglasungen angenehm gedämpft, wird
der Vorhalle durch S große und ^2 kleine Halbkreisfenster zugeführt. Der
hell gehaltene Terrazzoboden ist den Gurtbögen entsprechend eingetheilt und
ornamentirt. Die Wände sind in grünlichem, die Architektur in steinfarbigem
Tone gehalten. Sämmtliche Gurtböge», sowie die Tonnengewölbe sind mit
Drnamenten und Teppichmustern geziert. Rechts und links von der Vorhalle
bietet sich ein schöner Durchblick nach den Knppelsälen, deren Eingänge von
je zwei Karyatiden aus Savonisre-Kalkftein von Eberlein in Berlin geschmückt
sind. Diese Kuppelsäle repräsentiren sich gegen Außen als stattliche Rund-
thürme und geben der Hauptfassade auf beiden Seiten einen imposanten
Abschluß.

Die Wand zwischen Vorhalle und Haupttreppeuhaus wird durch eine
Pfeiler-Architektur mit Bogeuöffnungen auf gelblichen Stuckmarmorsäulen
gegliedert und jetzt tritt man durch eine der drei mit prachtvollen schmiede-
eisernen Thoren versehenen Zugänge zu dem großen mit fürstlicher Pracht
ausgestatteten Repräsentations- und Festraume des Gebäudes, der König
Karls-Halle. Hier hat sich Architektur und Malerei zu einem Ganzen ver-
einigt, wie es nicht schöner und großartiger gedacht werden kann; beim
ersten Anblick ist man vollständig überrascht von der vornehmen Stimmung,
der feinen Abwägung von Farbe und Plastik, Dekoration und Architektur.
36 Marmorsäulen (Monolithe) und 6 Marmorpfeiler von rouZs Ariotta aus
Belgien mit Basen und Pliuthen aus Nassauer Marmor und Kapitäle von
Galvanobronze, tragen die auf drei Seiten die Halle umziehende Galerie,
deren Brüstungen aus Carrarischem Marmor mit galvanisch brouzirten Eisen-
gußfüllungen hergestellt sind. Den: Eingang gegenüber hat mau die Bild-
wand in der Mitte durch eine prachtthüre durchbrochen, und rechts und
links führen weiße Marmortreppen, deren abgetreppte Wangen mit ornamen-
tirten Friesen und Voluten versehen sind, aus die Galerie. Auf den zwei
unteren Treppenpostameuten stehen Bronzekandelaber, modellirt von Bildhauer
Schön in Frankfurt, und auf der Mitte der Treppe zwei Brouzegruppen,
darstellend das in: Frieden ruhende kraftvolle Land, von Eberleiu, und Reich-
thum und Fruchtbarkeit des Landes, von Hundrieser in Berlin.

Das große Wandgemälde von der Meisterhand Ferdinand Keller in
Karlsruhe in Keimmanier gemalt, entrollt dem Beschauer in großartiger
Weise ein Bild der Herrschergestalten des württembergischen Fürstenhauses,
umgeben von hervorragenden Zeitgenossen aus dem Volke und in Verbindung
mit reich belebten Gruppen idealer Huldigungszüge. In: Mittelbild König

Karl aufrecht stehend, den Plan der ihm geweihten Halle in der Hand haltend,
zu seinen Füßen die allegorischen Gestalten der Furchtlosigkeit und der Treue.
Links vom Königsbild sieht man die Grafen und Herzöge von Ulrich dem
Stifter an bis Eberhard III., dabei die Koryphäen der damaligen Zeit,
Johannes Brenz, Keppler, Wiederhold und Andere. Ein Herold mit dem
württembergischen Banner auf prächtigem Schimmel bringt die Huldigung
des Volkes dar; das Mittelalter ist karakterisirt durch eine Frauengestalt mit
den Emblemen des Ritterthums. Das Bild rechts führt die Herzoge und
Könige von Eberhard Ludwig bis zu König Wilhelm I. vor, auch hier um-
geben von zeitgenössischen Größen: Schiller, Uhland, Mörike usw. vorne in
der Mitte des Bildes rauscht analog mit der Frauengestalt des Mittelalters
die Neuzeit vorüber mit dem Flügelrade, eine herrliche Lngelsgestalt, welche
auch als Plakat für die Ausstellung dient. Ueber der ersten Galerie befindet
sich noch eine zweite niedere, welche zugleich den Korridor für die dort ange-
ordneten Kanzleigelasse bildet. Die an die Halle sich anschließenden Gänge
und die zwei Säle rechts und links davon sind dem Karakter der Halle
entsprechend ausgestattet worden. Rothe Stuckmarmorpfeiler mit Gebälk
darüber theilen die in gelblichem Ton gehaltenen wandflächen. Eingestellte,
auf grünlichen Stuckmarmorsäulen ruhende Rundbogenöffnungen bilden die
Abgrenzungen nach den Gängen. Das große Oberlicht der Halle besteht
aus einem Mittelstück und vier Seitentheilen, welche von: Deckenkonsolen-
gesims ansteigend — als Teppich mit gelbem Grnamentwerk auf Hellem
Grundton mit farbiger Einfassung ausgebildet und durch breite Gurten mit
aufgemalten Palmen und Kronen belebt sind. Die voutendecke ist längs der
Bogenpenetrationen mit Laubgewinden und den Wappen württembergischer
Städte beinalt. Die kassetirten Decken der beiden oberen Seitensäle sind mit
aufgemalten Kronen und sonstigem Ornament verziert. Die Fenster der Gänge
bestehe,: aus lichtem Kathedralglas, auf welchem die Embleme der Handwerke,
umgeben von prächtigem Rankenwerk und farbigen Bordüren von Hof-
glasmaler de Bouchö in München aufgemalt sind.

Gegenüber den: Eingang auf die Galerie der König Karls-Halle liegt
der Leesesaal und die Bibliothek. Zwei Reihen von je ;o Säulen theilen
den Raum in drei Schiffe und zwar so, daß der mittlere Theil als Lesesaal,
die zwei seitlichen Schiffe als Bureaux und für das Journalistikum dienen.
Ueber diesen Gelassen liegt die Bibliothekgalerie, wo der größte Theil der
Bücherständer untergebracht ist. Die Säulen je einer Längsreihe sind so
gestellt, daß sich 5 große und 6 kleinere Bogenöffnungen ergeben. Die Säulen
sind aus Gußeisen hergestellt und mit Stuckmarmor (vsrts äss tttpss) um-
mantelt, Basis von weißgeadertem schwarzem Stuckmarmor, Kapital und
Architravaussatz von Gips mit theilweiser Vergoldung. An den reich bemalten
Gewölben des Saales sind 26 Porträtmedaillons aufgemalt, welche Vertreter
der in der Bibliothek hauptsächlich aufgenommenen Wissenschaften darstellen.

Damit haben wir diejenigen Räume so ziemlich erschöpft, welche eine
höhere künstlerische Ausbildung erfahren haben. Die übrigen Sammlungs- und
Sitzungssäle sind einfacher gehalten. Ueber dem Bibliotheksaal liegt der
Raum für die Gipsabgüsse des Museums; auch hier wird der Hauptraum
durch zwei Reihen von je zo Säulen in drei Schiffe getheilt. Ein mächtiges
Oberlicht in den: Tonnengewölbe überdeckt den Saal. Die gußeisernen Säulen
sind hier ornirt und mit lebhaften Farben bemalt, hohe Bogenfenster spenden
reichliches Licht, die Wandmalerei ist in entsprechend lichten Tönen stilvoll
gehalten und von sieben Stuttgarter Meistern ausgeführt.

Die Ausführung des ganzen Baues bis ins Einzelne leitete der geniale
Meister Skjöld Neckelm an n; lassen wir ihn darüber selbst sprechen:
„Ich bin fremd in das Land gekommen, ohne Paß, ohne irgend eine Dekre-
tirung. Ich war früher in Hamburg thätig und da hat man das, was für
uns Architekten das Höchste ist, das edle Material, nicht gekannt. In Hamburg
kennt man nur den Zement. Hier habe ich gelernt, was es heißt, mit diesen
heiligen Mitteln zu arbeiten, hier habe ich erst eine rechte Freude empfunden,
Architekt zu sein. Ich wußte nicht, was es heißt, dieses edle Material kennen
zu lernen, hier in Württemberg, wo ich nun sechs Jahre thätig bin, habe
ich mit diesen: echten Material auch die echten Karaktere kennen gelernt. Hier,
wo die Arbeit nicht so leicht gemacht wird, nur den Zement hinzuschmieren,
sondern wo es des harten Hammerschlags bedarf, um das Material zu bearbeiten,
da habe ich mich gefreut, das hat mich geadelt und damit bin ich groß
geworden und wenn ich dieses echte harte Material auch hart behandelt habe,
wie ich auch Alle, die mit mir werkthätig zusammen gearbeitet haben, manch-
mal hart und roh behandelt habe, so war das Material mir Vorbild usw."
(Aus der Rede bei der Einweihungsfeierlichkeit.)

Möge das neue tzEhdsgewerbemuseum seine Bestimmung erfüllen und
auch die Freude an den: Schönen in weitere Kreise tragen, es möge ein
bleibendes, ehrendes Denkmal für die volkswirthschaftliche Entwickelung
Württembergs im tZ. Jahrhundert und ein stets frischer, belebender Ouell
zur Anregung und Verbreitung von Fortschritten aller Art auf den weiten
Gebieten des Gewerbes, des Handels und der Landwirthschaft werden. —
 
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