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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Hagen, L.: Gobelins und Gobelin-Malerei
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W.: Ein Aristokratisches englisches Wohnhaus, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0065

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Seite H2.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

allgemein Menschliche und der Zug zum Epischen, zum fort-
laufenden Erzählen tritt stark hervor. Dann folgt die Scheidung
zwischen dem dekorativen Rande und dem monumentalen Inhalt.
Die Frührenaifsance kennt noch Arbeiten von rein ornamentalem
Aarakter. Später tritt ein Abhängigkeitsverhältniß zur Staffel-
Malerei ein, welches aber wegen der Eigenartigkeit des Materials
zu ganz eigenthümlicher Behandlung führt. Schließlich steht das
Gobelin bedeutender da, als das Gelgemälde; vermöge seines
Farbenglanzes ist es besser als irgend eine andere Runst im Stande,
die Reize des Barock und des Rokoko in ihrer Eigenart zum
Ausdruck zu bringen.

Das Bewußtsein für die wundervolle Farbensättigung des
Gobelingewebes muß bei unserem Publikum geweckt werden,
wenn die moderne Gobelin-Malerei für das deutsche Heim und
den deutschen Aunstgeschmack das leisten soll, wozu sie befähigt
ist. Weil wir die Nothwendigkeit eines einheitlichen großen und
farbigen Wandschmuckes zu fühlen beginnen, liegt es ebenso im
Interesse der Maler, wie in demjenigen der Dekorationskünstler,
das Verständniß für das Wesen und die Grenzen der Gobelin-
Malerei zu fördern.

Min aristokratisches englisches ^dchuhaus.

(Vorsaal, Gel'rllschafts-Zimmer, Speisesaal.»

em sieht man's auch nicht an, was er ist." Wie unendlich
oft kann man diesen Ausspruch im alltäglichen Leben
vernehmen, weil eben nur gar zu häufig eine rauhe
Schale einen guten Aern birgt. Wie mit den Menschen, so ist
es aber auch mit —- den Häusern. Der Vergleich scheint gewagt,
und der Gedankenstrich soll andeuten, daß der Schreiber sich
dessen wohl bewußt ist. „Altes Haus" nennt ja aber der Bruder-
Studio im Ueberwallen freundschaftlicher Gefühle oft den besten
Freund und Aommilitonen, und so muß mir der gütige Leser
jenen Vergleich eben als das Resultat einer vorübergehenden
Anwandlung burschikoser Stimmung verzeihen. Die alten Häuser,
um die es sich in meinem Falle handelt, sind nicht von Fleisch
und Bein, sondern wirkliche aus Stein und Aalk, und sie stehen
in den vornehmsten Vierteln Londons. Wer je etwas von dem
Luxus gesehen hat, den die englische Geld- und Geburts-Aristokratie
zu entfalten pflegt, sonst aber keine eingehende Aenntniß Londons
besitzt, der wird sich oft wundern, wo wohl die Paläste jener
reichen Leute stehen mögen. Hie und da stößt man auf ein
imponirendes Privathaus, oder erblickt zwischen den Zweigen der
sie umgebenden Bäume hindurch eine elegante Villa, doch die
meisten der Heimstätten der „nppsr tsn", wie man hier den mit
irdischen Glücksgütern gesegneten Theil der Bevölkerung nennt,
sehen von außen recht anspruchslos aus. Vielfach stehen sie in
geschlossenen Reihen zu beiden Seiten stiller Straßen, und nur ein
gewisses Etwas, vielleicht die Spiegelscheiben der Fenster, die
kostbaren Vorhänge an denselben und der hier und da an einer
Thür erscheinende gepuderte Kopf eines Bedienten, oder die an-
fahrenden eleganten Equipagen lassen uns vermuthen, daß hinter
den schmucklosen Steinmauern Pracht und Luxus eine Heimath
haben. Die Häuser sind oft recht alt, besitzen aber den in den
Augen vieler Engländer alles Andere ausgleichenden Vorzug, in
dem „Zoock olä ttzstzionsä LnZlistz gebaut zu fein. Und

er ist auch gar nicht so übel der „gute, altmodische englische
Baustil". Er erlaubt Licht, wo es angebracht ist, und schafft
jenes trauliche und vornehme Halbdunkel, wo es nicht stört, und
das im Winter für das lodernde Aaminfeuer einen so wunder-
vollen Hintergrund bildet. Als ich eines Tages eine Einführung
zu einem der höheren Aristokratie angehörenden, hervorragenden
englischen Politiker erhielt, von dessen wundervollem „to^vv
tzonss" oder Stadthause ich mir bereits hatte Wunderdinge
erzählen lassen, ergriff ich mit Freuden die Gelegenheit, mich in

einem derartigen Hause umsehen zu können. Das Aeußere des-
selben war überraschend einfach, aber als ich aus der Vorhalle
in die eigentliche „bull" trat, sah ich schon, daß man in den
Beschreibungen, die man mir bereits entwarf, nicht übertrieben
hatte. Dieser Vorsaal machte den Eintruck eines behaglichen
Raumes und war eigentlich ein Wartezimmer zu nennen. Der
parquetfußboden desselben wurde nur an den Seiten sichtbar, da
ihn im Uebrigen ein kostbarer Axminster-Teppich verdeckte. Dunkle
Eichentäfelung bekleidete die Wände bis zu zwei Drittel ihrer
Höhe, und den oberen Theil füllte ein Fries von braunem,
gepreßtem Leder. Die in Felder eingetheilte Decke war ebenfalls
in Eiche ausgeführt, welches Holz überhaupt für alle Theile des
im flämischen Renaissancestil ausgeführten Raumes Verwendung
gefunden hatte. Die Bekleidungen des mit einem bis nahezu an
die Decke reichenden Ueberbau versehenen Aamins waren reich
geschnitzt, auf seiner Platte standen kostbare Prunkgefäße, untz
der Ueberbau selbst, der mit einer Art Giebeldach abschloß, bildete
ein schrankartiges Behältniß. Mit dem Aamine harmonirend,
stand an der gegenüberliegenden Wand eine prächtige alterthüm-
liche Sitztruhe mit Seitenlehnen und einer Rückwand, die ebenfalls,
jedoch schon am unteren Rande des Lederfrieses in ein Giebeldach
endete, auf dem vorn in einem Medaillon ein ausgestopfter Hirsch-
kopf mit mächtigem Geweih Platz gefunden hatte. Die hohe
Rückenlehne barg einen Schrank von geringer Tiefe für Stöcke
und Schirme bestimmt, während die Truhe selbst, deren Deckelsitz
sich aufklappen ließ, einen trefflichen Ruheplatz für Hüte, Decken
und dergleichen lieferte. In der Mitte der Halle stand ein
mächtiger geschnitzter Eichentisch, eine kostbare, mehrere Fuß hohe
Porzellanvase, mit künstlichem Schilf und Rohrkolben gefüllt,
befand sich in einer, eine funkelnde Ritterrüstung in einer anderen
Ecke. Mehrere hohe Lehnstühle und ein Lutherstuhl neben einem
Aredenztischchen in der Nähe des Kamins luden zum Niedersitzen
ein, hier und da waren Waffen und Rüstungsstücke in Gruppen
an dem Lederfriese angeordnet, und von der Decke hing ein präch-
tiger Bronze-Aronleuchter, mit elektrischen Glühlampen versehen,
herab. Dem Straßeneingange gegenüber führte eine teppichbedeckte,
aus sieben oder acht Stufen bestehende Treppe nach einer Gallerte,
die in ihrer Mitte ein großes buntes Glasfenster enthielt, von
dem aus sich am Hellen Tage ein zauberischer Lichtschein über
die Halle ergoß. Während die unteren beiden massiven Treppen-
pfeiler von zwei heraldischen Löwen gekrönt waren, die sich auf
das Familienwappen des Hausherrn stützten, standen Säulen auf
den oberen, von denen aus sich über die Balustrade nach beiden
Seiten hin graziöse Bogen wölbten, durch die hindurch man die
mit alten Gelgemälden verzierten Wänden der Gallerie erblickte.
Hoch geraffte leichte Seidenvorhänge hingen an der Innenseite
der Bögen in der Gallerie herab, durch die man rechts und links
über weiche Teppiche nach den eigentlichen Zimmern gelangte.

Wenn einem der Vorsaal durch die massive und dabei künst-
lerische Vollendung seiner Einrichtung Bewunderung abnöthigte,
so that das der im Louis XVI. Stile eingerichtete Dru^ing-voom,
das Gesellschafts-Zimmer, noch in ungleich höherem Maße. Trsme,
Himmelblau und Gold begegnete man, wohin man blickte. Dev
Grundton der Wände war crsme und himmelblau. Goldene
Leisten theilten sie in Felder, die wiederum Blumenranken in Stuck
schmückten, und die Decke war ähnlich behandelt, nur daß diese
noch durch Gemälde von Meisterhand verziert war. Auf dem
Marmorkamin, einer bewunderungswürdigen Leistung der Bild-
hauerkunst, standen neben einer mit der gesammten Einrichtung
harmonirenden Stutzuhr kostbare Nippes, die sich in einem riesigen
Spiegel, der die Wand in der ganzen Breite des Kammes ein-
nahm, spiegelten. Ein anderer Spiegel füllte den mächtigen
Pfeiler zwischen den zwei großen fast bis auf den Fußboden
reichenden Fenstern, und ebensolche befanden sich den letzteren
gegenüber. Den parquetfußboden bedeckte ein reicher Plüschteppich,
 
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