Z>u beziehen nur durch den Buchhandel.
Preis vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.— , für
^esterr.-Ungarn u. das gesammte Ausland Mk. 5.50.
elegramm-Adresse: Roch Verlag, Darmstadt.
LE" Die Zeitschrift ijt verbreitet in allen Nulturstaaken.
Nur Sonder-Hefte sind einzeln a, Mk. 2.— erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.
VII. Iahrg. 1896.
Leipzig ^ DerrmstLdl Wien.
Februar-Veft.
onstrirktivität.
von Fritz Milikus.
Enmitten des prunkvollen Neu-Wien
W mit seinen Prachtbauten, dem Parla-
ment, den Museen, dem Iustizpalast, dem
Rathhaus, dem Burgtheater, der Univer-
sität, steht, verborgen im lauschigen Grün
des Volksgartens, der im Jahre s823
erbaute Theseus-Tempel, eine getreue
Aopie des Aimonischen Theseus-Tempels
zu Athen, ein streng dorischer Bau von
kleinen Dimensionen und von äußerster
Anspruchslosigkeit. Nichtsdestowe-
niger hält er seinem pompösen Nach-
bar, dem neuen Hofburgtheater,
einem üppigen Hochrenaissancebau
von gleißender Schönheit, wacker
Stand, und mit Freude weidet sich
der Blick der Vorübergehenden an
seinen ruhigen, klaren Formen. Nicht
nur der Wiener, dem man lokalpatriotische
Gefühle bei dieser Bewunderung zuschrei-
ben könnte, obgleich es leider so wenig
in seiner Art liegt, die Vorzüge und
Schönheiten seiner Vaterstadt zu würdigen,
auch der Fremde, der das einfache Tem-
pelchen das erste Wal sieht, gibt, wie ich
selbst mehr als einmal zu beobachten in
Nr. 2öS. Vignette von Rob. Brsa,IS. der Tage war, seinein Wohlgefallen an
dem unscheinbaren Bauwerk lebhaften Ausdruck. Wich hat diese
Beobachtung an Personen, die oft nicht den geringsten Anspruch
auf künstlerische oder antiquarische Bildung erheben können — ich
muß es offen gestehen — anfänglich erstaunt: daß der Kunstfreund,
daß der Renner des klassischen Alterthums ehrfürchtig und bewun-
dernd zu den Zeugen uralten Runstsinnes, zu diesem ewigen Urquell
allen künstlerischen Schaffens alter und neuer Zeit aufblickt, kann
nicht Wunder nehmen, aber warum lenken sie, trotz ihrer im Gegen-
satz zu den Riesenbauten der Neuzeit umso auffallenderen räum-
lichen Bescheidenheit die Blicke der großen Wenge, die kein historisches
oder ästhetisirendes Interesse mitbringt, so beharrlich auf sich?
Zn den harmonischen, wohlthuenden Verhältnissen sei der
Grund zu suchen, wurde mir bedeutet: man gebe sich diesbezüglich
keiner Täuschung hin, das Auge der großen Wenge ist für
Proportionen nicht so geschult, wie dasjenige des künstlerisch
gebildeten Publikums oder des Fachmannes; ich kenne Gebäude,
die in ihren Verhältnissen geradezu verletzend wirken, und die
doch im Gros der Menge ungetheilte Bewunderung finden.
Wir ist an einem anderen Gebäude Wiens, völlig verschie-
denen Aarakters, der wahre Grund der allgemeinen Werthschätzung
der klassischen Baukunst klar geworden — an unserem Stefans-
dom! —- Ich hatte die den alten gothischen Bauten gezollte
Bewunderung der großen Wenge dem immer und unter allen
Umständen mächtig wirkenden Alter und dem Schatze historischer
und lokaler Reminiscenzen, den sie ja stets in sich bergen, zu-
geschrieben. Vor Rurzem erst aber hatte ich Gelegenheit, zu
beobachten, daß die Motive dieser allgemeinen Bewunderung doch
tiefere seien, und daß die große Wenge ein viel feineres ästhetisches
Empfinden besitzt, wenn auch nur instinktiv, als wir ihr gemeiniglich
zuzuschreiben gewohnt sind.
Preis vierteljährlich für Deutschland Mk. 5.— , für
^esterr.-Ungarn u. das gesammte Ausland Mk. 5.50.
elegramm-Adresse: Roch Verlag, Darmstadt.
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Nur Sonder-Hefte sind einzeln a, Mk. 2.— erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.
VII. Iahrg. 1896.
Leipzig ^ DerrmstLdl Wien.
Februar-Veft.
onstrirktivität.
von Fritz Milikus.
Enmitten des prunkvollen Neu-Wien
W mit seinen Prachtbauten, dem Parla-
ment, den Museen, dem Iustizpalast, dem
Rathhaus, dem Burgtheater, der Univer-
sität, steht, verborgen im lauschigen Grün
des Volksgartens, der im Jahre s823
erbaute Theseus-Tempel, eine getreue
Aopie des Aimonischen Theseus-Tempels
zu Athen, ein streng dorischer Bau von
kleinen Dimensionen und von äußerster
Anspruchslosigkeit. Nichtsdestowe-
niger hält er seinem pompösen Nach-
bar, dem neuen Hofburgtheater,
einem üppigen Hochrenaissancebau
von gleißender Schönheit, wacker
Stand, und mit Freude weidet sich
der Blick der Vorübergehenden an
seinen ruhigen, klaren Formen. Nicht
nur der Wiener, dem man lokalpatriotische
Gefühle bei dieser Bewunderung zuschrei-
ben könnte, obgleich es leider so wenig
in seiner Art liegt, die Vorzüge und
Schönheiten seiner Vaterstadt zu würdigen,
auch der Fremde, der das einfache Tem-
pelchen das erste Wal sieht, gibt, wie ich
selbst mehr als einmal zu beobachten in
Nr. 2öS. Vignette von Rob. Brsa,IS. der Tage war, seinein Wohlgefallen an
dem unscheinbaren Bauwerk lebhaften Ausdruck. Wich hat diese
Beobachtung an Personen, die oft nicht den geringsten Anspruch
auf künstlerische oder antiquarische Bildung erheben können — ich
muß es offen gestehen — anfänglich erstaunt: daß der Kunstfreund,
daß der Renner des klassischen Alterthums ehrfürchtig und bewun-
dernd zu den Zeugen uralten Runstsinnes, zu diesem ewigen Urquell
allen künstlerischen Schaffens alter und neuer Zeit aufblickt, kann
nicht Wunder nehmen, aber warum lenken sie, trotz ihrer im Gegen-
satz zu den Riesenbauten der Neuzeit umso auffallenderen räum-
lichen Bescheidenheit die Blicke der großen Wenge, die kein historisches
oder ästhetisirendes Interesse mitbringt, so beharrlich auf sich?
Zn den harmonischen, wohlthuenden Verhältnissen sei der
Grund zu suchen, wurde mir bedeutet: man gebe sich diesbezüglich
keiner Täuschung hin, das Auge der großen Wenge ist für
Proportionen nicht so geschult, wie dasjenige des künstlerisch
gebildeten Publikums oder des Fachmannes; ich kenne Gebäude,
die in ihren Verhältnissen geradezu verletzend wirken, und die
doch im Gros der Menge ungetheilte Bewunderung finden.
Wir ist an einem anderen Gebäude Wiens, völlig verschie-
denen Aarakters, der wahre Grund der allgemeinen Werthschätzung
der klassischen Baukunst klar geworden — an unserem Stefans-
dom! —- Ich hatte die den alten gothischen Bauten gezollte
Bewunderung der großen Wenge dem immer und unter allen
Umständen mächtig wirkenden Alter und dem Schatze historischer
und lokaler Reminiscenzen, den sie ja stets in sich bergen, zu-
geschrieben. Vor Rurzem erst aber hatte ich Gelegenheit, zu
beobachten, daß die Motive dieser allgemeinen Bewunderung doch
tiefere seien, und daß die große Wenge ein viel feineres ästhetisches
Empfinden besitzt, wenn auch nur instinktiv, als wir ihr gemeiniglich
zuzuschreiben gewohnt sind.