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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Minkus, Fritz: Die Geschichte des Bettes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0234

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5eite s7H.

^llustr. kunstgewerbl.^Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Gktober-Heft.

zpschichte des

von Fritz Miukus.

rettes.

)nter unserem ganzen reichhaltigen Hausrathe sieht wohl das
Bett, zumal in Folge der großen Rolle, die es bis in die
Mitte des vorigen Jahrhunderts im sozialen Leben der Mensch-
heit gespielt, auf die interessanteste Geschichte zurück. — während die modernen
gesellschaftlichen Gebräuche heute das Bett zu dem intimsten aller Möbel
herabgedrückt haben, nahm es im offiziellen Leben des Alterthums, des
Mittelalters und der dritthalb ersten Jahrhunderte der Neuzeit einen aus-
gezeichneten Platz ein und war sozusagen das privatere Gegenstück des
Thrones, dem es übrigens, wie die französische Bezeichnung für eine
königliche Thronsitzung — lib äs
zustios — bezeugt, auch ernstlich
Konkurrenz machte.

Auch heute noch ist dem Bette
bei primitiveren Völkern und in erster
Linie bei unserer europäischen Bauern-
bevölkerung die dominirende Stellung
im Hause unbenommen geblieben. —
wo immer sich altererbter Brauch
im Leben, der Bauweise und der
Wohnungs-Einrichtung der Landbe-
völkerung Europas in unverfälschter
Form erhalten hat, bildet das Ehe-
bett des Hausherrn den Mittelpunkt
des ganzen Hauses; es ist neben dem
häuslichen Herd der wichtigste Be-
standtheil desselben: wie ein Thron
erhöht, steht es inmitten des Haupt-
raumes; von ihm aus überblickt der
Bauer den Hausflur, die Stallthür,
die Scheuer, die Rnechtekammer; die
Hausfrau die Küche, die Mägdestube.

Die Erhöhung des Bettes ist
eine uralte Sitte, der wir bereits in
den Wohnungendes alten Aegypten
begegnen: alle Darstellungen ägyp-
tischer Schlafstellen zeigen vor dem
Bett einen Schemel, der aus die be-
trächtlicheHöhe derSchlafstatt schließen
läßt. — Wie alle übrigen ägyptischen
Möbel waren die Betten aus leichten,
rechtwinkelig zusammengesügten Holz-
stäben gefertigt, die oft in lotos-
blüthenförmigen Gliedern endigten;
die Liegfläche war durch ein Geflecht
von Lederriemen elastisch gebildet;
am Kopfende befand sich regelmäßig
eine hölzerne Kopfstütze in halber
walzenform. Die eigentliche Bettstatt
wurde mit Kissen und Decken belegt
und ringsum von einem Nückennehe
umhangen, wie dies noch heute in
heißeren Gegenden üblich ist. —

Die Assyrer und Perser, die
überhaupt eine äußerst luxuriöse
Möbel-Industrie besaßen, legten ihre
Bettgestelle reich mit Metall, Perl-
mutter und Elfenbein aus, füllten
die durch die senkrechten Glieder und
die Horizontalstützen gebildeten Felder

zuin Theil mit Reliefplatten aus, gaben den Bettpfosten reichgegliederte
Säulengestalt und behängten das Lager mit bunten, prächtigen Teppichen.
Auch die assyrischen und persischen Betten waren von ansehnlicher Höhe;
überhaupt herrschte bei den Möbeln der alt-orientalischen Völker die Höhen-
tendenz stark vor: die Sitzmöbel, besonders die Thronsessel, waren mit oft
unproportionirt hohen Lehnen versehen, und die meisten Möbel hatten vor-
richtungen, durch die sie höher gestellt werden konnten.

Seine hohe gesellschaftliche Bedeutung erhielt das Bett in Griechen-
land und vornehmlich in Rom. Besonders hier bildete es sich zum Re-
präsentationsmöbel pur sxosllsuos aus, auf dem man sich, abgesehen von
seiner Benutzung als Nacht- und Krankenlager, zum Speisen, zum Lesen
und Schreiben, zum Plaudern, zum Zusehen bei häuslichen Tänzen und
Spielen ausstreckte, und das schließlich, am Schluß der Lebensfreuden,
auch zur letzten Ruhestatt ward, zum Todtenbett.

Während unsere prähistorischen Vorfahren, ebenso wie es noch heute

Abbildung Nr. -^r. Fenster im Korridor des oberen Hauptgeschosses.

bei den primitiven Völkern üblich ist, den Leichen ihrer Angehörigen eine
hockende Stellung gaben und sie auch — wie die zahlreichen, göttlich ver-
ehrten Ahnenbilder der Wilden zeigen — in dieser Stellung abbildeten:
während die alten Aegypter ihre Todten auf einem Stuhle sitzend darstellten,
beiderseits von Hunden bewacht — vielleicht bildete der letztere Umstand den
ersten Anstoß zu der in der ganzen antiken Möbel-Jndustrie üblichen Dekori-
rung der Stuhlbeine mit Thierfüßen —, führten die Griechen und Römer
das Todtenbett ein, das im Sarkophag die monumentale Form des
Grabdenkmals erhielt: Die meist an den beiden Schmalseiten in voluten-
artiger Zusammenrollung sich sanft über ihre «Oberfläche erhebende Deckplatte
der Sarkophage weist in dieser Form deutlich auf die Provenienz vom Bette
hin: die Erhebungen an den beiden Enden sind nichts Anderes als Kopf-
und Fußstütze des antiken Bettes. Durch Vermittelung der antiken Sarkophag-
form*) ist das Bett indirekt auch in
den liturgischen Apparat der christ-
lichen Kirche übergegangen. Der
Altar geht insoweit auf das alt-
römische Todtenbett zurück, als er
seine Formgebung auf die Sarkophage
der frühchristlichen Märtyrer zurück-
führt, um die sich die jungen christ-
lichen Gemeinden zum Gottesdienst
in der Tiefe der Katakomben zu ver-
einen pflegten.

Die Form der antiken Betten,
der altgriechischen LI ins wie des
römischen Isotus, dessen verschiedene
Abarten als Isobus Asnialis (Ehe-
bett) , soiinpoäiuin (Krankenbett),
Isotus tunsdris (Todtenbett), Isotns
luoubrutorius (Ruhebett) und Isotus
triolinaris (Speiscbett) sich nur durch
verschiedene Höhe und Breite von
einander unterschieden, blieb bis in
die Zeiten des Mittelalters im Großen
und Ganzen dieselbe, in der uns
bereits bei Homer das Bett des
«Odysseus entgegentritt: ein vier-
füßiges Rahmenwerk, mit Lederriemen
straff bespannt, bedeckt mit Teppichen
und Polstern, über welche zur Nacht-
zeit das Bettlinnen und eine wollene
Decke gebreitet wurden.

Die Füße waren von Holz oder
von Bronze, oft reich verziert und
verschiedenartig als Thierfüße oder
Säulen gebildet, mit Metall- und
Elfenbeininkrustationen geschmückt; sie
wiesen meist an ihrem unteren Ende
ein scheibenartiges Rundglied auf,
das sich von der altorientalischen
Tischlerei bis auf unsere moderne
Möbel-Jndustrie als abschließendes
Glied fortgeerbt hat, und das ur-
sprünglich den Zweck hatte, das Ein-
sinken des betreffenden Möbels in
den weichen Lehm des Fußbodens
zu verhindern.

Reichere Betten wurden im alten
Rom ganz aus Bronze gebildet, und
sowohl in der schönen, klaren Kon-
struktion, als in der virtuosen tech-
nischen Ausführung und der künstle-
rischen Ausschmückung präsentiren sich diese Bronzebetten, deren einige
sich erhalten haben, als wahrhaft mustergültige Möbel. Das Kopfende, oft
auch beide Enden erhielten niedere, schräge Lehnen als Widerlager für die
Kopfpolster, beziehungsweise als Stütze für die Füße. In. späterer Zeit
wurde über das unseren Sprungfedereinsätzen gleichkommende Riemengeflecht,
eine meist lederne, mit Schilf, Heu, Wolle oder Federn gefüllte Matratze gelegt.

stellung eines Wohnhauses, gemäß einer auf der ganzen Erde verbreiteten Sitte, der letzten
Wohnstätte des Menschen die Gestalt des bei Lebzeiten von ihm bewohnten Heimes zu geben.
Da man, wie bei allen mit dem religiösen Kultus zusammenhängenden Angelegenheiten, auch
in der Gestaltung dieser Grabdenkmäler sehr konservativ verfuhr, so behielten dieselben, wie
z. B. in Lykien, noch zu Zeiten, da man bereits lange lediglich in Stein baute, die Gestalt^der
ursprünglichen Blockhäuser bei, eine Reminiscenz, die sich, ebenso wie die aus dem Todtenbett
hervorgegangenen Grabmäler sich durch die seitliche Aufrollung der Deckplatte kenntlich machen,
in dem dachartigen Abschluß jener Sarkophage erhalten hat. —
 
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