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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Hövel, Christian: Der Nähtisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0056

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Februar-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

5eite 35.

Der in Folge der geringeren Länge des Schreibtisches verbleibende kleine
Eckraum ist für ein Postament mit Vase oder Marmorfigur ausgenützt. Die
Formgebung entspricht auch hier dem englischen Geschmack und über die
Lehne des Sofas hinaus ragt eine hohe Wand, ans der oben ein Schränkchen
mit Bort hervortritt. Gerade für ein Damen-Zimmer mit seinen tausend-
fachen kleinen Schmuckgegenständen dürfte eine solche Anordnung des all-
seitigsten Beifalles sicher sein.

Halle mit Treppenhaus-Anlage, Illustrations-Beilage II. Von
demselben Architekten rührt auch der Entwurf zu dieser Halle her, der
in freier Anordnung einen Treppenaufgang innerhalb einer größeren Diele
zeigt. Durch freistehende Tragpfosten ist ein behaglicher Sitzplatz offen
begrenzt und wir sehen darin die Bank neben dem Kamine stehen. Ein
großer Tisch davor gibt dein Kamine das wohnliche Gepräge. Bescheiden
angewandte Stoff-Dekoration und einige Pflanzen ergänzen das Schmuckwerk
dieses Raumes, dessen hauptsächlicher Effekt schon in seinen ursprünglichen
baulichen Abmessungen und den geschickt disponirten Durchblicken liegt.

Toilette-Tisch, Abbildung Nr. 298. Als dritten Entwurf dieses
Architekten führen wir unseren Lesern noch einen Toilette-Tisch in amerikanischem
Geschmacke vor. Ein originell geformter, distinguirt mit Fassette eingeschliffener
Lxiegel bildet die Rückwand, während seitlich hohe Gitter den Tisch um-
fassen und Gelegenheit zur Aufstellung der nothwendigen Beleuchtungskörper
geben. Unter seiner Platte enthält der Tisch nur drei Schubfächer und kann
daher nur für solche Haushaltungen empfohlen werden, wo zur Unterbringung
der übrigen für die Toilette der Damen unentbehrlichen Gegenstände andere
Nlöbel und genügender Raum zu deren Aufstellung verfügbar ist.

Eck-Sitz mit Kamin - Parthie, Abbildung Nr. 299. Nochmals
bieten wir unseren Lesern ein völlig anderes Stück englischen Geschmackes.
Hier ist über einem Kamin ein hoher Aufsatz ungeordnet, dessen Bekrönung
in vicrtelkreisform bis um die Zimmerecke herum fortgeführt ist und auf
einer zierlichen Säule ihre Endigung findet. Darunter ist ein großer runder
Eck-Sitz angeordnet, und der hinter der Rundung verbleibende Theil ist zu
einem kleinen Wandschrank ausgenutzt. Eine elegante Stoff-Dekoration bildet
oberhalb der Rückwand den Abschluß. Der Sitz ist besonders breit und
bequem und scheint diese Anordnung für das Sprechzimmer in einem Gesandt-
schaftshotel oder ähnliche Räume zu prädestiniren.

Zn den Abbildungen Nr. 200, 30; und 202 endlich geben wir unseren
Lesern einige Beispiele für S to ff-D e k 0 r at i 0 n en, die nach Entwürfen
des Architekten Bäumer interessante und wechselvolle Anordnungen zeigen.
Die zwei ersteren bilden Baldachine und können für Betthimmel und ähnliche
Arrangements Vorbilder bieten. Abbildung Nr. 202 dagegen zeigt eine
Draperie oberhalb eines großen, rundbogigen Fensters aus Stoffen, die in
Applikationstechnik reich gestickt und mit Posamenten und Schnüren gediegen
zur Geltung gebracht werden. —

von Christian Hövel, Düsseldorf.

^Line ganz beträchtliche Menge Tinte und Druckerschwärze ist schon ver-
braucht worden, um dem lieben Publikum begreiflich zu machen, was
Zu einem gemüthlichen Heim an Möbeln, Stoffen, Geräthen usw. und ver-
ständniß zur Gruppirung derselben gehört und wie diese einzelnen Theile
zusammen wirken sollen und müssen, um ein schönes, harmonisches Ganze
ZU erzielen. Fast alle erdenklichen Gebrauchs- und Luxusgegenstände hat
man aufgezählt und von ihnen angegeben, wie sie an und für sich sein sollen
und müssen uin ihren praktischen Zweck zu erfüllen — nur eines Gegen-
standes scheint man in letzterer Beziehung ganz und gar vergessen zu haben,
der doch so innig mit einem gemüthlichen Heim und mit einem echt deutschen
Familienleben verbunden ist, inniger sogar als es bei nur oberflächlichem
Nachdenken scheint — den Nähtisch! — Za, welch' hervorragende Stelle
nimmt der so vergessene in unserem Familienleben und in dem Geistesleben
der deutschen Frauen ein! Was wird von Gattin und Braut nicht Alles
an ihm, während und durch die Beschäftigung an ihm gehofft, erdacht und
geschafft zur Verschönerung des Heims, zur Freude der Lieben für Familien-
feste und die Feste des Zahres — gar nicht zu gedenken der Sorgen, Mühen
und Leiden, die im Leben Vorkommen und in jeder Familie mehr oder
weniger vorhanden sind und empfunden werden, woran der Nähtisch ebenso
redlich Antheil nimmt wie an den freudigen Anlässen. — Doch nun zur Sache!

Wiewohl uns die Geschichte und die Zeugen derselben, die alten
Gewebe, Stoffe und Stickereien sagen, daß man schon in den ältesten Zeiten
mit der Nadel hantirte, ist der Nähtisch, wie wir ihn kennen, noch gar nicht
fo alt, als man vielleicht geneigt ist anzunehmen. Wir können nicht einmal
historische Daten von ihm anführen, wie zum Beispiel von mehreren unserer
anderen Tischarten. Zur Zeit der Gothik und Renaissance kannte man ihn
noch gar nicht. Der damalige Nähtisch war der gewöhnliche Tisch der
Familie. Das Nähgeräthe wurde in einem Körbchen verwahrt und ein mit
Werg umpolsterter und in einen Lappen eingenähter Stein diente zum Fest-
stecken des Zeuges während der Arbeit und als Nadelkissen. Später hatte

man die sogenannten Nähkästchen, kleine Kästchen mit einem Schubkästchen,
etwa ;8 oin lang, 8 oin breit und 8 oin hoch oder auch noch größer. Auf
dem Deckel hatten dieselben ein Polster zum Feststecken des Nähstoffes und
als Nadelkissen bestimmt. Für den Gebrauch wurden die Kästchen mittelst
einer kleiner Flügelschraube an die Tischplatte des Familientisches angeschraubt
und nach dem Gebrauch wieder abgenommen. Zm Prinzip den Nähkästchen
gleich waren die Nähschrauben, aus Eisen gebildete, oft recht fantastische
Thierfiguren, in deren Maul der Nähstoff zum Festhalten geschoben wurde,
und deren Rücken ein kleines rundes Polster zur Aufnahme der Nähnadeln
trug, vereinzelt findet man die Nähkästchen und Nähschrauben auch heute
noch auf dem Lande. Unser heutiger Nähtisch stammt in seiner jetzigen
Form aus den 20—-Oer Zähren. Weniger aus einem praktischen Bedürfniß,
als aus einer Mode hervorgegaugen, hat er bis heute noch seine ursprüng-
liche Form größtenteils bewahrt, verbessert hat er sich kaum uenneus-
werlh, eher verschlechtert. Die Arbeiten der damaligen Zeit waren, wenn
auch nichts weniger als schön, doch solid, was man von unseren heutigen
Sachen mit ihren auf- und angepaßten Verzierungen, bei deren Herstellung
„kalter Leim und warme Stifte" und der „Kitthobel", wie der technische
Ausdruck der Handwerker lautet, die Hauptrollen spielen, durchaus nicht
rühmen kann. Daß wir heute die alte Nähtischform noch haben, haben wir
hauptsächlich der Berliner Spezial-Möbelfabrikation zu verdanken, die mit
ihren „stilgerechten" Möbeln so ziemlich den großen Markt versorgt, besonders
gilt dies aber noch von den Nähtischen. Wie armselig diese Dinger aber
neben ihrer „Stilgerechtigkeit" sind, scheint man gar nicht zu beachten.
Wirklich an einem solchen Tisch zu nähen, ist unmöglich, weil die Platte
zu klein ist um darauf arbeiten zu können, und 2. weil er Umfallen würde,
wenn das Nähzeug an ihn festgesteckt und angezogen würde, da die drei
oder vier Puppenmöbelfüßchen keinen festen Stand bieten. Eine Lampe oder
sonst etwas von Gewicht außer Mitte auf einen solchen Tisch zu setzen,
kann man sich nicht getrauen und selbst Miezchen begibt sich in Lebensgefahr
wenn es ihm einfallen sollte mit einem hernnterhängenden Faden zu spielen.
Man sollte nun glauben, daß diese Nähtischchen sehr billig sein müßten —
damit wäre man aber gewaltig auf dem Holzweg. Der Preis, der für diese
„stilgerechten" Sachen gezahlt wird, schwankt zwischen t?—65 Mark, Beträge,
für die man auch etwas Besseres, Schöneres und Praktischeres bekommen
könnte, wenn — (ich scheue beinahe, es zu sagen, es ist schon so sehr oft
geschehen und doch muß es immer wieder gesagt werden, wenn es einmal
anders werden soll) — nun, wenn nur das richtige Verständnis; vorhanden
wäre und wenn man sich endlich einmal in allen Kreisen herablassen wollte,
an tadellosen, einfachen Sachen mehr Gefallen und Freude zu finden, wie
an den unecht aufgeputzten, sogenannten „reichen" Sachen. Wie wenig ver-
ständniß für solche Dinge selbst Leute haben, von denen man schon ein
gewisses Kunstverständniß erwartet, erwarten soll und muß, kann man oft
genug mit eigenen Augen sehen. Die ganze Einrichtung solcher verräth die
kundige Anordnung des Architekten, sogar das Spinnrad wurde eigens nach
einem alten Vorbild angefertigt, der Nähtisch aber verräth sich gleich als
ein „stilgerechtes" Kind der Berliner Nöbelmurkserei. Man hat sich gar
nicht einfallen lassen, den auch vom Architekten zeichnen zu lassen, den hat
man einfach dem Möbelmagazin entnommen.

Ein Nähtisch, an dem sich wirklich arbeiten läßt, soll und muß vor
allen Dingen einen festen Stand haben. Die Platte muß so groß sein, daß
man auch darauf arbeiten kann. Die innere Einrichtung soll praktisch sein.
Erst wenn diese Punkte erfüllt sind, kommt die Frage der Verzierung in
Betracht. Soll der Tisch nur eine Säule haben, so muß diese von genügend
starken Füßen getragen werden; Blatt und Zarge soll bei solchen stets rund
oder achteckig, niemals aber viereckig sein. Praktischer aber und unstreitig
solider find stets Tische mit zwei oder vier Stollen, weil diese fester stehen
und eine größere Blattfläche haben können wie Tische mit einer Mittelsäule.
Bei Tischen mit zwei Stollen werden diese unten am besten auf fußartige
Schwellen gesetzt und an jeder Seite mit Konsolen gestützt. Die Lösung mit
Füßen bei zwei Stollen in der Art wie bei Tischen mit einer Mittclsäule ist
nicht so schön wie erstere Art, dazu auch weniger solid. Als wirkliche Arbeits'
tische möchte ich also die Tische mit rechtwinkeligem Blatt und zwei oder vier
Stollen oder zwei Brettstollen empfohlen. Als Minimalmaß der Platte sollte
60 x450m feststehen, aber nicht über 90 x 70 oin betragen. Ueber die innere
Einrichtung des Nähtisches kann man eigentlich nichts Besonderes sagen, die
läßt sich Zeder am besten nach seinen speziellen wünschen machen, ganz
praktisch ist es zum Beispiel statt der gewöhnlich üblichen zwei Schubkasten
deren drei anzubringen und zwar derart, daß zwei nebeneinander über der
dritten liegen. Die beiden oberen Schubkasten dienen zur Aufnahme von
Garn, Seide, Nadeln und Nähgeräth überhaupt, während der untere Schub-
kasten zur Aufnahme begonnener kleiner Arbeiten bestimmt ist.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch bemerken, daß es sehr schön
ist, den Nähtisch in die Fensternische auf eine 8—;o orn hohe Stufe zu
plaziren. weiter auf die Ausschmückung eines solchen Nähtischplätzchens
einzugehen, kann ich mir versagen, da die „Znnen-Dekoration" in früheren
Heften bereits eine ganze Anzahl hübscher Erker-Ausbildungen brachte, in
welchen der Nähtisch ganz besonders heimisch ist. —
 
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