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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Neue Richtungen in der Innen-Dekoration
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W.: Japanische Nachbildungen von Leder-Tapeten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0096

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5eite 66.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

April-^eft.

Thoma erinnern, warum also sind derartige Beispiele nicht auch auf dem
Gebiete der dekorativen Kunst zu verzeichnen? Doch nur weil unsere
Dekoratöre, unsere Möbel-Architekten sich so gern zum gehorsamen Diener
des Publikums machen, von seiner Laune, seinem wechselnden Modegeschmack
die Direktion erwarten, mit einein Wort, weil sie in den meisten Fällen
selbst nicht wissen, was sie wollen.

Was der Künstler aber will und wollen muß, das ist ein überzeugungs-
treues Herausarbeiten seiner dekorativen Gedanken aus der gestellten Auf-
gabe, aus dem Material und seiner Konstruktion heraus, nicht Nachahmen
vorhandener Muster. Denn das Nachahmen schließt in sich die fatale Gefahr,
in die Karrikatur zu verfallen. Echt machen wollen, karakteristische Merkmale
häufen, übertreiben, damit ist die Karrikatur fertig, die wohl vorübergehend
amüsiren, aber nie Bestand haben kann. Und ich glaube, wenn wir hieran
festhalten, unbeirrt um das, was uns als
Mode gepriesen wird, unser Bestes aus dem
Fremden nehmend, das uns so tausendfache
Anregung darreicht, es verarbeitend mit
frischer, fröhlicher Selbständigkeit, uns gegen-
seitig kräftigend an den gesunden Ansätzen,
die, wie ich glaube, überall in Deutschland
zu finden sind, so brauchen wir der Zukunft
unserer Dekorationskunst nicht mit Bangen
und Mißtrauen entgegensehen.

Japanische Nachbildungen vvn
Leder-Tapeten.

i^apanische Tapeten sind schon seit Jahr-
Hunderten rühmlich bekannt, und gelten
bis auf den heutigen Tag als eins derjenigen
Fabrikate, denen die Kunstfertigkeit des
Abendlandes Nichts an die Seite zu stellen
vermag. Nicht als stünde ein Geheimniß
oder ein, besondere Geschicklichkeit erheischen-
des Verfahren im Wege; nein, die Schwierig-
keit liegt einzig und allein in der Beschaffung
des angewandten Materials. Es ist dies
die innere Rinde gewisser Bäume, welche
in anderen Klimaten nicht gedeihen wollen.

Das gilt besonders von der unter dem Namen
„Nino-garni" („Hanschi") bekannten Tapete,
die aus der weichen und geschmeidigen
inneren Rinde des „Kozu", eines der wich-
tigsten japanischen Waldbäume, hergestellt
wird. Derselbe hat mindestens dieselbe Be-
deutung für Japan als der „Kuwa" oder
Maulbeerbaum. Bald nach der Einrichtung
der „Jnsetsu Kioku", der kaiserlichen Druckerei,
wurde die Frage erörtert, ob es möglich
wäre, eine gute Nachahmung der sehrtheueren
in Amerika und anderen Ländern fabrizirten
Wandbedeckungen von Leder mit erhabenem
Muster herzustellen. Zwei der besonders
erforderlichen Eigenschaften besaßen schon
die besseren japanischen Tapeten in hohem
Grade, nämlich Haltbarkeit und Schmieg-
samkeit. Es blieb also nur noch übrig, das
Fabrikat wasserdicht zu machen und dem-
selben eine dem Auge angenehme äußere
Ausstattung zu geben.

Noch ein anderer Umstand kam in
Betracht, der dem Unternehmen Erfolg versprach. Seit undenklichen Zeiten
hatte man Kasten, Koffer und alle möglichen anderen Artikel aus einer
Papiermasse gefertigt, die inan durch einen Ueberzug von Lack wasserdicht
machte, nnd es ist weltbekannt, daß der japanische Lack an Dauerhaftigkeit,
Glanz und Wasserdichtigkeit nicht seinesgleichen hat. So begann man im
Jahre l86y den versuch, lackirte Tapeten herzustellen. Das neue Fabrikat
fand auch sofort im Auslande so großen Anklang, zumal wegen der Billigkeit
seines Preises, daß die kaiserliche Druckerei sich nach fünf oder sechs Jahren
nicht mehr im Stande sah, den an die Fabrik gestellten Anforderungen genügen
zu können. Zugleich fühlte man, daß dieser neue Industriezweig nicht ein
Monopol der Regierung bleiben dürfe. Im Jahre t88g wurde die Fabrik
von der „Jnsetsu Kioku" getrennt und es entstand die „Heikischi Kwaika"
oder „Gesellschaft zur Fabrikation lackirter Tapeten".

Das Verfahren bei der Herstellung dieses Artikels ist ebenso einfach, als
es interessant ist, in erster Linie darum, weil gar keine Maschinen dabei zur
Anwendung kommen, von dem Einpressen der Formen in die feuchten,
schweren Streifen der Tapete bis zu dem Ausmalen der erhabenen Arabesken

und wunderlichen Blumen, geschieht Alles mit der Hand. Zuerst ist es nöthig,
die plastischen Figuren des Musters in Holz zu schnitzen. Man benutzt dazu
die mit großer Sorgfalt ausgewählten Stämme von Kirschbäumen, da sich
das Holz von Drnnns Dssnäoosrasns, seiner Dichtigkeit und Zähigkeit wegen,
besonders für diesen Zweck eignet. In der That können diese Typen und
Formen, die cylindrisch einen, bis ein und einen halben Fuß im Durchmesser
sind, lange Zeit gebraucht werden, ehe sie sich abnutzen. Auf diese nun legt
man die noch nassen Bogen der grauen Papiermasse und preßt sie sorgfältig
mit weichen Bürsten in die Form, sodaß alle Linien und Erhabenheiten des
Musters klar hervortreten. Die Bürsten haben lange Stile und sind von
Hirschhaar angefertigt, das weicher und dauerhafter ist als Schweinsborsten.
Man legt einen der etwas über drei Fuß langen und zwei Fuß breiten Bogen
an den andern, und zwar meist doppelt aufeinander, bis ein Streifen von

zwölf Meter Länge und ein Meter Breite
entsteht. Dieser gepreßte Streifen geht zu-
nächst in den gut ventilirten Trockenraum
und erhält einen Anstrich von „Nori", einer
Art dünnem Kleister. Nachdem er getrocknet
ist, bekommt er einen abermaligen Anstrich
von Nori, und dieser Prozeß wird sechs- bis
siebenmal wiederholt, nach jedesmaligem
Trocknen zwischen den verschiedenen Lagen.
Dadurch erhält die Tapete die nöthige Steif-
heit und Glätte und ist dann zum Lackiren
fertig. Die Frage ist nun, ob in dem Muster
Gold oder Bronze zur Anwendung kommt.
Ist dies der Fall, so erhält der ganze Streifen
zuerst einen Ueberzug von Silberfirniß und
darauf von Lack. Dadurch erhält die Grund-
farbe einen röthlich goldenen Schein, dem
man entweder einen matt goldenen oder
einen tiefen Bronze-Ton verleihen kann, je
nach der größeren oder geringeren lpuantität
des darüber aufgetragenen Lackes. Der Lack
selbst ist das bekannte Produkt des Lack-
baumes, Klrns vsruieitsrg,, den die Ameri-
kaner jetzt auf eigenem Boden zu ziehen
versuchen. Ist endlich der ganze Streifen
schön glatt lackirt, so sind drei Tage zum
Trocknen desselben erforderlich. Dazu ist
wieder ein besonderer Raum hergerichtet,
dessen Boden mit losein Stroh bedeckt wird,
während aus Reisstroh geflochtene Matten
überall von der niedrigen Decke herabhängen.
Diese letzteren, sowie das lose Stroh müssen
beständig feucht gehalten werden, denn durch
die Feuchtigkeit wird Sommer und Winter
hindurch eiu gleichmäßiger niedriger Wärme-
grad erzeugt, der die Hauptbedingung für das
feste, gleichmäßige Autrockuen des Lackes ist.

Ist der Lack völlig getrocknet, so bringt
man die Tapete in ein langes Zimmer, um
die im Muster angewandten Farben anfzu-
tragen. Bei einfacheren Mustern geschieht
dies mittelst einer Schablone und eines Hirsch-
haarpinsels und die feineren Theile werden
nachher mit einem gewöhnlichen Malpinsel
hinzugefügt. Line der beliebtesten Farben
ist ein tiefes Roth für den Grund mit er-
habenen goldenen oder bronzenen Blumen
und Arabesken. Für manche Muster läßt
sich indessen die Schablone nicht gut gebrauchen, wie z. B. für Blätter, in
denen vier oder noch mehr verschiedene Schattirnngen von Grün Vorkommen,
oder wenn eine Krokus-oder Jrisblüthe in den natürlichen Farben darzustellen
ist. Manche dieser Blumenmuster sind wahre Kunstwerke, zu deren Ausführung
Geduld und eine geschickte Hand erforderlich sind. Der feinere Theil der
Arbeit liegt durchgängig in weiblichen Händen. Ist auch der letzte Pinselstrich
gethan, so bleibt nur noch das letzte Trocknen übrig und die Tapete ist fertig.
Etwa zo Tage sind zur Herstellung eines solchen 12 Hards langen Stückes nöthig.

viele der Holzformen werden nach Mustern geschnitzt, die in Europa
oder Amerika, zum Theil auch in Japan gesetzlich geschützt sind. Sie werden
je nach dein Geschmack der Abnehmer in den verschiedenen Ländern gezeichnet,
und sind wechselnden Moden unterworfen. Doch beschäftigt die Gesellschaft
selbst zwei oder drei erfahrene Musterzeichner, außerdem etwa zwölf Leute,
die nichts zu thun haben, als neue Formen zu schnitzen oder die alten anszu-
bessern, die Risse haben oder sonst beschädigt sind, bei der rauhen Behandlung,
der die Formen unterworfen werden müssen, kommen natürlich trotz der Dauer-
haftigkeit des Holzes solche Verletzungen vor. — 'lV.
 
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