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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Rücklin, Rudolf: Dekorative Gefäße, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0152

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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite fff.

nach Zweck zu fragen brauchen. Aber natürlich muß der Karakter
des Stoffes ein derartiger sein, daß er sich auf die Dauer mit
der geschloffenen Ruhe, die ein Znnenraum haben muß, verträgt;
das ist im Allgemeinen bei allen Stoffen der Hall, aus denen über-
haupt Gefäße gefertigt zu werden pflegen; am wenigsten bei Gold
und Silber. Deren Farbe entbehrt der Tiefe und Weichheit, ihr
Blitzen und Glänzen ist zu prächtig und aufdringlich, als daß
sie sich für den vorliegenden Zweck eignen könnten. Zudem wider-
streben sie dekorativer Behandlung auf das Entschiedenste. Daß
trotzdem in alter wie in neuerer Zeit Dekorationsgefäße in Edel-
metall ausgeführt wurden, ändert daran nichts. Gegen ihre An-
wendung als Montage bei Glas- bezw. bei zusammengesetzten
Gefäßen ist natürlich nichts einzuwenden. Aber auch hier ist
ihnen die Bronze an dekorativem Effekt überlegen. — Nächst dem
Stoffe wird auch die künstlerische Ausstattung, die Dekoration
unserer Gefäße intereffiren. Der ausführende Künstler hat sich
hier der denkbar größten Freiheit zu erfreuen. Die geometrische,
ornamentale und realistische Ausstattung sind gleichmäßig werth-
voll; plastischer Schmuck wechsele ab mit Malerei, figürliche,
historische, mythologische Darstellungen mit modernen — nichts
ist ausgeschlossen. Solange dem Gefäße sein Karakter gewahrt
bleibt, solange die schmückende Zuthat angemessen behandelt
ist, mag hier Manches erlaubt sein, was bei Gebrauchs-
gefäßen aus praktischen und ästhetischen Gründen unbedingt zu
verwerfen sein würde. Za, wir haben uns sogar daran gewöhnt,
bei derartigen Arbeiten die Dekoration weniger streng zu be-
urtheilen als anderswo, und lassen wohl, namentlich bei älteren
Stücken, die Tugenden des Materiales die Sünden des Künstlers
zudecken. Und das ist durchaus nicht ungerechtfertigt. Denn die
Werthschätzung, die wir unseren dekorativen Gefäßen zollen,
braucht nicht durchaus und in allen Fällen nur auf ihren künst-
lerischen Qualitäten zu fußen. Zn vielen Fällen sind uns ihre
technischen Vorzüge kaum minder werthvoll. Außerdem ist das
geistige Znteresse, das sie erwecken, der geistige Gehalt, den wir
ihnen unterlegen, keineswegs das, was wir an ihnen am wenigsten
schätzen. Dieses geistige Znteresse kann sich an die auf dem Stücke
angebrachten Darstellungen knüpfen; nothwendig, oder auch nur
die Regel ist dies aber nicht. Es wird meist kulturhistorischer
oder aber persönlicher Art sein, was dem stummen Kunstwerk
die Sprache verleiht, die unsere Fantasie zu verstehen vermag.
Wie traulich grüßen uns die Werke unserer Väter mit ihren
derben, gemächlichen Formen vom Bordbrett herunter I Wie ver-
mag ein indisches oder japanisches Ziergefäß mit seinen bald
bizarren, bald graziösen Formen, mit seinen üppigen, traumhaft
reichen Zierrathen die Sehnsucht zu wecken nach den Wundern
des fernen (Ostens I Wer denkt nicht beim Anblick eines italienischen
Fayencetellers, mit dem Porträt irgend einer bemalt, an

die glückliche, schönheiterfüllte Zeit der ersten Renaissance, und
wem läßt eine Meißener Vase nicht das Rokoko mit all seiner

zierlichen Anmuth vor dem geistigen Auge auferstehen? Alte,
oder nach alten Mustern gearbeitete Möbel sind uns zu unhandlich,
alte Bilder oder dergleichen plastische Darstellungen in vielen, wo
nicht den meisten Fällen zu schwer verständlich für den alltäglichen
Gebrauch oder die tägliche Anschauung. Zn der Form dekorativer
Gefäße können wir die Kunst vergangener Zeiten rein und ohne
störende Beimischung genießen. Zn anderer Art werden persön-
liche Erinnerungen sich knüpfen können an kunstreiche Stücke, die
wir von einer Reise aus fernen Gegenden mitgebracht haben.
Gefäße, die wir zu gewissen Zeiten benutzt, oder die wir uns
vielleicht bei einem Wettkampfe erworben haben, werden uns,
sofern sie sich zum Zimmerschmuck eignen, stets mit der Miene
alter Bekannten ansehen; so werden sich zu der Freude am künst-
lerisch Schönen, die ja stets das ausschlaggebende Motiv sein
muß, mancherlei Beweggründe gesellen, die das Kunstwerk geistig
zu beleben vermögen.

Die weitaus wichtigste Rolle bei der Herstellung dekorativer
Gefäße, wie überhaupt aller gefäßartigen Formen, spielt die
Keramik. Die Fügsamkeit des Thones den Absichten des Formers
gegenüber, kurz gesagt, seine große plastische Bildsamkeit, wie
auch der Reichthum an wirkungsvollen Dekorationsmitteln lassen
dies erklärlich erscheinen. Die gesammte Keramik zerfällt bekanntlich
dem Material nach in eine Menge Unter-Abtheilungen, die wir
für unsere Zwecke in drei große Einheiten zusammenfassen wollen;
diese sind die einfache, unglasirte Terrakotta, die Fayence und das
Porzellan. Zn Terrakotta hat vorzugsweise das klassische Alter-
thum gearbeitet. Das Material hat eine warme, braun- oder
röthlichgelbe Farbe, die an und für sich leicht etwas indiskret
wirkt. Es möchte daher diejenige Art antiker Ziergefäße, die
den Grund mit einem glänzend-schwarzen, manchmal etwas irisi-
renden Ueberzuge versieht und etwaige Zierrathen und Figuren
in roth ausspart, als die dekorativ wirksamste zu bezeichnen sein.
Aeußerst vornehm wirkt sparsamster Golddekor auf sonst einfach
schwarzen Stücken. Auch mehrfarbig behandelte griechische Luxus-
gefäße kommen vor, ohne aber an feiner Wirkung die erwähnten
zu erreichen. Die in fein geschlemmtem, rothem Thon ausge-
führten Isrrs, ZiAillacka - Gefäße der römischen Kaiserzeit, die in
scharfer profilirung und mit Reliefverzierungen, oft von großer
Anmuth, gearbeitet wurden, können in moderner Nachahmung
zu kleinen Zierstücken ebenfalls Verwendung finden. Unter der
Bezeichnung Fayence wollen wir hier die überaus große Gruppe
glasirter Thonarbeiten, mit Ausnahme des Porzellans, verstehen,
also die Arbeiten mit Blei- und Zinnglasur, die Majolika, das
Delfter Geschirr und das deutsche Steinzeug.

Wir kommen auf dieses zur Herstellung dekorativer Pracht-
gefäße geeignetste und auch wohl am meisten angewendete
Material, welches seine glänzendsten Vorzüge in der zu einem
eigenen Kunstzweig gewordenen Fayencemalerei entfaltet, im
nächsten Heft eingehend zu sprechen. — i5°rtsehung folg«.)
 
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