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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Schmidkunz, Hans: Die Ausstattung unserer Wohnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0214

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5eptember-k)efl.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znncn-Dekoration.

Seite f59.

Di^ Musstattmlg nufere^ ^Eulpumgen.

ler einige Jahrzehnte in unserer Zeit zurückblicken kann, wird
bemerken, wie rasch und vielseitig sich die Einrichtung bürger-
licher Wohnungen aus ärmlicher Einfachheit zu einer meist
luxuriösen Ausstattung entfaltet hat. Namentlich seit Ende
der 70 er Jahre haben wir an dem sogenannten „deutschen Zimmer" einen
Stolz des modernen Kunstgewerbes. Alan darf billig fragen, ob der Ertrag,
den dieser Aufschwung für die nächsten Zwecke des Wohnens, sowie für die
künstlerische Schönheit gehabt hat, auch deu Mitteln entspricht, die man im
Allgemeinen darauf gewendet, und die wir immer wieder durch hohe woh-
nungsmiethen und große Rosten für unsere „Einrichtung" aufwenden. Ls
ist schon viel geklagt worden, daß hier ein Mißverhältniß walte, daß entweder
der Nutzen oder die Kunst oder alle beide davon wenig gewinnen, ja viel-
leicht Manches verlieren. Um dies besser benrtheilen zu lassen nnd um
zugleich Winke zu geben, wie die Einzelnen und die Geffentlichkeit hier
bessernd eingreifen können, wird es
nicht so sehr darauf ankommeu, Stück
für Stück auf seine Zweckmäßigkeit
und Schönheit zu prüfen, als viel-
mehr die Grundzüge aufzudecken, die
thatsächlich in der Ausstattung unserer
Wohnungen maßgebend sind, und
ihnen die entgegenzuhalten, die etwas
Werthvolleres ermöglichen würden.

Denken wir uns als Besucher
iu einem typischen modernen Haus
— mag es nun die Berliner oder
andere städtische Besonderheiten haben,
mag es wohlhabendere oder weniger
bemittelte Leute beherbergen. Wir
treten in ein nicht eben sehr freund-
liches Hausthor ein, werfen einen
scheuen Blick in den etwas beängsti-
gend engen Hof, jenseit dessen wir
die berüchtigten Seitenflügel und
Hintergebäude mit ihren in Arm-
seligkeit zurückgedrängten und zusam-
mengedrängten Bewohnern erblicken,
und suchen das Treppenhaus. Endlich
haben wir es mit unseren Augen,
die von der blendend Hellen Straße
her sich noch nicht gleich ans Dunkel
gewöhnt, gefunden nnd beginnen seine
Ersteigung. Dabei machen wir uns
so unsere Gedanken, daß wir hier
in einem öffentlichen Raum sind, für
dessen Linladendheit Niemand auf-
zukommen hat, außer daß ab und zu
eine Art von antiker Wandmalerei
uns irgend einen besonderen Karakter !
des Hauses vermuthen läßt. Etliche
Gerüche beschleunigen unsere Schritte.

Ietzt sind wir auf dem Treppenabsatz
des Stockwerks angelangt, in das wir
wollen, und wenn wir auf diesem

engen Platz mit anderen Wanderern und zugleich init einem Dienstmädchen,
das Kleider ausklopft, in eine stoßende und staubige Berührung gerathen,
so freuen wir uns doch wenigstens, bereits die individuelle Welt des aus-
gesuchten Heims erreicht zu haben. Zur Thüre hinein treten wir in etwas,
das wir kaum bestimmen könnten, wären unsere Augen nicht schon zu duukcl-
freudigen Katzenaugen geworden: so erkennen wir es als Vorzimmer oder
Korridor, allerdings nicht als ein Zimmer, das vor anderen kommt, sondern
als ein Etwas, das vor den Zimmern liegt. Abermaliger Zusammenstoß
mit dem Dienstmädchen, während wir spähend und tastend nach einem Kleider-
und Schirmständer suchen und ihn nach einigen Verwechselungen auch glücklich
gefunden haben. Darauf müssen wir an einigen Wandeinschnitten, die wir,
um uns nicht zu blamiren, mit scheuer Ehrfurcht betrachten, vorbei, bis sich
uns eine Thür öffnet und man uns eintreten heißt. Je nach mehr oder
minder „altdeutschem" Stil wird es uns leichter oder schwerer, unsere jetzigen
Nachtaugen wieder in Tagesaugen zu verwandeln nnd von dem häufigen
Kampf verschiedener Lichtstrahlen mit einander nicht allzuviel abzukriegen.

wir stehen im „Empfangszimmer" und werden gebeten, Platz zu nehmen.
Das thun wir schon deßwegen nicht, weil wir zuviel mit Bewunderung zu
thun haben. Nach dein öden Gang vom Hausthor bis zur Zimmerthüre
glauben wir jetzt in einen zum Käuferfang hergerichtetcn Kramladen getreten

Abbildung Nr. Thür im mittleren Eivilsenats-Sitzungssaal.

zu sei», nur unbestimmt, von welcher waarengattung. Rühren können wir
uns auch nicht viel, sonst stoßen wir etwas um. Dagegen bewundern wir
die großartig dnrchgeführte Regelmäßigkeit. Hinter uns eine Thüre, rechts
eine, links eine, und jede meist in der Mitte sder wand, vor uns zwei
Fenster, deren trennender Mittelraum, damit er uns nicht unsichtbar bleibt,
durch irgend einen markircnden Gegenstand eingenommen wird. Was sonst
noch an Wandstücken bleibt, ist wieder durch einen Stuhl oder Divan in der
Mitte regnlirt. Als Krone des Ganzen in der Zimmernritte eine Nieder-
lassung. Wohin wir uns setzen, überall bekommen wir nnr einen Theil des
Ganzen zu sehen, damit wir nicht zu sehr auf einmal überwältigt werden
und unsere Rumpfmuskeln durch Drehen und wenden in hygieinischer
Bewegung erhalten, wir möchten gern von einer Ecke aus ein Gesammt-
bild dieser Wunderwelt bekommen nnd suchen nach einem beschaulichen
Plätzchen: da erblicken wir den prächtigen stilvollen Dfen, in einer anderen
Ecke einen Pflanzenschmuck, in der dritten eine Büste, in der vierten eine
Lampe und beneiden die viere uni ihren Genuß des freien Zimmeranblicks.
Dann flüchten wir mit unseren Blicken nach aufwärts und staunen ob des
Stnckatnrrandes der Decke, wenn an einer gleichgültigen Stelle — denken

wir — schon solche Sorgfalt und
Kunst aufgewandt sind: wie schön
müssen nicht erst die intimeren Stellen
der Wohnung zur pflege des Ge-
schmacks ihrer Bewohner gehalten
sein! Endlich gleiten unsere Blicke
wieder wandabwärts und lassen die
Ungewißheit über die Branche dieses
Kramladens zu der vermuthung wer-
den , es handle sich um eine beleh-
rende Ausstellung, die den Triumph
der Farbe darstellen soll. Denn die
Stiche nnd Fotografien, die da durch
ihr weiß und Schwarz auf das Auge
wirken wie auf die Haut ein unter
die Kleider gerathenes Lisstückchen,
haben neben sich vollsaftige Geldrucke,
die zu sagen scheinen: „Seht ihr, was
man ohne und was man mit Farbe
ist? Auffallend bleibt uns nur, daß
wir in diesem doch so anregenden
Raum,keine Spuren dauernder mensch-
licher Thätigkeit begegnen.

Werden wir später von den
Bewohnern, die wir besuchen, in die
inneren und meist rückwärtigen Räume
geleitet, so gelangen wir allmählich
wieder aus der Prunkwelt des Em-
pfangszimmers in eine ähnliche Welt
zurück, wie wir sie zwischen Hausthor
und erster Zimmerthüre kennen ge-
lernt. Der nächste Raum, das Sxeise-
oder Herren- oder sonst ein Wohn-
zimmer, hat schon weniger „Schön-
heiten", ist kleiner und etwa auch
dunkler. Die Regelmäßigkeit, nament-
lich die Einhaltung der Mitte, wird
allerdings auch iu den folgenden
Räumen gewahrt, so gut es geht.
Der uns in der Wohnung herum-
führt, bemerkt bei einer ungern geöffneten Thüre: das sei „nur" das Schlaf-
zimmer, und wir genießen bloß einen Blick auf einen engen, wohlgefüllten,
lichtarmen Raum; bei einer anderen ebenso geöffneten Thüre: das sei „nur"
das Kinderzimmer, und wir blicken in einen ähnlichen Raum, der uns aber
trotz Kunstlosigkeit durch seine geringere Regelmäßigkeit angenehm auffällt.
Dann ebenso „nur" die Küche, in der ja „nur" gekocht wird und „nur" das
Dienstmädchen waltet, viel Aufenthalt gibts hier um so weniger, als die
Düfte von daher nicht immer genug wohlthuend und einheitlich sind, um zu
längerem verweilen einznladen; indessen zieht uns doch etwas nicht gleich
Bestimmbares an, denn wir fühlen uns ansprechend berührt durch den
schlichten Gegensatz zu dem Prunk und dem Mangel an Zweckdienlichkeit
im Empfangszimmer und bedauern nur, daß hier keine künstlerische Hand
die Gelegenheit benützt hat, um auf die Bedürfnisse, die da walten, eine
Schönheit aufzubauen; beispielsweise wundern wir uns, warum die Reihen
von Tellern und Pokalen, die uns in einem der vorderen Zimmer so welt-
verlassen vorkamen, nicht hier inmitten des Lebens, das ihrer bedarf, einen
besseren Platz gefunden haben.

So endet unser Rnndgang durch die Wohnung. Er ist nicht immer
gerade so wie hier; Manches erscheint anderswo anders, besser oder schlechter;
aber die Grnndzüge, die uns ausgefallen, bleiben ungefähr gleich. Sie lassen
 
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