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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Schliepmann, Hans: Von der Berliner Gewerbe-Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0293

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Dezember-Heft. ZUuslr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration. Seite 225.

durchweg etwas von einer Schreckenskammer; Ueberladnng init Grnament,
äußerlicher Formelkram in modischen Stilfloskeln, dazu geradezu entsetzliche
Glasurtöne überwiegen. So erscheint denn z. B. der sehr originell erfundene
Dfen des, unseren Lesern längst bekannten Architekten Karl Späth, Ab-
bildung Nr. H8t, durch die brünstigsten Farbtöne geradezu schauderhaft. Auch
in den verdientermaßen immer mehr in Aufnahme kommenden „amerika-
nischen" Gefen feiert das „Blanke" in tausend schlecht gegossenen Nickel-
verschnörkelungen Triumphe der Geschmacksrohheit.

Die Linoleum- und Parkettfußbodenfabrikation bietet nichts Neues;
von üblichen Wandbekleidungen ist ebenfalls nichts zu berichten; die Tapeten
sind, soweit sie etwas werth sind, was selten ist, stark unter englischem Ein-
fluß; Stoffe von künstlerischem Reize fand ich nur bei dem ganz ausgezeich-
neten A. Müller (Kronenstr.) und bei N. Protzen L Sohn; die Teppiche
sind durchweg — berlinisch. Dagegen birgt die Ausstellung allerdings eine
Wand-Dekoration, die in der ganzen Welt nicht wieder in solcher Vollendung
angetrosfen werden dürfte: die
Wandgemälde auf Porzellankacheln
in der unvergleichlich herrlichen Aus-
stellung der Königlichen Por-
zellan-Manufaktur. Schon in
Lhicago war es offenkundig gewor-
den, daß Berlin auf diesem Gebiete
selbst Sevres weit aus dem Felde
geschlagen. Diese Wandbilder aber
in ihrer üppigen, zwischen Makart
und Rubens stehenden Komposition
und Farbengebung sind das ver-
blüffendste, was an Technik je ge-
leistet worden. Und doch, es ist nicht
zu leugnen: in diesem verblüffungs-
reize liegt doch schon ein gewisses
Ueberschreiten der Kunsthöhe. Der
geniale Professor Kips, an dessen
Namen der glänzende Aufschwung
der Manufaktur für alle Zeiten ge-
knüpft sein wird, hat so viel Wun-
dervolles an kleineren Kunstwerken
ausgestellt, daß er den Linwand
schon vertragen kann: hier geht die
Kunst schon in Künstelei über. Das
ist ein übermäßiger Aufwand an

Technik zu einem — etwas zweifelhaften Erfolge; denn als bloße Dekora-
tionen sind die Bilder zu anspruchsvoll; bei Bildern jedoch fühlt man sich
durch die unvermeidlichen weißen Reflexe des Porzellans, die große Stellen
der Komposition zu verschlucken scheinen, sehr erheblich gestört. Dieser Mangel
an richtigem Stilgefühl, das stete Zubehör des Virtuosenthums, ist allzu
lehrreich, als daß man ihn verschweigen dürfte, wenngleich er an dieser
Stelle noch am verzeihlichsten erscheint, da man auf einer Ausstellung auch
einmal mit dem — prahlen darf, was man kann.

Ein ähnliches pinübergreifen ins Virtuosenhafte zeigt sich auch auf
dem Gebiete, welches an sich Heuer die größte pandwerkstüchtigkeit ver-
körpert: in der Kunstschmiederei. Pier sind die Handwerksmeister zu wirk-
lichen Kleinkünstlern herangereift, die selbst zu erfinden und zu gestalten
wissen, ein deutlicher Beweis dafür, daß das Kunsthandwerk der pflege eines
kunstverständigen Publikums, verständiger Käufer bedarf. Denn auf
diesem Gebiete hat der Architekt als Auftraggeber gewirkt, der Architekt,
welcher eben ganz anders als der landläufige „Gebildete" von heute weiß,
was er fordern soll und darf. Unsere „Bildung" hat also eine ganz unge-
heuerliche, ja geradezu in Geld umrechenbare Lücke, denn sie verhindert ein
gesundes, umfangreiches Aufblühen der Kunstindustrie. Durch diesen Mangel
an künstlerischer Bildung ist es denn auch zu erklären, daß eine gewisse
übertriebene Virtuosität aus dem Gebiete der Kunstschmiede-Arbeiten
einzureißen droht. Man weiß nur, daß unsere Kunstschmiede vorzügliches

Abbildung Nr. HgH. Musik und Tanz.

Bronze-Figuren aus der kunstgewerbl. Werkstatt von j)aul Stotz. (Stuttgarter Ausstellung.)

leisten, also werden ihre Arbeiten Mode, und da fragt man nicht mehr,
ob sie am rechten Grte und in rechter Art ausgeführt sind.

Was Schulz L poldesleiß, Puls, Gossner ausgestellt haben, ist
fast durchweg einfach mustergültig; die monumentale Standuhr von Kahl-
berg ist eines der besten Stücke der ganzen Ausstellung; die einfachen
getriebenen Blumen- und Fruchtanordnungen von B. Miksits sind die
glänzendsten Beweise künstlerischer Fertigkeit; daneben aber zeigen mehrere
Arbeiten entschieden bereits das Streben, über die natürlichen Grenzen
hinauszugehen, die dem Schmiedeeisen gesteckt sind. „Monumentale" Stärken,
Riesenblumen, die eher vom Dampfhammer als von der Hand geformt
erscheinen, sind nicht im Karakter des Eisens liegend; schließlich wird man
auch immer wieder daran denken müssen, daß das Eisen im Freien doch
nur ein verhältnißmäßig vergängliches Material ist, an welches daher nicht
ein übertriebener Aufwand an Arbeit verschwendet werden sollte. Will
man äußerste Pracht entfalten, so schmiede man sogleich Bronze oder

beschränke das Eisen auf geschützte
Stellen, wenn nicht auf Innenräume.

Ich bin mit meiner Umschau
zu Ende gelangt. Wenn ich noch
erwähne, daß Georg Pulke mit
prachtvollen, sinngemäßen und ab-
wechselungsvollen Lederarbeiten auf
der pöhe seines gerecht erworbenen
Ruhmes steht und daß Franz
Burda in Berlin, sein Schüler,
dem Meister ebenbürtig erscheint,
endlich daß merkwürdigerweise die
Elfenbeinschnitzerei einen höchst
erfreulichen Aufschwung zeigt — die
Arbeiten von L. Adler, Sänger
<L pahn, namentlich aber von
Lugsne Barillot sind wirkliche
kleine Kunstwerke — so glaube ich
keinen wesentlichen Zweig des Kunst-
gewerbes übergangen zu haben.

Ziehe ich nun, soweit es der Ein-
zelne vermag, das Schlußergebniß, so
wäre etwa zu sagen, daß sich Berlin
glänzend als eine Industriestadt be-
wiesen hat. Line Kunststadt aber
ist es nicht, wiewohl es Künstler
besitzt, deren Genie groß genug wäre, auch eine Weltausstellung äußerlich in
Szene zu setzen. Aber es fehlt der lebendige Antheil der Massen, es fehlen die
Käufer für echte, edle Erzeugnisse und darum überwiegt in den Ausstel-
lungsgegenständen der Flitterkram, ja, der Schund. Die künstlerische Er-
ziehung des Volkes erscheint hiernach als etwas auch wirth-
schaftlich unbedingt Nothwendiges. Dazu sollte nun ja freilich auch
die Ausstellung verhelfen, nach dem Pomp der Eröffnungsreden. Aber ich
vermag an diese Kulturmission nicht mehr zu glauben. Das Unternehmen ist so
brutal geschäftlich angelegt, mit Nebendingen, Verlockungen zu oberflächlichen
Zerstreuungen so überladen worden, daß der Durchschnittsbesucher nur ein
Lhaos von Eindrücken heimgenommen hat, zumal ihm ja nirgend ein Leit-
faden — und wäre es nur durch die Preisvertheilung — gegeben war, das
wenige Gute unter dem kritiklos zugelassenen Schund hervorzusuchen. Die
Ausstellung war daher eine herrlichste Augenweide, eine geschäftliche
Kraftprobe Berlins meinethalben; viel höher aber wird man sie nicht
einschätzen dürfen! Es ist sogar zu hoffen, daß ihr geringer äußerer Erfolg
den Peißspornen bewiesen hat, wie wenig das Ausland sich im Allgemeinen um
Berlin als Geschmacksmittelxunkt kümmert. Der geringe Fremdenbesuch wird die
beste Warnung sein, uns in die Fährlichkeiten einer Weltausstellung zu stürzen!

Die Deduktion.

Zur gkfl. Mst!
 
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