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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 5 (Mai 1931)
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Richter, Klaus: Das Bild als Dokument des Theaters
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Görnitz, W.: Otto Mueller: ein Nachruf
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0144

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Aus der b zielmngsdnsldll
dos Lehrers Lud. Sv<irc in Piag

Die Geschichte hat übrigens Wassermann in freier
Form zu einer Novelle verwendet. Jakob Tiedtke, der
einzige aufhorchende und unbeteiligte junge Zuhörer,
hat sie mir so erzählt — und ich hoffe, sie getreu
wiedergegeben zu haben.
Sol und nun denken Sie sich mal eine Photographie
von dieser Szenel Glauben Sie, daß man aus dem
Wirtshaustisch mit Bier und Erbsenpuree — mit den
Gesichtern der vier Männer — auch nur im entfern-
testen den tiefen Sinn dieses künstlerischen Erleb-
nisses herausahnen kann?l Bestimmt nichtl — Gutl
aber ließe sich das zeichnen? Ganz bestimmt! So wie
es Hunderte von Klein-Plastiken aus Porzellan und
anderen Materialien gibt, die uns noch heute eine
Ahnung vom Wesen der Comedia dell 'arte — und
nicht nur eine gespreizte Tänzerfigurine übermitteln —
wie es Tausende von Zeichnungen und Karikaturen
gibt, die uns Kunst und Wesen von Garrik und Irving
— Schröder und Devrient stark, eindeutig und pak-
kend vermitteln . . . Plastiken und Zeichnungen übri-
gens, die von „irgendwem und unbekannt", aber von
Künstlern, von geistigen, von ihrem Gegenstand be-
geisterten Menschen und nicht von toten, geschickt
gehandhabten optischen Apparaten stammen.
In jeder geistigen und künstlerischen Beziehung
besitzt die photographische Platte eben keine doku-

mentarische Treue; denn sie berichtet nichts über das
einzige, was uns von dokumentarischem Wert sein
könnte: über das geistig-seelische Erlebnisl
Das kann bloß die Zeichnung — das Bildl — und
oft sogar nur die Karikatur oder ein Erinnerungsblatt
eines Amateurs — mit geradezu faszinierender Kraft.
Ist das Theater die Kunst des konzentriertesten
Rausches und des beflügelten Augenblicks, so ist die
Malerei imstande, den Augenblick mit all seiner Fülle
des Zaubers festzuhalten. Sie ist die Kunst der ge-
sammelten Ruhe — der genießerischen Intimität. Das
wissen heute nur noch wenige. Die meisten wollen
es nicht wahr haben, wollen keine Zeit haben, sind
gehetzt — verärgert.
Aber es gibt noch Kunstenthusiastenl Es gibt noch
Leute, die wissen, daß man — wie Goethe sagt —
der Welt nicht sicherer ausweicht als durch die Kunst
und sich mit ihr nicht sicherer verbindet als durch die
Kunst. Sie sind recht eigentlich das Publikum, an das
sich jede gute Malerei wendet -- siel und nicht die
kalten Eröffnungshyänen, die historisch ach so ge-
schulten Kunst verständigen, die Sammler notier-
ter Werte. Sie — diese Kunstenthusiasten allein er-
halten uns die Welt der Malerei sehens- und malens-
wert . . . Und sie werden nicht aussterben — trotz
Hetze und Pleite! — so lange die Menschen Augen
haben, zu sehen.

Ein Nachruf von W. G Ö R N I TZ: OTTO MUELLER

Der Rembrandt-Deutsche Julius Langbehn sagte
einmal in seinem viel zu wenig bekannten Werke
„Rembrandt als Erzieher" an einer Stelle „Individua-
lismus ist die Wurzel aller Kunst"; und führt weiter
aus, daß je individueller ein Künstler ist, er umso
stärker den Kulturschatz der Menschheit bereichert
und auf die Künstlergeneration anregend wirkt. Ein
Künstler von solch stark ausgeprägter Eigenart ist am
24. September 1930 mit Professor Otto Mueller dahin-
gegangen. Zum Gedächtnis des Verstorbenen und,
um einen Überblick über das Werk Otto Muellers zu
geben, veranstaltet die sehr rührige Leitung des Mu-
seums in Breslau eine Otto Mueller-Gedächtnis-Aus-
stellung, die auch in verschiedenen anderen deut-
' Es ist uns für gewöhnlich nicht möglich, auf das Werk anerkannter
Künstler oinzugohen. Wir müssen das den eigentlichen Kunstzeit-
sdirillen überlassen. Die heutige Ausnahme rechtfertigt sich durdi
Otto Mueller's Verdienste um die Vorbildung von Kunsterziehern.

sehen Städten gezeigt werden wird. Den meisten
Lehrern dürfte Otto Mueller kein Unbekannter sein,
waren doch seine Werke seit mehr als zwei Jahrzehn-
ten auf jeder Kunstausteilung moderner deutscher
Künstler zu finden. Sein Leben sei kurz skizziert: Otto
Mueller wurde 1874 zu Liebau in Schlesien geboren.
Mütterlicherseits floß Zigeunerblut in seinen Adern,
denn seine Mutter war ein von Zigeunern zurück-
gelassenes Findelkind. Der Gutsbesitzer Göhler und
seine Ehefrau, eine geborene Hauptmann, zogen das
Kind auf und adoptierten es. Sein Vater war preu-
ßischer Steuerbeamter. Es ist wichtig, sich dieser sei-
ner Abstammung bewußt zu werden; sie trägt viel
zum Verständnis seines Werkes bei. Mit der Familie
Hauptmann in Agnetendorf verbanden ihn demnach
verwandtschaftliche Bande. Carl Hauptmann gab dem
Helden seines Romans „Einhardt der Lächler" die
Züge Otto Muellers. In Görlitz besuchte der auf-

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