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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0048

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welches noch effektvoller und
wirksamer ift, als das allgemein
beliebte Konzertlied »Für mich allein«,
Op. 95, von G. Kühle. Die Einsen-
dungsfrift läuft mit dem Oktober
,899 ab. Einsendungen find zu richten:
An die Neue musik.-liter. Gesellschaft
in Wien, V/s. Leitgebgasse ^5. Als
Preis find 200 Kronen ausgesetzt. Das
preisgekrönte Lied gelangt im Nooem-
ber d. I. in einem großen Künftler-
konzerte in Wien durch eine berühmte
k. k. Hofopernsängerin zur erften Auf-
führung, und foll das anwesende Pu-
blikum durch Stimmzettel, d. h. von
3 unter allen Einsendungen als die
beften, ausgewählten (von wem? D. R.)
und in diesem Konzerte vorgetragenen
Liedern, einem den Preis zuer-
kennen, fo daß ein gerechtes Urteil zu
erwarten ist." Wozu wird nicht all-
gemeinhin ein gutes, wirkfames Lied
verlangt? Warum muß es just besser
und effektvoller sein als eine ganz be-
ftimmte Kompofition? Das, werter
Leser, wird Dir klar, wenn Du Dir
vergegenwärtigft, daß das angeblich
„allgemein beliebte" Kühlesche Lied in
Wahrheit bisher nur wenigen „Einge-
weihten" bekannt war. Eben dem foll
abgeholfen werden. Das ganze Preis-
ausfchreiben hat weiter gar keinen
Zweck, als „für fich allein" Reklame
Zu fchlagen und das Vergleichsobjekt
mit Hilfe einer echten Wiener „Hetz"
als „konkurrenzlos" in bengalischer
Beleuchtung aus dem „Meinungs-
kampfe" hervorgehn zu lasfen. Denn
der Waschzettel an die Zeitungen, mit
dem das Preisausschreiben verschickt
wurdejaber nicht das Preisausschreiben
felbst) ift unterzeichnet: „Prof. Guftao
Kühle, Prüfident der »Neuen musik.-
liter. Gefellfchaft in Wien«."

Bil-en-e TLMnfL.

*Ausreifen laffen!

Zwei Dinge find oft vermechselt
worden: das Ausführen und das
Durchführen. Wenn jede Stelle des
llunstwart

WerkeZ ausgefüllt war mit Beschreib-
ung, — war's auch das leerfte Ge-
plapper, fo hieß es: wie schön aus-
geführt! Wenn aber einer mit
mächtigen Zügen alles ihm Wesent-
liche, wenn also einer den ganzen
feelischen Gehalt in Lapidarschrift hin-
fchrieb, fo ertönte regelmäßig der
Chorus der Nörgler: zu skizzenhaft,
zu flüchtig. Dagegen lehnten fich nun
die Künstler aus, und da seit einigen
Jahren das Volk willig in ihre Schule
geht, kann man oft mit fröhlichem Er-
ftaunen sehen, wie rafch und ficher sich
bei gutem Willen Kunftverftändnis
ausbilden läßt. Ja, mir scheint, man
schießt schon feit geraumer Zeit über
das Ziel hinaus. Man hat endlich
gelernt, das Bravourhafte, die kühne
große Handfchrift fchätzen zu lernen.
Aber nun drehte man den Satz auf etwas
allzu einfache Art um, als fei alles
formal Durchgebildete kleinlich. Nein:
viel fagen und viel schwätzen ist nicht
ohne weiteres dasfelbe. Man braucht
nur alle unsere gefeierten Meifter ger-
manischen Blutes von den van Eycks
ab darauf hin anzusehen, wie es deut-
fcher Art eigen sein muß, einen kleinen
Raum zu beleben mit einer folchen
Fülle des Reichtums an Geftalt und
Phantasie, daß man fich wohl fragen
mag, ob wir heute nicht auch noch das
Recht dazu haben. Zu beleben,
freilich, darauf kommt's an, nicht
bloß vollzumachen durch toten Kram
oder gar, wie das besonders in Kunft-
gewerbe und Architektur geschieht, mit
schlechtem„Pimpeln"großeFlächen und
Formen aufzulösen in Kleinigkeiten.

Das Hineintragen von fo Vielem
bringt auch noch etwas anderes mit
fich, was man aus Freude über üie
wiedererlangte und anerkannte male-
rische Bravour vergefsen hatte: das
Ausreifen. Man muß wieder allge-
mein die „Skizze" überwinden, nach-
dem das Volk foeben mühfam begriffen
hat, daß in der Skizze auch Kunft-
wert liegen kann, ja daß es Skizzen
 
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