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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0259

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eine Disziplin im gewöhnlichen Sinne
ein Unding ist, daß hier eine höhere,
eine künstlerische Zucht zu herrschen
hat. Jhr allerdings sind auch die
Herrschenden unterworsen. Wie gern
und ausdauernd unsere Theaterherr-
scher dazu bereit oder auch nur fähig
stnd — nun, das wissen wir ja so
ziemlich.

Mitte Dezember tagen die Dele-
gierten der deutschen Bühnengenossen-
schaft in Berlin. Es ist anzunehmen,
daß sie den zahlreichen Protesten der
Darstellerverbände da und dort einen
neuen und kräftigen folgen lassen.
Wenn es dann gelungen ist, diese
teils lächerlichen, teils brutalen Haus-
paragraphen von all dem Gerümpel
zu säubern, das da im Laufe der
Jahrzehnte sich angesammelt hat, so
wird auch eine gründliches Lüften
des Kontraktes und seiner merkwür-
digen Moralgebote die weitere gute
Folge sein müssen. Und dann kommt
wohl auch etwas mehr Licht in die
dunkelnRechtssprüchederweisen und ge-
rechten Schiedsrichter, von denen wir
oben sprachen. Solange freilich die
Bühnenangehörigen diese dunklen
Themen nicht selber gründlich und
energisch zu erörtern versuchen, immer
und immerwieder, solange werden wir
wohl noch auf gesunde Klarheit in
diesen Dingen warten müssen. L. R-

* Oskar Blumenthal macht
als Ritter des ewig Guten, Wahren
und Schönen, wie alle Kenner seiner
Wcrke wissen, eine vortreffliche Figur.
Also wars ganz in der Ordnung, daß
er zu einem Rennen sürs Jdeal neulich
wieder den Pegasus des „Berliner
Tageblatts" erklomm. Aber wie ich
den Anfang lese —

„Das war der »Freie Bühnen«-Tag,

Das stolze Jubilüum —

Die Glocken läuteten rings im Land

Der alten Kunst das Tedeum"

— da stutz'ich. Das Tedeum läuteten
sie der alten Kunst?

„Man warf drei schlammgraue
Schollen nach der ruhmlos ver-
blichenen Toten" . . .

Ach so, das Requiem meint unser
Mitbürgerl Ja nun, das ist freilich
so ungefähr das Gegenteil.

rnusik.

* Konzert-Pro gramm e. IV.

Wie solls also besser werden? —
Vor allen Dingen keine Schablone, keine
Unioersal-Form- Freiheit, Mannig-
faltigkeit. Es läßt sich eine Fülle von
neuen künstlerischen Jdeen verwirk-
lichen, und ein Leben kann erblühen
— wenn die Beteiligten wollen —,
das schon durch seine Frische wohl-
thun wird. Das Muster gibts nirgends
in der Musik. Jch muß um Entschul-
digung bitten, daß ich wieder eine
Anleihe bei der bildenden Kunst mache,
bei uns ist ja in der Kasse, aus der
künstlerische Gesamtleistungen
zu bestreiten wären, völlige Ebbe-
Also: die Musik-Pflege unserer
großen Städte muß organi-
siert werden wie eine moderne gute
Kunst-Ausstellung. Getrennte Reviere,
aber eine einheitliche Gesamtwirkung;
keine Vermengung disparater Erschei-
nungen, aber auch keine Zerstreuung
aufeinander angewiesenerFaktoren; vor
allem keine Ueberproduktion. Erbar-
mungsloses Ausschließen alles Minder-
wertigen. Lacht unsern Musikfreunden
nicht das Herz bei solchen Aussichten?
Ein großes Jnstitut zur Pflege der
großen symphonischen Formen, das
die Meisterwerke, wie in den
Sälen der Ausstellung, hübsch säuber-
lich sür die Konzerte gruppiert. Jedes
Konzert ist so auf seinen eigenen Ton
gestimmt. Dann analog den Sezessio-
nisten-Sälen ein Jnstitut, das aus-
schließlich dem Fortschritt huldigt, nur
neue, unbekannte Werke einführt.
Wenns da auch manchmal etwas toll
hergeht, die Hauptsache ist: Alte Sachen
werden überhaupt nicht zugelassen,
das sollen Kampfkonzerte sein.

2. Dezemberheft
 
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