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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1900)
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Bode, Wilhelm: Der Mann ohne Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0307

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bekannt, man hat ja sogar einen deutschen Octavia HiÜ-Verein begründet,
der nach ihrem sehr weisen Vorgange die Wohnungen der Armen ver-
bessern wollte. Auch Miranda hatte ein warmes Herz sür die Armen,
nnd es gelang ihr im Jahre s876 aus diesem warmen Herzen heraus
die rechten Töne in einem Briefe anzuschlagen, den sie nach englischer
Sitte an ihre Zeitung schickte. Sie schildert darin das trostlose, häß-
liche, ewig gleiche Vegetieren der Armen, ihr Bedürsnis nach ein wenig
Licht, ein wenig Schönheit, ein wenig seiner, edler Freude. Und ihre
Leser dachten an John Kyrle, und als sie einen Verein gründeten, nanntcn
sie ihn Kyrle-Verein. Dieser Verein besteht nun in London zweiund-
zwanzig Jahre, und ähnliche Vereine, die sich mit seltenen Ausnahmen
auch nach Kyrle nannten, entstanden auch in Birmingham, Cheltenham,
Dublin, Edinburgh, Leicester, Liverpool, Nottingham und hie und da
in den Kolonien. Jhre Arbeitszweige sind die verschiedensten, lausen
aber immer aus eine Verschönerung der Umgebung armer Leute oder aus
edle Unterhaltung hinaus. So hat London seine musikalische Sektion,
die bereits 39l Konzerte und 3s3 Oratorien-Aussührungen in Kirchen,
Schulzimmern, Arbeiterklubs u. s. w. veranstaltet hat, natürlich mit starker
Zuhilsenahme von Liebhabern. Jetzt bietet sie auch dramatische Spiele,
ernster und heiterer Art, wieder durch Dilettanten. Früher wurden rund
500 Unterhaltungsabende in Krankenhäusern und Armenhäusern abge-
halten, das hat man ausgegeben, weil in der Nachbarschaft der einzelnen
Jnstitute dasür gesorgt wird. Dagegen ist die Verrreibung schöner
Literatur neu; 673 Anstalten sind bereits mit Büchern beschenkt. Sehr
wichtig ist die Abteilung sür Dekoration. Sie dient allerlei össentlichen
Gebäuden, wo die Armen verkehren: Arbeiterklubs, Mädchenheimen,
Krankenhäusern, Armenhäusern, Missionshallen, össentlichen Lesezimmern,
Gemeindehäusern, Arbeiter-Kolleges u. s. w. Wo wenig Raum ist, hängt
sie ein passendes Bild auf; größere Flächen läßt sie bemalen; daß es
künstlerisch und gedankenreich gemacht wird, dafür bürgt wohl schon
Walter Crane, der im Vorstande dieser Gruppe sitzt. Eine andere
Gruppe bemüht sich, den rechten Genuß der Museen und öffentlichen
Kunstwerke zu sördern; sie hat einen Führer in die Paulskirche heraus-
gegeben, der trotz dreier Jllustrationen und dreier Pläne nur s6 Psg.
kostet; ebenso billig ist ein Führer zu den italienischen Gemälden in
Hampton Court. Wieder eine andere Gruppe verteilt geschnittene Blumen,
lebende Pslanzen und Knollen in geeigneter Weise. Sehr wichtig ist die
Abteilung für sreie Plätze. Sie wacht und kämpft, daß jeder unbebaute
Platz, der dem Ganzen gehört, vor Bebauung behütet wird, daß die
Stadt neben den großen Parks auch eine Menge kleiner „Lungen" be-
hält, daß den Kindern ihre Spielplütze nicht genommen werden, daß
man alte Kirchhöse in liebliche Anlagen umwandelt, daß kein hübschcr
Fußweg, kein Stückchen sreundlicher Natur entsernt wird. Endlich steht aus
dem Londoner Programm auch noch Flaggenverleihen zum Schmuck der
Straßen bei sestlichen Gelegenheiten. Birmingham pslegt die Fenster-
gärtnerei und die Samstag-Abendunterhaltungen, in Cheltenham spielt
auch die Nadelarbeit eine Rolle, in Liverpool werden den Kindern fröh-
liche Abende veranstaltet, sie bekommen auch Spielzeug. Jn Leicester
besorgt eine Abteilung „Aussahrten sür Jnvalide". Der Londoner Verein
hat übrigens ein Budget von 56 000 Mark, an seiner Spitze steht als

2. Ianuarheft tyoo
 
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