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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 8 (2. Januarheft 1900)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0320

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während er doch recht kleine Dichtersleute von heute mit bedeutender Gebärde
vor seinen Lesern abwägt. Warten wir noch ein Vierteljahrhundert! Es ist
wahr, datz Linggs Dichtungen überaus ungleich an Wert sind — aber der Satz,
datz man eines Poeten Bedeutsamkeit nach seinem Besten bemessen müsse, ist
doch eigentlich schon in s ed es Rezensenten Hand. Es ist auch wahr, datz Lingg
vorwiegend Pathetiker ist, aber das bezeichnet eine Bestimmung, nicht eine
Bemängelung. Wenn Meyer von Linggs historischer Lyrik meint, das sei
„einfach die epigonenhafte Balladendichtung der Nachahmer Platens und
sseltener) Uhlands", so sragen wir uns erstaunt, was denn eigentlich zum
Schreiben über Dichtungen berechtigt, wenn man nicht einmal hier den
eigenen Ton heraushören kann, hier, wo er doch nicht nur mitklingt, sondern
schmettert. Jn Linggs besten derartigen Gedichten schreiten die Rhythmen, ich
möchte sagen, mit marschmätziger Wucht, befeuert von innen heraus, die An-
schauungen sind episch klar umrissen und oft grotz bis zum Monumentalen,
und monumental einfach und klar ist auch die Ausfassung des Geschichtlichen.
Datz aber Lingg seine Saiten auch leise und zart zu rühren versteht, beweisen
wohl überzeugend genug einige unsrer Proben. Es gilt von der „Völker-
wanderung" wie von den Gedichten.

Wir entnehmen unsre Beispiele den verschiedenen Bänden, die bei Cotta
und Grote erschienen sind. Sie zu „empfehlen", haben wir doch wohl nicht
nötig. Recht sehr zu wünschen wäre, datz endlich ein Band ausgewählter
Gedichte den an Geld und Zeit weniger bemittelten Literatursreunden das
erste Bekanntwerden mit Lingg erleichterte.

Der Gedanke der Zeit.

lVelchen Gedanken die Zeit
Einmal erkoren,

Der ist gefeit und beschworen,
llnd wird ewig wiedergeboren,

Trotz allein lViderstreit.

Seine Feinde mühen sich ab!

Mit Schlingen und Banden,

5ie machten ihn gerne zu Schanden;

Und wenn er schon längst erstanden,
bsüten sie noch sein Grab!

Der Friede.

Festtäglich scholl von den Türmen das Lrz,

Der Donner von den wällen;

lVer's hörte, fühlte von Freud und Schmerz

Den Blick in Thränen quellen.

Tedeum bei der Vrgeln Alang
Rief am Altar die eine,

Nun danket Alle Gott, lobsang
Die neue Airchengemeine.

Nach dreißigjährigem Arieg war ja
Der Friede, der chriede geschlossen!

Kunftwart
 
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