Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1900)
DOI Artikel:
Batka, Richard: Neue Bücher über Musik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0351

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
d ur chgearbeitet, aber nicht verarbeitet. Er bietet dem Musikfreund allerdings
viel Jnteressantes, und der reiche Bildergehalt lohnt den Kauf schon allein,
aber es hätte was viel Ersreulicheres rverden können, wenn Neitzel die künst-
lerische Gestaltung seines Materials nicht fast gänzlich vernachlässigt hätte.
Das Buch endet, aber es schließt nicht. Der biographische Teil ist ziemlich
dürftig. Es sei dem Verfasser gerne geglaubt, datz über Saint-Saöns Leben
eben nicht viel zu berichten ist. Manches aber wäre doch zu berichten gewesen,
was in aller Munde ist und worüber man gerade in einer Monographie ge-
nauen Aufschluß zu erhalten erwartet. Es war zu zeigen, wie die Vorherr-
schaft der Theatermusik unter dem zweiten Kaiserreich nach dem deutsch-sranzösi-
schen Kriege allmählich gebrochen wurde; wie die kulturelle Annäherung beider
Nationen, die — so paradox es kliugt — eine Folge ihrer feindlichen Berüh-
rung war, in Frankreich ein Beftreben nach stärkerer Pftege der symphonischen
und der Kammer-Musik zeitigte, wie aus dieser Bewegung, an der auch Bizet.
Lalo, Massenet teilnahmen, Saint-Saöns hervorwuchs, und allmählich ins
konservative Lager, in die Gegnerschaft zur Schule Cesar Francks gedrängt
wurde. Es mag Saint-Saens verdrietzlich sein, wenn man ihn erinnert, wie
er ;8?8 zu München sein Bierglas zornig in Trümmer schlug, als sein Nach-
bar im Gasthaus nach der „Walküre" einige schüchterne Einmände gegen ein-
zelne Stellen des zweiten Aktes sich erlaubte. Dem Biographen ist es ein
psychologisch beachtenswerter Zug. Warum also sehlen bei Neitzel nähere
Daten über den Anteil Saint-Saöns' an der Wagnerbewegung? Warum
sehlt eine Erklärung des Umstandes, wieso sein Abfall zeitlich just mit
jenem Augenblick übereinfällt, als er zum Mitgliedc des Jnstituts ge-
wählt wurde? Warum ist die außerordentliche Förderung nicht genügend
hervorgehoben, die seinen Werken der deutsche Tonkünstlerverein in den
achtziger Jahren angedeihen lietz und warum die eigentümliche Niedertracht
nicht beleuchtet, womit er diese Förderung durch chauvinistische Brandartikel
gegen die deutsche Musik in Paris lohnte? Warum fehlt ein Kapitel: Saint-
Saens als Schriftsteller? „Charakterbilder berühmter Musiker" heitzt doch die
Sammlung, wovon Neitzels Arbeit den sechsten Band bildet. Wollte Neitzel
sich's in sranzösischen Musikkreisen nicht verderben oder hielt er es für besser,
die Aufmerksamkeit der Leser von unerquicklichen Personalien auf die würdigeren
Kompositionen des Maestro hinzulenken, so hätte er das Buch „Saint-Saöns
als Tondichter" betiteln müssen. — Sehr dankenswert ist das vollständige Ver-
zeichnis der Kompositionen im Anhang.

Wer sich mit der vielumstrittenen Richard Strautzschen Tondichtung
„Also sprach Zarathustra" befreunden will, schaffe sich die Studie Hans
Merians (Leipzig, Meyers graphisches Jnstitut) darüber an. Die Analyse
ist ebenso cingehend als faßlich; doch wäre die ruhmredige Bemerkung, daß
hier „zum erstenmal an einem modernen Werke der innere Bau der Programm-
Symphonie" dargelegt worden sei, im Vorwort besser unterblieben. An guten Ge-
danken fehlt es nicht. Merian geht daoon aus, wie ein Spatzvogel die Programm-
musik parodiert: „Hier habe ich vier wuchtige gleiche Töne — das Motiv des
Elefanten. Der Elefant hat vier Beine, mit denen er auftritt: das sind die
vier Töne. Nun solgt ein Trompetenstotz. Der Elefant hebt den Rüssel, er
trompetet. Hier geht die Tonleiter auswärts und abwärts: das Motiv des
Berges- Die vier wuchtigen Töne treten in die Oberstimme und rücken stufen-
weise aufwärts, die auf- und absteigende Tonleiter erklingt dazu im Batz: der
Elefant steigt auf den Berg .. . Aber Spaß beiseite! ist das nicht ungefähr die

Februarheft 1900
 
Annotationen