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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 10 (2. Februarheft 1900)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0402

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eine Fülle anekdotischen Materials
namentlich aus Reuters mecklenburgi-
scher Zeit und auch eine Fülle von
Bildnissen und Ansichten, die dem
künftigen „abschließenden" Biographen
Reuters bei seiner Darstellung des
„Milieus" sicherlich sehr zu stattcn
kommen merden, ganz nbgesehen von
dem grotzen lokalen Wert, den sie sür
die Heimatgenossen des Dichters ohne
weiteres besitzen. Wenn Gaedertz es
aber nur endlich unterlassen wollte,
Klaus Groth bei Gelegenheit Reuters
herunterzumachen! Auch in diesem
Werke geschieht es wieder, und es liegt
doch so gar keine Veranlassung vor,
da der niederdeutsche Burns und der
niederdeutsche Dickens ja im Grunde
gar nicht verglichen werden können.
Die Sprache thut es wirklich nicht;
will man Dichter vergleichen, so mutz
man ein ästhetisches tertiuin compu-
rLtiouis haben, und das fehlr hier.
Aber die Deutschen haben überhaupt
eine Neigung zu schlechten Vergleich-
ungen, wie könnten sie sonst z. B.
Wagner und Brahms einander gegen-
überstellen, die auch weiter nichts ge-
meinsam haben, als daß sie beide
Noten schrieben. Gaedertz führt dies-
mal triumphierend einen Ausspruch
Jakob Grimms an: „Die harte Not
ist es, die ihn (Reuter) zur Feder ge-
sührt hat, und nun ist er einer unsrer
geistreichsten Schriftsteller; wenn man
will, so liegt darin eine Entschuldigung
des harten Unfalls, der sein Leben
getrossen hat. Er steht hoch über dem
viel zu oiel gepriesenen Groth, dessen
Gedichte manimmermeint,schonirgend-
wo hochdeutsch und besser gelesen zu
haben. Bei Reuter ist alles voller und
natürlicher Erguß." Ach, wenn unsere
Philologen, auch die ganz großen
unter ihnen, über unsere Dichter
reden, so reden sie sehr oft Unsinn.
Reuter als „geistreicher" Schriftsteller
— es ist ja zum Lachen! Und daß
der grotze Sprachsorscher nicht einsieht,
datz die „vertraute" Stimmung, die
Runstwart

Klaus Groths Gedichte, eben, weil sie
echt volkstümlich sind, bei uns her-
vorrusen, eher ein Lob als ein Tadel
für sie ist! Die besseren hochdeutschen
Gedichte, von denen Klaus Groth ab-
hängig sein soll, existieren, das kann
ich als guter Kenner unserer deutschen
Lprikversichern,nirgends. Aber Grimm
war kein Niederdeutscher und so nicht
fähig, der Lyrik Klaus Groths aus den
Grund zu sehen. — Wenn Gaedertz
dann, um die Priorität der platt-
deutschen Dichtung Klaus Groths, die
gar nicht zu bestreiten ist, wegzuschassen,
eine Beeinslussung Reuters durch Hebel,
die pfälzische und die Darmstädter
Dialektdichtung (Niebergall) annimmt,
so ist das weiter nichts, als leere Pro-
jektenmacherei. Reuter hielt sich aller-
dings nach der Festungszeit eine Zeit
lang in Heidelberg auf, aber da be-
sand er sich in einem Zustande, der
der Beschästigung mit Poesie, und sei
es selbst volkstümlicher, so ungünftig
wie möglich war; auch nicht den
Schatten eines Beweises kann Gaedertz
für seine Behauptung bringen. Man
sollte endlich einmal jedem der beiden
niederdeutschen Dichter geben, was ihm
gebührt. Adolf Bartels.

Theateu.

* Berliner Theater.

Nach Neujahr, so hietz es, werden
die Verliner Bühnen zu krüftigerem
Leben erwachen. Bisher sind sie's aber
noch nicht.

Die verspätete Jahrhundertfeier im
Berliner Theater hätte einigermaßen
Gelegenheit geben können, über üie
platte, kleine Theatralik hinauszu-
kommen. Weniger vielleicht im streng-
künstlerischen Sinn als im ideell feier-
lichenGeiste. Woher aber die Schwung-
krast, wo die klare Aufrichtigkeit sehlt?

„Das deutsche Jahrhundert"
heitzt der Zyklus von Einaktern, die
in episodischer Form wichtige Abschnitte
deutscher Geschichte aus dem scheiden-
den Jahrhundert beleuchten sollten.

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