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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 12 (2. Märzheft 1900)
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Schultze-Naumburg, Paul: Die Bildende Kunst und die Lex Heinze
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0473

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so oft. Welch eine hohe Auffassung! „Die uns das Leben gaben,
herrliche Gefühle", — wie niedrig dagegen diefer Goethe! Was unser
Menschengeschlecht fortpflanzt über Aeonen hin, was uns so groß und
geheirnnisooll und heilig fein follte, was uns den Traum von Unsterblich-
leit faßbar macht im Bilde — das wirkt durch niedere Jnftinkte. Pfui
Teufel, meine keufchen Herren!

Binden wir nur weite Scheukläppen vor, bis jeder harmlose Sinn
erstickt, bis jedes tiesmenschliche Empfinden der Schönheit besudelt und
verkehrt ist in lebensfeindlichen Aberglauben. Jst es denn wirklich wahr,
muß sich Deutschland von Zeit zu Zeit vor der gesamten gebildeten
Welt lächerlich machen? Wer ein Herz für seine Nation im Leibe hat,
dem thut es weh bei diesem Gedanken. Und doch würe das Sich-
Blamieren unferes deutschen Volkes noch nicht, noch lange nicht das
Schlimmste dabei. Alles sollte geschehen, was nur geschehen könnte,
um vor diesem unsauberen Geifte unser deutsches Gesetzbuch zu behüten.

j) a u l 5 ch u l tz e - N a u m b u r g.

Lose Klätter.

Aus Ishii Auskins Schviften.

Vorbemerkung. Wir bitten unsre Leser, vor den folgenden Bruch-
stücken unsern heutigen Leitaufsatz zu lesen. Von Ruskins zahlreichen Schriften
sind bisher nur die „Steine von Venedig" (geb. M. 20), und auch diese nicht
vollständig, ins Deutsche übersetzt, dagegen hat Jakob Feis neben dem ge-
nannten noch füns andere deutsche Bände aus Ruskins Werken anthologisch
Zusammengestellt. Es sind dies: „Wege zur Kunst" (2 Bände, geb. M. ^.50)
„Was wir lieben und pflegen müssen" sgeb. M. 2), „Wie wir arbeiten und
wirtschaften müssen" (geb. M. 5), „Aphorismen zur Lebensweisheit" (geb.
M. 2.50). Alle diese Uebersetzungen sind bei I. H. Ed. Heitz (Heitz und Mündel)
in Straßburg erschienen. Aus ihnen sind auch die folgenden Stücke entnommen.

Wie leben wir?

Jch glaube, daß ich Jhnen die Antwort am beslen geben kann, indem
ich Jhnen einen Traum erzähle. Mir trüumte, ich wohnte einem Maiseste bei,
das ein verständiger und gutmütiger Gastgeber Kindern gab. Es wnr für
alle möglichen Unterhaltungen gesorgt. Das Haus war herrlich, umringt von
schönen Gürten, und die Kinder lietz man frei in Zimmern und Gürten walten,
unbesorgt um alles andere, als daß sie ihren Nachmittag vergnüglich ver-
brächten. Fürwahr, sie wußten wenig, was der nächste Tag mit sich bringt,
und mir kam es vor, daß einige sich ein wenig ängstigten, weil sie ahnten,
man könnte sie in eine neue Schule schicken, wo Prüfungen zu beftehen seien;
doch warfen sie, so gut es ging, diese Gedanken von sich ab und gingen darauf
aus, sich zu unterhalten- Das Haus, wie ich fagte, lag in einem schönen
Garten; darin gab es allerhand Blumen, liebliche Rasenabhünge, um zu
raften; ebene Grasplätze, um zu spielen; liebliche Ströme und Wälder; und
auch selsige Höhen, um zu klettern. Und die Kinder waren eine Weile glücklich;
aber plötzlich schieden sie sich in Parteien, und dann erklärte jede Partei, sie
müsse ein Stück eigenen Gartens sür sich haben, und datz keine von den
anderen mit diesem Stück irgend etwas zu thun haben sollte. Alsdann stritten
sie sich heftig, welches Stück sie haben wollten, und zuletzt nahmen fich die

2. Märzheft (900
 
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