Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1900)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Deutsch und französisch
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0013

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Dentsck und kranzösisck.

Nicht mahr, nnr sind keine Chauvinisten? Jch glaube, auch was
wir bisher über die Pariser Ausstellung geschrieben haben, hat das ciniger-
maßen deutlich gezeigt. Ja, die Franzosen verstehen Vieles besser als wir,
ja, wir können sehr Vieles von ihnen lernen. Aber nun heraus mit
unscrm jubelnden Bekenntnis! Wie wir hingingen zwischen all diesen
strahlendcn Palästcn, wie wir diese hundert Säle durchschritten, in dencn
Werke der Kunst sich reihten, stautcn und türmten, gerade da ging uns
ein Erkennen allmählich und wie eine Helle auf, von der wir noch nicht
wußten: irrlichteliert das nur oder kommt es wirklich von einem Stern
und gar von cinem, der Sonnc ist? Wohl, jetzt glauben wir daran
und bekennen es: nicht die Franzosen sind berufen zum ersten Kunstvolk
der Zukunft, sondern wir sind's, wir Dcutschen.

Aber ja kcin Mißverständnis, als wollten wir sagcn: die Vertretung
unscrcr deutschcn Kunst auf der Weltausstellung hätte solcherlci Zuver-
sicht in uns erweckt. Nein, das märe zum Lachen, behauptet' es einer.
Nicht, weil schlecht gewesen wäre, was da von dcutschen Bildern hing
und deutschen Statuen stand — es waren schr gute Werke darunter.
Aber alles schien darauf hin gewählt zu sein, wie es dem Gastgeber ge-
falle und den Mitgästen; oft war's, als redeten die Maler zmar von
deutschen Dingen, aber im internationalen Kunstvolapük, und als hätten
die Geladenen sich Mühe gegebcn, nur solchc Lcute mitzubringen, dic das
Künstvolapük zu reden vcrständen. Einc deutsche Kunstausstellung, bei
der Thoma, Böcklin, Klinger so gut wie gar nicht da sind, ist das über-
haupt eine? Es gcriet in keinc schöne Lagc, wer beim Schildcrn hoher
deutschcr Kunst von eincm Franzoscn gebeten wurde: „das möcht' ich
schen, bitte, führcn Sie mich dahin." Man mar bci uns wieder mal
höflicher gewcscn, als mutig und — gescheit. Man hätte gerade die
Deutschcstcn untcr den Tcutschen in den ersten Vordcrgrund stcllen
svllen. Natürlich: schr viele Franzosen hätten das nicht vcrstandcn
und böse Witze darüber gemachi. War's mit Wagncr anders? Und
Amistwart I. Gktoberheft 1900
 
Annotationen