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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1900)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Und der Goethebund?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0105

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Mid der Goetbebund?

Heute las ich's schwarz auf weiß gedruckt: „der Kunstwart fährt
mit vollen Segeln im Kielwasser des Goethebundes". Und ich dachte,
er führe eigenen Kursl Sei dem aber, wie ihm sei, es wird gut sein,
den Lesern zu sagen, wie wir über die Entwicklung „des" Goethebundes
denken.

Jn Berlin geschehen die lächerlichsten Zensurverbote. Und der Goethe-
bund? Der sammelt Material, und es wird nächstens gar nicht mehr viel
fehlen, so würde er dann etwas höchst Entschiedenes beinah gethan haben.
Jn Berlin geschieht eine Verurteilung wegen Majestätsbeleidigung, welche
die innere Unsittlichkeit dieses Paragraphen und des Prozeßverfahrens
dabei nahezu grotesk erweist. Aus der Provinz hören wir von Majestäts-
beleidigungsprozessen, welche die Frage nahelegen, ob wir denn in Deutsch-
land überhaupt noch eine Ueberzeugung aussprechen oder in bestimmten
Fragen nur mehr schmeicheln oder heucheln dürfen. Und der Goethe-
bund? Er sieht keinen Grund, der gute, etwas zu sagen, er schweigt.
Was bedeuten denn solche Kleinigkeiten auch!

Der Goethebund — nein, wir wollen gerechter sagen: der B erliner
Goethebund wird nachgerade zum Gespött. Er ist mit dem gewaltigsten
Trarah unter feurigster Betonung des freiheitlichen Charakters ge-
gründet worden, und nun zeigt fich, daß er dieses Programm nur als
eine Art Monolog betrachtet, von dem sonst niemand nichts weiß. Von
dem Goethebund sollte man überhaupt nicht mehr reden. Es gab
ihn, als er gegründet wurde, da hatte er ein Ziel, damit war's ein
Bund. Aber jetzt gibt es nur noch Goethebunde. Ein jeder davon sucht
auf seinen Wegen nach Art und Gelegenheit so oder so zu wirken, jeder
abseits vom andern. Die meisten derer, die sich überhaupt bethätigen,
versuchen es mit ästhetischer Erziehung.

Man versteht nicht recht, weshalb bei solchem Thatbestande in vielen
Blättern ein großer Zorn auf „den" Goethebund immer wieder zum
Ausdruck kommt. Jmmer wieder die Klage, „der" Goethebund leugne,

Runstwart z. Novemberheft zzoo
 
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