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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 4 (2. Nevemberheft 1900)
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Schumann, Paul: Denkmalpflege
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Avenarius, Ferdinand: Sprechsaal: Subjektivität u.s.w.
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0158

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und an den Lehrertagen könnte der Gedanke weiter getragern werden,
und auch für die Denkmalpflege könnten Wanderredner aufgeboten
werden, wie man sie ja schon auf anderen Gebieten, besonders in der
Landwirtschaft erfolgreich verwendet hat. Daß man auch die deutschen
Lesebücher für die Sache der Denkmalpflege benützen sollte, erscheint eben-
so selbstverständlich, wie daß in jedem Hefte der deutschen Jnventari-
sationswerke ein Hinweis auf die Notwendigkeit pfleglicher Erhaltung
der alten Denkmäler enthalten sein müßte. Kurzum: nicht bloß Gesetz-
gebung brauchen wir, sondern auch Belehrung und Anregung nach allen
Seiten und in jeder nur möglichen Weise. Paul Schumann.

Sprecbsaal.

Subjektivität u. s. u>.

Der Kunstwart brachte vor kurzem über die Veränderung des Zeitschriften-
wesens eine so wichtige Betrachtung von seinem Herausgeber, daß cs vielleicht
nicht überflüssig ist, dem Thema noch von einer zweiten (ich will nicht gerade
sagen: andern) Seite gegenüberzutreten.

Die kulturhistorisch interessanten Erfolge der „Woche" wurden von
Avenarius abgeleitet aus der Verflachung des Zeitschriftenwesens und der
hierdurch im Publikum gepflegton Oberflächlichkeit. Hiermit sind gewiß neun
Zehntel aller Gründe erschöpft. Aber ich glaube, es bleibt ein lctztcs Zehntel
unbeachtet, und dieses letzte Zehntel will mir als ein sehr wesentliches erscheinen.

Jch müßte mich sehr irren, wenn nicht unter den Lesern (Lesern —
vielleicht sagt man hier besser: unter den Durchblätterern) der „Woche" mancher
wäre, der von böser Oberflächlichkeit des Charakters sonst nichts spüren läßt.
Man blättert in dem dummen Zeug, um sich zu erholen — nicht von dem
seichten, sondern von dem verlogen tiefsinnigen Teile unserer
Tagesliteratur.

Denn unsere Tagesliteratur kann heute nicht ohne weiteres mit derjenigen
der Gartenlauben-Periode herzensguten Angedenkens verglichen werden. Wir
haben heute zwci Arten Zeitschriften. Die einen haben offcnsichtlich das Garten-
laubenwesen so weit verflacht, daß die Leistungen der „Gutcn Stunde",
„Modcrnen Kunst' u. s. w. glattweg vor den Pöbel gehvren. Bei den andern
aber scheint es zunächst, als hätten sie den ernsten, belehrenden Teil der Garten-
laube weiter entwickelt; das sind die zahllosen Zeitschriften über Kunst und
Literatur und die Feuilletons der besseren Tagesblätter: sie trcten seit einer
nicht langen Reihe von Jahren mit Fragen vor das große Publikum, für die
sich früher nur engere Gemeinden fanden. Die Kunstfragen schwersten Kalibers,
Böcklin, Klinger, Thoma, Wagner, die Fragen der Literatur, die tiefsten Probleme
eines Nietzsche, die schwierigen Betrachtungen soziologischer Forscher — davon
lebt jetzt eine Zahl von Schriftstcllern, die groß genug ist, um Grauen ein-
zuflößen. Sollte nun das Jnteresse der Hörer, das Verständnis der Schreibcr,
sollto überhaupt die Zahl der vom inneren Bedürfnis gcführten Hörer und
Vortragenden plötzlich so gewachscn sein? Jch mache eine mcrkwürdige Be-
obachtung. Ueberall lese ich von Wagner, von Nietzsche, von Böcklin; zufüllig
kenne ich ihrc Werke selbst recht gründlich, aber, obwohl ich nicht mit Kamin-
fegcrn verkehrc, so komme ich im Verkehr allerhöchstens einmal in die Lage,
eine Frage nach einer Thatsache aus dcn Werken dieser Männer bchandelt
Aunstwart
 
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