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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1901)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu Böcklins Heimgang
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0419

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2u köcklins tzeimgarig.

Wir dcnken in die Zeiten seines Werdens zurück. Da malten die
Deutschen Ritter, Drachen und trauernde Könige, und man liebte die
Bilder, weil man Geschichten von Rittcrn, Trachcn und Königen lieüte.
Der junge Künstler, der Arnold Böcklin hieß, sing damals zu malen
an, malte aber andres, und niemand kümmerte sich drum. Wir Deutschen
änderten unsern Geschmack und malten Staatsaktionen, getreu in den
Rüstungen und effektvoll aufgcsärbt, Böcklin malte immer noch anders,
und nun gefiel das schon ziveicn odcr fünfen. Die Kunstmoden kamen
und gingen, Böcklin malte böcklinisch. Und nun war es schon so rveit,
dah sich drei Dutzend Mcnschen im Reich seiner freuten, fortan aber
ging es so schnell vvrwärts mit ihm, daß sich bald hundert Hunderte
über ihn ärgerten. Das war das Vorspicl des überraschenden Theater-
stücks, das man mit dcr grohen Böcklinausstellung eröffnete und das heiht:
Böcklin selbst als Mode. Wir wollen darauf nicht schelten — was auf
den Modcn daherschwimmt, diesen großen Ueberschwcmmungen, kommt
an Stellen, die kein Fluß bespült. Steht dort ein Empfänglicher, so
birgt er sich's und hebt es auf, wenn die Mode verläuft. Dem Werte
Böcklins fügt die Bücklin-Mode nichts zu, aber sic benimmt ihm auch
nichts. Er bliebc für die dcutsche Kultur lctzten Endes doch, ivas er ist,
auch wcnn noch Jahrzehnte vergangen wären, ehc man ihn gewürdigt
hätte. Für uns als Volk aber ist es cin Glück, dah es anders kam.

Wcnn immer noch dann und wann, verschleiert oder nackt, laut
bekannt oder nur still gedacht die Mcinung umgeht: cin Künstler habe
ebcn zu gebcn, mas cinen ersrcut und dcmnach, was man sehen mag
und habcn will, so widerlcgt die lcichten Köpfe von der Produktions-
und Konsumstheorie auch des Künstlcbcns keincr so schlagend, wie Böcklin.
Er, dcn wir jetzt alle ancrkcnncn geradezu als einen Bcglücker, wäre
das nie geworden. hätt' er uns nach den Augen gemalt, ist cr das nur
gewordcn, weil ihm der Wunsch des Publikums, dcr Geschmack seiner
Zeit, dcr Markt seiner Kunst ganz gleichgültig war. Tas hcrauszubannen,

Kmistwart I. Februarheft ^90^
 
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