Seinen hnngern. Mit dem Nachruhm,
denkt der Harmlose, kommt wcnigstens
den Hinterlassenen auch ein irdischer
Segen? Ach ncin, dreihig Jahr kann's
immer noch dauern, zumal wenn er
jung starb, und dann kommt der Segen
auf andre Leute, denn mit dcm Ur-
heberrechte ist's aus. So bei Hebbel,
Ludwig, Mörike.
Wcr spricht in unsrer Presse von
diesem Widersinn? Unsre Zeitungcn
wenigstens haben keinc Gedanken dafür
übrig. Das liegt zu sehr abseits, man
muh den neuesten Komödianten L la
moöe interviewen. Uns aber bestärken
alle Beobachtungen auch der jüngsten
Zeit darin, mit all unsern Kräften auf
eine Ergänzung nnsres Urheber-
rcchts hinzuarbeiten. Hoffcn wir zu-
nächst auf die Gocthestistung!
Nnsre Ooten und Lllder.
Wir haben im Kunstwart schon mehrmals aufFranz Schubcrts
Klavicrsonaten alS herrliche, viel zu wenig bekannte und gespielte Tonwcrke
hingcwiesen. Mit unscrn dicsmaligen Noten, einem Andante aus der zehnten
Sonate, möchten wir das Derlangen unserer musikalischen Leser nach „mehr"
wachrufen. Das tiefschwermütigc Stück, ein „lctzter Schubert", spricht für sich
stlbst seine unendlich gefühlvolle Sprache. Es ist so intim, daß man — um
mit Wagner zu sprechen — „sichs zur höchsten Ehre anrechnen muh, zum
Lau'chcn zugelassen zu wcrden", eine sühschmerzliche, innigc Träumerei. Nur
im rüstigen Mittelsatz stehen wir eine Zeit lang fest auf der Erde, bis uns die
Wiederkehr des Hauptsatzcs abermals von der Welt loslöst und in seinc trans-
szendentale Sphären entrückt.
Mit unscrn Bildcrn zeigen wir heut wieder einmal zwci Werke Walther
Leistikows, der sich mchr und mehr zu einem dcr echtesten und eigenartigstcn
Poeten unter den Landschastern entwickelt hat. Das erste Blatt, dic Nadierung,
die einen Spätnachmittag in der Kieferhaide schildcrt, bietet dem Vcrständnis
kcinc Schwicrigkeit, cs ist ein cinfach und groß gesehcncs und breit gcgebencs
ruhigcs Naturstimmungsbild. Nicht so schnell zcigt das zweite, dic „Wikinger",
lvas cs zu zeigen in sich hat. Wir habcn, wohl gleich dcm Künstler sclbst,
lange geschwankt, ob sich eine Reproduktion hier überhaupt wagen lasse, wo
dic frcudige, dic jubelnde Farbe so wesentlich mitspricht, aber wir machen den
Versuch, dcnn die Stimmung gcrade dieses Werkes ist nicht nur höchst eigen-
tümlich, ja vicllcicht cinzigartig, sondcrn auch überauS voll und stark — wenn
sich nur cinmal der Riegel öffnet. Mögcn unsrc Leser vcrsuchen, ob er's vor
dieser einsarbigen Rcproduktion schon thut- Mügen sie uersuchen, ob sich das
Liniengcwirr aus dcr Fläche da ihnen vcrwandelt in dic tauscndfach schimmernd
wogcndc Sce, versuchen, ob das Stück Heimat-Landschaft dahinten untcr dcm
Lachcn der Sonnc auch ihnen lachen will, versuchen, ob auch ihncn aus diescn
drollig-kecken Schiffcn da vorn dcr rauhe Gcsang dcr Gesellcn aufklingt, wie
uns. Dcnn uns ist das Original gerade dicscs Werks ein übcraus sprechendcr
Beweis dafür, dah gcradc durch das Stilisicrcn dic höchstcn Wirkungcn auch
scclischcr Geschlossenheit zu crreichen sind. Man darf nur ja nicht Stilisiercn
in solchcn Dingcn mit Schematisicrcn verwechseln. Das Schcmntisiercn treibt
das Lcbcn aus, indcm cs all dic Formen dcr Natur zum totcn „Mustcr"
macht, das Stilisicren hcbt aus dem Gleichgültigcn das hcrvor, was der Secle
dcS Künstlcrs vor dem andcrn wcrt ist, und spricht: sich und licbe cs init mir.
2. Novemberheft isoo
denkt der Harmlose, kommt wcnigstens
den Hinterlassenen auch ein irdischer
Segen? Ach ncin, dreihig Jahr kann's
immer noch dauern, zumal wenn er
jung starb, und dann kommt der Segen
auf andre Leute, denn mit dcm Ur-
heberrechte ist's aus. So bei Hebbel,
Ludwig, Mörike.
Wcr spricht in unsrer Presse von
diesem Widersinn? Unsre Zeitungcn
wenigstens haben keinc Gedanken dafür
übrig. Das liegt zu sehr abseits, man
muh den neuesten Komödianten L la
moöe interviewen. Uns aber bestärken
alle Beobachtungen auch der jüngsten
Zeit darin, mit all unsern Kräften auf
eine Ergänzung nnsres Urheber-
rcchts hinzuarbeiten. Hoffcn wir zu-
nächst auf die Gocthestistung!
Nnsre Ooten und Lllder.
Wir haben im Kunstwart schon mehrmals aufFranz Schubcrts
Klavicrsonaten alS herrliche, viel zu wenig bekannte und gespielte Tonwcrke
hingcwiesen. Mit unscrn dicsmaligen Noten, einem Andante aus der zehnten
Sonate, möchten wir das Derlangen unserer musikalischen Leser nach „mehr"
wachrufen. Das tiefschwermütigc Stück, ein „lctzter Schubert", spricht für sich
stlbst seine unendlich gefühlvolle Sprache. Es ist so intim, daß man — um
mit Wagner zu sprechen — „sichs zur höchsten Ehre anrechnen muh, zum
Lau'chcn zugelassen zu wcrden", eine sühschmerzliche, innigc Träumerei. Nur
im rüstigen Mittelsatz stehen wir eine Zeit lang fest auf der Erde, bis uns die
Wiederkehr des Hauptsatzcs abermals von der Welt loslöst und in seinc trans-
szendentale Sphären entrückt.
Mit unscrn Bildcrn zeigen wir heut wieder einmal zwci Werke Walther
Leistikows, der sich mchr und mehr zu einem dcr echtesten und eigenartigstcn
Poeten unter den Landschastern entwickelt hat. Das erste Blatt, dic Nadierung,
die einen Spätnachmittag in der Kieferhaide schildcrt, bietet dem Vcrständnis
kcinc Schwicrigkeit, cs ist ein cinfach und groß gesehcncs und breit gcgebencs
ruhigcs Naturstimmungsbild. Nicht so schnell zcigt das zweite, dic „Wikinger",
lvas cs zu zeigen in sich hat. Wir habcn, wohl gleich dcm Künstler sclbst,
lange geschwankt, ob sich eine Reproduktion hier überhaupt wagen lasse, wo
dic frcudige, dic jubelnde Farbe so wesentlich mitspricht, aber wir machen den
Versuch, dcnn die Stimmung gcrade dieses Werkes ist nicht nur höchst eigen-
tümlich, ja vicllcicht cinzigartig, sondcrn auch überauS voll und stark — wenn
sich nur cinmal der Riegel öffnet. Mögcn unsrc Leser vcrsuchen, ob er's vor
dieser einsarbigen Rcproduktion schon thut- Mügen sie uersuchen, ob sich das
Liniengcwirr aus dcr Fläche da ihnen vcrwandelt in dic tauscndfach schimmernd
wogcndc Sce, versuchen, ob das Stück Heimat-Landschaft dahinten untcr dcm
Lachcn der Sonnc auch ihnen lachen will, versuchen, ob auch ihncn aus diescn
drollig-kecken Schiffcn da vorn dcr rauhe Gcsang dcr Gesellcn aufklingt, wie
uns. Dcnn uns ist das Original gerade dicscs Werks ein übcraus sprechendcr
Beweis dafür, dah gcradc durch das Stilisicrcn dic höchstcn Wirkungcn auch
scclischcr Geschlossenheit zu crreichen sind. Man darf nur ja nicht Stilisiercn
in solchcn Dingcn mit Schematisicrcn verwechseln. Das Schcmntisiercn treibt
das Lcbcn aus, indcm cs all dic Formen dcr Natur zum totcn „Mustcr"
macht, das Stilisicren hcbt aus dem Gleichgültigcn das hcrvor, was der Secle
dcS Künstlcrs vor dem andcrn wcrt ist, und spricht: sich und licbe cs init mir.
2. Novemberheft isoo