clcgische Färbung. Nicht zu vcrgessen der Fähigkeit zu echtcn Adagios, dic in
der I'-moU-Mcsse überall durchbricht. Nn diesen Stil, namentlich was die
Behandlung von Chor gegen Orchester angeht, erinncrt das viel später, s8sq,
entstandene Tcdeum. Erreicht dcr Satz Zn te Oomine die größte
Gemütstiefe, so sind andere Teilc, gleich der Anfang, durch jene erhabene
Feierlichkeit und Begcistcrung gckennzeichnct, die in den Symphonieen so oft rvie
aus Pricsters Mund zu uns redet.
Die dritte Messe, angeblich nach der l'-mol! komponiert, und zwar für
achtstimmigcn Chor und Blas-Orchester, vollendct die Herrschaft dcs Dokalen
Der Chorsatz ist einfach herrlich. Ein gut protestantischer Organist war dcs
Lobes voll, als ich ihm die Kcnntnis dieser Messe vermittelte. Sie nimmt
nicht blotz in Bruckners Schaffen, sondern in der gesamten Chorliteratur eine
einzigartige Stellung ein. Die altcn Kirchcntonarten, von denen Berlioz und
Liszt ausgiebig Gcbrauch machtcn, werdcn sowohl in der O-moll-Messe, wie in
den viclcn klcincrcn Kirchcnwcrkcn, sehr spärlich bcnugt.
Weihnachtcn ist da: Alt und Jung gcht auf Entdeckungcn aus, um liebe
Menschcn zu beglücken. Nun dcnn, cntdeckt cinmal Meister Bruckner, und ihr
werdct dcr Dankbarkcit dcr Bcschcnktcn gewis; sein! Zu lcscn gibt's frcilich
»ur wcnig übcr Bruckner. Abcr wir habcn dic Noten — vergeht die Notcn nicht!
K. Grunsky.
kiullurarbeiten. 4.
Ltwas vom Taunenbaume.
Nach der Ucbcrschrift fürchte ich fast, dicsc Rcde werdc cinc rcchtc
Enttäuschnng sür unsere Lescr wcrdcn. Zu Weihnachr, nicht wahr, da
solltc man doch ein hohes Lied auf den Weihnachtsbaum, unsere dcntschc
Tanne, singen? Aber ich kann mir nicht helfcn: ich will heut kein hohes
Lied auf den guten Banm singen, sondern einmal von dcm Unfug reden,
der mit ihm gctricben werdcn kann.
Damit man mich nicht mißversteht: ich möchlc bei Leibe nicht etwa
unsern lieben Tanncnbäumcn dcn Krieg crklären. Ich habe eine grosze
Furcht vor Mißverstündinssen, dcnn man vcrsteht heutc so unglaublich
rasch und in vielcn Fällcn bcinahe sichcr falsch. Es ist ja auch begrciflich,
cs wird so viel gcschricbcn und behauplet, datz die Leute gar nicht Zeit
habcn, etwas hübsch auszulesen. Sic werfcn alio nur einen Blick hinein,
grcifcn irgend eincn Vordcrsatz, desscn Nachsag sic nicht gelcsen haben,
hcraus und bcnutzen ihn, um mit allcr ihrcr Ucbcrlegcnheit gegen etwas
zu Fclde zu zichcn, was dcm Vcrsasser auch nicht im Traume eingcfallen
ist, behaupten zu wollcn. Dcr Kunstwarl könntc wunderhübsche Beispiele
erzählen von Polcmik, dic mit Palhos und Ueberzcugung doch nur aus
diescr Ouclle geflossen ist, und ich sclbcr köumc eine ganze Blütenlcse
von Kritikcn übcr mrinc eigcnen Arbeitcn anführen, in denen ich eincr
durchaus schicfen Ansicht übcrsührt wcrde — cincr Ansicht, die zu wider-
legcn der Zwcck meiner cigeiicn Arbcit war. Und nun zurück zum
Taiinenbaum. Jch möchtc aus Schüdcn hinweiscn, dic durch Misjbrauch
dcs Matcrinls, diesmal dcs lcbendcn Matcrials dcr Tannc, cntstehen.
Dic Tannc ist nicht Schuld daran, sondcrn die Leutc sind's, die sie
misihandcln.
r. Dezcmberheft 1900
der I'-moU-Mcsse überall durchbricht. Nn diesen Stil, namentlich was die
Behandlung von Chor gegen Orchester angeht, erinncrt das viel später, s8sq,
entstandene Tcdeum. Erreicht dcr Satz Zn te Oomine die größte
Gemütstiefe, so sind andere Teilc, gleich der Anfang, durch jene erhabene
Feierlichkeit und Begcistcrung gckennzeichnct, die in den Symphonieen so oft rvie
aus Pricsters Mund zu uns redet.
Die dritte Messe, angeblich nach der l'-mol! komponiert, und zwar für
achtstimmigcn Chor und Blas-Orchester, vollendct die Herrschaft dcs Dokalen
Der Chorsatz ist einfach herrlich. Ein gut protestantischer Organist war dcs
Lobes voll, als ich ihm die Kcnntnis dieser Messe vermittelte. Sie nimmt
nicht blotz in Bruckners Schaffen, sondern in der gesamten Chorliteratur eine
einzigartige Stellung ein. Die altcn Kirchcntonarten, von denen Berlioz und
Liszt ausgiebig Gcbrauch machtcn, werdcn sowohl in der O-moll-Messe, wie in
den viclcn klcincrcn Kirchcnwcrkcn, sehr spärlich bcnugt.
Weihnachtcn ist da: Alt und Jung gcht auf Entdeckungcn aus, um liebe
Menschcn zu beglücken. Nun dcnn, cntdeckt cinmal Meister Bruckner, und ihr
werdct dcr Dankbarkcit dcr Bcschcnktcn gewis; sein! Zu lcscn gibt's frcilich
»ur wcnig übcr Bruckner. Abcr wir habcn dic Noten — vergeht die Notcn nicht!
K. Grunsky.
kiullurarbeiten. 4.
Ltwas vom Taunenbaume.
Nach der Ucbcrschrift fürchte ich fast, dicsc Rcde werdc cinc rcchtc
Enttäuschnng sür unsere Lescr wcrdcn. Zu Weihnachr, nicht wahr, da
solltc man doch ein hohes Lied auf den Weihnachtsbaum, unsere dcntschc
Tanne, singen? Aber ich kann mir nicht helfcn: ich will heut kein hohes
Lied auf den guten Banm singen, sondern einmal von dcm Unfug reden,
der mit ihm gctricben werdcn kann.
Damit man mich nicht mißversteht: ich möchlc bei Leibe nicht etwa
unsern lieben Tanncnbäumcn dcn Krieg crklären. Ich habe eine grosze
Furcht vor Mißverstündinssen, dcnn man vcrsteht heutc so unglaublich
rasch und in vielcn Fällcn bcinahe sichcr falsch. Es ist ja auch begrciflich,
cs wird so viel gcschricbcn und behauplet, datz die Leute gar nicht Zeit
habcn, etwas hübsch auszulesen. Sic werfcn alio nur einen Blick hinein,
grcifcn irgend eincn Vordcrsatz, desscn Nachsag sic nicht gelcsen haben,
hcraus und bcnutzen ihn, um mit allcr ihrcr Ucbcrlegcnheit gegen etwas
zu Fclde zu zichcn, was dcm Vcrsasser auch nicht im Traume eingcfallen
ist, behaupten zu wollcn. Dcr Kunstwarl könntc wunderhübsche Beispiele
erzählen von Polcmik, dic mit Palhos und Ueberzcugung doch nur aus
diescr Ouclle geflossen ist, und ich sclbcr köumc eine ganze Blütenlcse
von Kritikcn übcr mrinc eigcnen Arbeitcn anführen, in denen ich eincr
durchaus schicfen Ansicht übcrsührt wcrde — cincr Ansicht, die zu wider-
legcn der Zwcck meiner cigeiicn Arbcit war. Und nun zurück zum
Taiinenbaum. Jch möchtc aus Schüdcn hinweiscn, dic durch Misjbrauch
dcs Matcrinls, diesmal dcs lcbendcn Matcrials dcr Tannc, cntstehen.
Dic Tannc ist nicht Schuld daran, sondcrn die Leutc sind's, die sie
misihandcln.
r. Dezcmberheft 1900