Stacheldrahtzaun schließt der fünf Meter hohe Thorbogen ab. Kann
ein Mensch enträtseln, wozu all die hölzernen Sachen oben drüber sind?
Eine Einfahrt durch eine hohe Einfriedigung ist's nicht, sonstigen Sach-
zwecken kann's auch nicht dienen. Also wird's wohl Verzierung sein
sollen, welche lediglich „verschönt"'. Datz diese „Verschönerung" billig
sei, wird niemand glauben. Da aber dieserlei im Dutzend billiger ist,
hat man gleich noch ein zweites Monuinent hingesetzt, obgleich noch kein
Haus da steht und weiter unten noch ein drittes und viertes. Leser,
nenne mir die Gefühle, die Stacheldrahtzaun und Holzkunst in dir aus-
lösen.
Beim Betrachten unserer heutigen Kultur und der früheren wird
man immer und immer wieder zu der Frage kommen: ob denn dem
heutigen Geschlecht nicht allein jede Phantasie, sondern auch jedes Streben
nach feinerem Lebensgenuß abhanden gekommen sei? Man will einen
Sitzplatz schaffen. Dann kauft man eine eiserne Bank, ohne seine
Augen dabei zu verwenden, und stellt sie mit derselben Liebe, mit der
man den Einkauf besorgt, irgendwohin. Man suche nach Plätzen, die
das vorvorige Jahrhundert oder die erste Hälfte des neunzehnten an-
gelegt hat. Noch gibt es einige. Abb. zeigt einen davon. Vor
dem Hause, um die Linde herum ist der Platz gezimmert, auf der Ter-
rasse, die den Blick ins Thal hat. Zu der Nüchternheit des anderen
Bildes ist nichts zu bemerken, autzer, datz die Löcher in der Mauer eine
Verzierung bedeuten sollen, um sie „gefälliger" zu „gestalten". Auch
das wird in Baugewerkeschulen gelehrt.
Paul S ch u ltz e-N a um bur g.
Lose Klätter.
Aus Gustav Falkes „Mann in» Nebel".
Wir Deutschen haben nicht viele Bücher, deren eigentliches Wesen sich in
der Feinheit ihrer Seelenschilderungen bethätigt; wir haben wenige Dichter, die
gerade diese Schönheiten zu bilden streben, wir haben wenige Leser, die nach
ihnen suchen. Auch da, wo wir nicht vom stofflichen Jnteresse, sondern vom
künstlerischen bewegt werden, d. h. von dem Wunsche, das Leben von innen zu
sehn, lieben wir selten die „leisen" Bücher, die ungestörte volle Hingabe er-
heischen. Aber es sind doch unter uns Männer und Frauen, die nach solchen
leisen Büchern verlangen. Jhnen empfehlen wir hiermit eines: Gustav Falkes
„Mann im Nebel", bei Janssen in Hamburg erschienen. Es ist ein nordisches
Buch; wer an den Skandinaviern vom Geschlecht der Jacobsen Gefallen findet,
der wird ihm innerlich nahe kommen. Breite Erfolge können solchcn Büchern
nie zufallen, aber wir wünschten doch, sie hätten mehr Geschwister in Deutschland.
Sie haben meist nur Vettern aus einer kränklichen Nebenlinie.
Da lebt ein Schriftsteller Gerd Gerdsen, der müchte sich vom nüchternen
Realismus abwenden, um seinen „Pan-Roman" zu schreiben, ein Buch, in dem
er sich nach allen Seiten recht ausgeben kann. Einen Gegenstand hat er: seinen
Freund Randers, der jetzt, wo er eine Erbschaft gemacht hat, „ausgerissen" ist
aufs Land, um nun zehn Jahre lang ganz er selbst zu sein, ohne sich viel ums
Später zu kümmern. Und Randers geht darauf ein, Modell zu stehn. Er
schickt dem Freunde Briefe, Tagebuchblätter, Skizzen, Daten. Und er sagt ihm
selber, wie er ihn schildern soll. „Legen Sie bei Jhrem Helden besonderes Ge-
ttanslwurl
ein Mensch enträtseln, wozu all die hölzernen Sachen oben drüber sind?
Eine Einfahrt durch eine hohe Einfriedigung ist's nicht, sonstigen Sach-
zwecken kann's auch nicht dienen. Also wird's wohl Verzierung sein
sollen, welche lediglich „verschönt"'. Datz diese „Verschönerung" billig
sei, wird niemand glauben. Da aber dieserlei im Dutzend billiger ist,
hat man gleich noch ein zweites Monuinent hingesetzt, obgleich noch kein
Haus da steht und weiter unten noch ein drittes und viertes. Leser,
nenne mir die Gefühle, die Stacheldrahtzaun und Holzkunst in dir aus-
lösen.
Beim Betrachten unserer heutigen Kultur und der früheren wird
man immer und immer wieder zu der Frage kommen: ob denn dem
heutigen Geschlecht nicht allein jede Phantasie, sondern auch jedes Streben
nach feinerem Lebensgenuß abhanden gekommen sei? Man will einen
Sitzplatz schaffen. Dann kauft man eine eiserne Bank, ohne seine
Augen dabei zu verwenden, und stellt sie mit derselben Liebe, mit der
man den Einkauf besorgt, irgendwohin. Man suche nach Plätzen, die
das vorvorige Jahrhundert oder die erste Hälfte des neunzehnten an-
gelegt hat. Noch gibt es einige. Abb. zeigt einen davon. Vor
dem Hause, um die Linde herum ist der Platz gezimmert, auf der Ter-
rasse, die den Blick ins Thal hat. Zu der Nüchternheit des anderen
Bildes ist nichts zu bemerken, autzer, datz die Löcher in der Mauer eine
Verzierung bedeuten sollen, um sie „gefälliger" zu „gestalten". Auch
das wird in Baugewerkeschulen gelehrt.
Paul S ch u ltz e-N a um bur g.
Lose Klätter.
Aus Gustav Falkes „Mann in» Nebel".
Wir Deutschen haben nicht viele Bücher, deren eigentliches Wesen sich in
der Feinheit ihrer Seelenschilderungen bethätigt; wir haben wenige Dichter, die
gerade diese Schönheiten zu bilden streben, wir haben wenige Leser, die nach
ihnen suchen. Auch da, wo wir nicht vom stofflichen Jnteresse, sondern vom
künstlerischen bewegt werden, d. h. von dem Wunsche, das Leben von innen zu
sehn, lieben wir selten die „leisen" Bücher, die ungestörte volle Hingabe er-
heischen. Aber es sind doch unter uns Männer und Frauen, die nach solchen
leisen Büchern verlangen. Jhnen empfehlen wir hiermit eines: Gustav Falkes
„Mann im Nebel", bei Janssen in Hamburg erschienen. Es ist ein nordisches
Buch; wer an den Skandinaviern vom Geschlecht der Jacobsen Gefallen findet,
der wird ihm innerlich nahe kommen. Breite Erfolge können solchcn Büchern
nie zufallen, aber wir wünschten doch, sie hätten mehr Geschwister in Deutschland.
Sie haben meist nur Vettern aus einer kränklichen Nebenlinie.
Da lebt ein Schriftsteller Gerd Gerdsen, der müchte sich vom nüchternen
Realismus abwenden, um seinen „Pan-Roman" zu schreiben, ein Buch, in dem
er sich nach allen Seiten recht ausgeben kann. Einen Gegenstand hat er: seinen
Freund Randers, der jetzt, wo er eine Erbschaft gemacht hat, „ausgerissen" ist
aufs Land, um nun zehn Jahre lang ganz er selbst zu sein, ohne sich viel ums
Später zu kümmern. Und Randers geht darauf ein, Modell zu stehn. Er
schickt dem Freunde Briefe, Tagebuchblätter, Skizzen, Daten. Und er sagt ihm
selber, wie er ihn schildern soll. „Legen Sie bei Jhrem Helden besonderes Ge-
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