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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 3 (1. Novemberheft 1900)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0121

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wicht auf den aristokratischen Tik. Und auf die Natur! Erklären Sie beides
aus seinem ästhetischen Genußtrieb heraus. Die Kunst erst in dritter Linie,
es fehlt ihm dazu an innerer Berufung. Er ist nur ästhetischer Genüßling.
Der Natur gegenüber reicht das ja aus, daher fühlt er sich bei ihr am
wohlsten. Beim Weibe ist es damit nicht gethan, das Weib verlangt »repro-
duktive Talente« vom Mann. Daher sein Fiasko beim Weibe, beim
vornehmen Weibe, das ihn allein ästhetisch reizt, das allein für ihn in
Betracht kommt." Man sieht, Randers kennt sich. Was er dem andern schickt,
das gibt nun die Hauptstücke der Charakteristik im Buch. Es konnte nicht besser
eingekleidet werden, als so, wo wir immer den leichten und doch so überaus
bezeichnenden Zug von männlicher Koketterie und Selbstbespiegelung verspüren,
der darin liegt, daß er es überhaupt schickt. Randers spricht gern von sich,
nur wenn's ganz ernst wird, hört das auf. Falkes eigene Erzählung gibt sich
gleichsäm nur als verbindenden Text, ist aber freilich dem Wesen nach mehr.
Falke hat mit diesem „Mann im Nebel" eine für unsre Kultur ganz tppische
Gestalt gezeichnet. Und mehr als „gezeichnet", er macht uns teilhaftig der
Stimmungen dessen, den wir da beobachten; sein Werk ist Dichtung.

Man höre ein paar Bruchstücke daraus, zunächst eines aus der Zeit^
da Randers im Schloß an der Ostsee Gast ist, beim Grafen und seiner schönen
Tochter Fides.

Ein paar warme, weiche Regentage kamen, und Randers war in bester
Laune. Es war, als hätte ihm nur dieser Regen gefehlt.

Der Himmel war gleichmäßig bewölkt, alles Laub feucht und glänzend.
Beständig tröpfelte es von den Bäumen, von den Hecken, hing in tausend
blitzenden Perlen an den Gräsern, an den Aehren, die noch ungeschnitten auf
den Feldern standen, und an den Aehren, die schon in Garben zusammengehockt
waren. Und die Rosen im Park wußten nicht wohin mit all dem Naß, neigten
sich und ließen es in großen, schweren Tropfen auf die schwarzen Beete fallen.
Und von dem vorspringenden Dach der Veranda tröpfelte es in ungleichem
RhythmuS auf die Steinstufen der Gartentreppe, gluckste in der Negentraufe
und plätscherte aus der Traufe in die große Tonne.

Randers hatte seinen Stuhl dicht an die Treppe gerückt, saß vornüber ge-
beugt, die Hände zwischen den Knieen gefaltet, und trank diese weiche Regen-
musik mit entzücktem Ohr. Er war ganz glücklich in einer sanften, zufriedenen,
dankbaren Stimmung.

Er war nun schon zwei Tage im Schloß. Sie hatten ihn bei diesem
Wetter durchaus nicht in sciner armseligen Behausung lassen wollen- Er hatte
endlich die Einladung wenigstens sür einen Tag angenommen und war dann
doch für die Nacht geblieben. Und welch eine Nacht!

Er hatte sie halb am ossenen Fenster verträumt, voll von den Gesprächen
des Abends, voll von den Glockenlauten ihrer Stimme und erhellt von dem
Lichte ihrer Augen.

Sie hatten über die Besucher gesprochen, über den Segelsport, und er
war wieder in seine nautische Schwärmerei verfallen und war wieder auf seine
Kapitänsaristokratie im besonderen und auf den Adel im allgemeinen ge-
kommen. Er hatte eine Lanze gebrochen für die Geschlechter gegen die plebe-
jische Masse, gegen diesen Mischmasch der Allzuvielen, ohne Tradition, ohne
Erziehung, ohne Kultur. Er war heftig und ungerecht geworden, so daß sie
ihm widersprachen. Warum er aristokratischer als sie selbst sein wolle?

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