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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1901)
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Koblinski, Max: Das Klassische Drama auf der modernen Bühne
DOI Artikel:
Batka, Richard: Die Musikalische "Moderne", [2]: die dramatische Tonkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0548

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Geschlecht der Bildungswert der klassischen Dichtnngen uicht hoch genng
anzuschlagen, nnd das Theater wäre berufen, die meist unzureichende
Anregung der Schule gerade in dieser Zeit der höchsten Empfänglichkeit
durch die Anschauung wahrhaft künstlerischer Darstellungen zu ergänzen.
Angesichts der herrschenden Stilverwirrung aber liegt für den Kunst-
freund die Frage nahe, ob es nicht besser wäre, wenn anstatt der
schlechten Klassiker-Vorstellungen überhaupt keine mehr stattfänden,
und die Schöpfungen der großen Dichter der Lektüre und der Rezi-
tation überlassen würden. Die Resignation dieser wahrlich nicht leicht-
sinnig aufgeworfenen Frage ist voll berechtigt. Wenn die Antwort
dennoch verneinend ausfallen muß, so liegt das daran, daß wir das
klassische Drama auf der Bühne trotz aller Theatermißstände noch gar
nicht entbehren können, wenn wir überhaupt wünschen, daß der drama-
tischen Kunst der Charakter eincr Feiertagskunst gewahrt bleibe. Von
der faden Unterhaltungsdramatik der unsere Bühnen beherrschenden Lust-
spiele Blumenthals und Kadelburgs sei hier nicht gesprochen. Aber auch
das moderne Schauspiel hat es nur mit wenigen Ausnahmcn zu einem
großen Stile gebracht. Die in der Gegenwart bemerkbare Hinneigung
zum Mystischen und zu der willkürlichen Spielerei der romantischen Schule
entspringt sicherlich zum guten Teil der Empfindung dieses Mangcls.
So lange jedoch der große Stil fehlt, das heißt: so lange die Dichtung
nicht anstatt impressionistischer Eiuzelzüge, anstatt feiner Stimmungs-
malerei und breiter Detailschilderung den verdichteten Lebensgehalt der
Zeit in großzügigen und bezeichnenden dramatischen Gemälden zu geben
vermag, so lange wird sie auch auf dem Theater nicht die vom Alltag
erlösende Feiertagsstimmung erreichen, die das Kennzeichen der hohen
Kunst ist. Bis dahin aber können wir der alten Werke auch auf der
Bühne nicht entbehren, wir müssen sie vielmehr darauf erhalten in der
Hoffnung, daß bei einer Veränderung des bestehenden Bühnenwesens
auch ihnen einmal eine wahrhaft stilgerechte, d. h. wahrhaft künstlerische
Wiederbelebung beschieden sein werde. Max Aobliuski.

vie rnusikaliscke „Moclerne".

2. Die dramatische Tonkunst.

Das zweite Kapitel der Seidlschen Schrift ist der dramatischen
Musik unserer Zeit gewidmet, nur in der Mitten begibt er sich mit
ein paar Seiten auf das Gebiet der Jnstrumentalmusik. Diesen mit
ziemlicher Willkür hier eingeschalteten Teil dürfen wir zum Zwecke des
besseren Zusammenhangcs vorderhand ruhig beiseite lassen, um uns auf
dcn Hauptinhalt zu werfen, der durch die Namen Humperdiuck, Thuille,
Richard Strauß gekennzeichnct ist und ausführlich erörtert, wie mit den
„Königskindern" der erste Vorstoß ans der Sphäre der Wagnerschen
Kunstform versucht wurde, wie „Lobetanz", auf diesem Wege fort-
schreitend, das sezessionistische Singspiel begründet habe und daß im
„Guntram" der moderne, individualistische Geist zum erstenmale zum
entschiedenen Durchbruche gelangt sei. Also: Königskinder, Lobetanz,
Guntram — der eiuzige Ertrag der neueren dramatischeu Muse von
Bedeutung? S o mager würen unsere Errungenschaften neben Wagner
und über ihn hinaus? Zugegeben, daß Seidl keine vollständige Ge-
Aunstwart

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