das Wort überraschon wird: äslhe-
tische Kultur. Acsthctischc Kultur
verlangt bcwutzt oder unbewußt aber
immer und überall Zusammcntrefscn
der Erschcinung mit dcm Gehalt, Kenn-
zeichnung, heißt das, des Was durch
das Wie. Acsthetische Kultur vcrlangt,
daß dic Form nie hohl sei, sondcrn
immcr die Umgrenzung desscn, was
ist. Aesthelische Kultur ist deshalb einc
mächlige Erziehcrin zur Wahrhaftigkcit
und damit zur Sittlichkcit. Wie langc
wird es dauern, bis sie in dicser
ihrer Bedeutung allgemein erkannt
sein wird?
Unsre k^olen unä kiläer.
Wir bringcn als Musikbeilagc diesmal cincn Kanon von Atozarl,
ein köstlichcs Stück, das nur dic Allcrwenigstcn kcnnen. Sogar Jahn in seincr
Mozartbiographic hat cs noch übcrsehen, denn es isl nur in einem Lehrbuche
von Albrechtsbcrgcr überlicfert. mil der folgcnden Bcmcrkung: ,Wenn man
diescs kanonischc Mcisterwerl gcnau zergliedcrt, so ergibt sich, daß selbes
aus n, iw schönstcn harmonischcn Flussc ancinander gereihten Thcmatcn
konstruicrt ist. Dabei erscheint jcdcs neu cintrelende also kunstreich gcwendct,
daß cs die vorhergegangcncn, nur durch cincn Takl von einander gctrcnntcn,
in imunterbrochcner Rcihcnfolgc über und untcr sich duldct; ja, die licf cm-
pfundene, höchst scntimentale Melodie spinnt also statig konscqucnt aus eincm
Fadcn sich fort, daß sogar die vicr Anfangsnoten des legten Motivs zuglcich
noch in der drittcn Stimme die Baß-Kadenz dcs Schluß-Akkordes bildcn."
Der Grund, wcshalb wir dicses Lied bringcn, liegt aber nicht so schr
in scincm thatsächlichen Ncuigkcitswcrr, und auch nicht nur in scincm allcrdings
bcwundernswürdigen Kunstwcrt, sondern auch darin, daß wir auf eincn sast
ganz abgestorbenen Zweig dcr Haudmusik aunncrksam machcn wollcn, der zu
Mozarts Zcitcn in den Wicncr Bürgcrshäuscrn noch gar srisch ergrüntc.
Das Singen kanonischer Liedcr gehörte vor cinem Jahrhundert zu dcn
beliebtesten gesellschaftlichcn Vcrgnügungen, und Mozart hat zu diescm Zwcck
cine Menge zum Tcil sehr lustiger Kanons geschricben. Ohne cinc llcbcr-
schätzung dcr imitatorischen Satzkunsl bciürworren zu wollcn, scheint es doch,
als ob man sic heutzutagc mchr als nötig untcrschätzc und den Sinn sür dic
ihr inncwohnenden Ncizc ganz cinzubüßcn ini Begrisse sei. Ta heißt es vor-
schützcn! Dcnu zu dcn Grundsätzcn eincr vernünfligen Kunstwirtschaft gchört
die Sorge, daß Bcrcicherungcn und Erwcitcrungen des Kunstgcbictes nicht
Vcrarmung und Schmälerungcn auf dcr enlgcgengcscglen Seite nach sich zichcn.
Doraus, daß dcr Kanon nicht dic höchslc Füllc dcs künstlcrischcn Ausdrucks
gestattet, solgt noch keincswcgs das Recht, ihn völlig zu mihachten und aus
scinc cigcntümlichcn Vorzügc zu vcrzichtcn. Schr trcffcnd sngt Iahn: „Man
kann sich allc Tagc übcrzcngcn, daß Kinder und musikalisch wcnig gebildclc
Pcrsoncn an dicser strcngcn Form musikalischcr Kunslwerkc cin besondcrcs
Vcrgnügcn sindcn, wcil cS sic untcrhäll, wcnn bci dcr gcwisscrmaßcn cigcn
sinnigcn Konscaucnz, mil dcr jcdc cinzclnc Ttimmc ihrcn sclbsländigcn Gang
vcrfolgl, cin so wohl zusammcnslimmcndcs, harmonisch ! csricdigcndes Ganzc
cntstcht. Für dcn cinigcrmaßcu Kundigcn kommt das Fmcrcssc hinzu, wclchcs
dic gcschickle Handhabung cincr durch dic allcrslrrngslcn Rcgcln bcdingtc» Jorm
gcwahrt, durch wclchc ganz vorzugSwcisc cpigrammalischc Poinlcn in dcr
schärsslcn Belcuchtung hervorlrclcn: sowic ja auch in dcr Poesie das Sonctl,
Februarheft ltzUl
tische Kultur. Acsthctischc Kultur
verlangt bcwutzt oder unbewußt aber
immer und überall Zusammcntrefscn
der Erschcinung mit dcm Gehalt, Kenn-
zeichnung, heißt das, des Was durch
das Wie. Acsthetische Kultur vcrlangt,
daß dic Form nie hohl sei, sondcrn
immcr die Umgrenzung desscn, was
ist. Aesthelische Kultur ist deshalb einc
mächlige Erziehcrin zur Wahrhaftigkcit
und damit zur Sittlichkcit. Wie langc
wird es dauern, bis sie in dicser
ihrer Bedeutung allgemein erkannt
sein wird?
Unsre k^olen unä kiläer.
Wir bringcn als Musikbeilagc diesmal cincn Kanon von Atozarl,
ein köstlichcs Stück, das nur dic Allcrwenigstcn kcnnen. Sogar Jahn in seincr
Mozartbiographic hat cs noch übcrsehen, denn es isl nur in einem Lehrbuche
von Albrechtsbcrgcr überlicfert. mil der folgcnden Bcmcrkung: ,Wenn man
diescs kanonischc Mcisterwerl gcnau zergliedcrt, so ergibt sich, daß selbes
aus n, iw schönstcn harmonischcn Flussc ancinander gereihten Thcmatcn
konstruicrt ist. Dabei erscheint jcdcs neu cintrelende also kunstreich gcwendct,
daß cs die vorhergegangcncn, nur durch cincn Takl von einander gctrcnntcn,
in imunterbrochcner Rcihcnfolgc über und untcr sich duldct; ja, die licf cm-
pfundene, höchst scntimentale Melodie spinnt also statig konscqucnt aus eincm
Fadcn sich fort, daß sogar die vicr Anfangsnoten des legten Motivs zuglcich
noch in der drittcn Stimme die Baß-Kadenz dcs Schluß-Akkordes bildcn."
Der Grund, wcshalb wir dicses Lied bringcn, liegt aber nicht so schr
in scincm thatsächlichen Ncuigkcitswcrr, und auch nicht nur in scincm allcrdings
bcwundernswürdigen Kunstwcrt, sondern auch darin, daß wir auf eincn sast
ganz abgestorbenen Zweig dcr Haudmusik aunncrksam machcn wollcn, der zu
Mozarts Zcitcn in den Wicncr Bürgcrshäuscrn noch gar srisch ergrüntc.
Das Singen kanonischer Liedcr gehörte vor cinem Jahrhundert zu dcn
beliebtesten gesellschaftlichcn Vcrgnügungen, und Mozart hat zu diescm Zwcck
cine Menge zum Tcil sehr lustiger Kanons geschricben. Ohne cinc llcbcr-
schätzung dcr imitatorischen Satzkunsl bciürworren zu wollcn, scheint es doch,
als ob man sic heutzutagc mchr als nötig untcrschätzc und den Sinn sür dic
ihr inncwohnenden Ncizc ganz cinzubüßcn ini Begrisse sei. Ta heißt es vor-
schützcn! Dcnu zu dcn Grundsätzcn eincr vernünfligen Kunstwirtschaft gchört
die Sorge, daß Bcrcicherungcn und Erwcitcrungen des Kunstgcbictes nicht
Vcrarmung und Schmälerungcn auf dcr enlgcgengcscglen Seite nach sich zichcn.
Doraus, daß dcr Kanon nicht dic höchslc Füllc dcs künstlcrischcn Ausdrucks
gestattet, solgt noch keincswcgs das Recht, ihn völlig zu mihachten und aus
scinc cigcntümlichcn Vorzügc zu vcrzichtcn. Schr trcffcnd sngt Iahn: „Man
kann sich allc Tagc übcrzcngcn, daß Kinder und musikalisch wcnig gebildclc
Pcrsoncn an dicser strcngcn Form musikalischcr Kunslwerkc cin besondcrcs
Vcrgnügcn sindcn, wcil cS sic untcrhäll, wcnn bci dcr gcwisscrmaßcn cigcn
sinnigcn Konscaucnz, mil dcr jcdc cinzclnc Ttimmc ihrcn sclbsländigcn Gang
vcrfolgl, cin so wohl zusammcnslimmcndcs, harmonisch ! csricdigcndes Ganzc
cntstcht. Für dcn cinigcrmaßcu Kundigcn kommt das Fmcrcssc hinzu, wclchcs
dic gcschickle Handhabung cincr durch dic allcrslrrngslcn Rcgcln bcdingtc» Jorm
gcwahrt, durch wclchc ganz vorzugSwcisc cpigrammalischc Poinlcn in dcr
schärsslcn Belcuchtung hervorlrclcn: sowic ja auch in dcr Poesie das Sonctl,
Februarheft ltzUl