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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 9 (1. Februarheft 1901)
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Avenarius, Ferdinand: Zu Böcklins Heimgang
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Schultze-Naumburg, Paul: Vom Schaffen eines Malers: persönliches und Allgemeines
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0422

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nach der Natur zum Ausdrucke der Menschenseele, zur Mitteilung vom
Jch zum Jch reift Kunst.

Was Böcklin anrührte, das ward Geist. Kunst in diesem Sinn,
nordische, germanische, deutsche Kunst ist alles, was er geschaffen hat;
wie viel immer seiner Anregungen er im Süden holte, auch in dieser
stofflichen Beziehung war er nur ein Eroberer für deutschen Besitz. Wenn
unsre Kunst den Kampf mit fremden Mächten zu bestehen hat, mit
Fremdlingen jenseit unserer Grenzen und innerhalb ihrer, so wird sie
nirgends stärkere Waffen finden, als in Böcklins unvergänglichem Werk.

A.

Vom Ackaffen eiries Malers.

Persönliches und Allgeineines. *

Avenarius wünscht, den Lesern des Kunstwarts auch einmal etwas
von meinen Bildernzu zeigen und dabei mich selbst über das Entstehen
dieser Bilder als ein Beispiel- des Schaffens als Maler über-
haupt hören zu lassen. Es wäre unechte Bescheidenheit, wollt ich be-
haupten, ich käme diesem Wunsche nicht gerne nach. Denn es liegt schon
im Wesen des Schaffens selbst — dem Drange, dem zuerst nur inner-
lich Geschauten äußere Form zu geben —- der Wunsch, diese seine Welt-
auffassung den andern Mitmenschen zu übermitteln. Jch glaube nicht
recht an das „nur für sich selbst schaffen" oder könnte darin auch nur
mehr einen Mangel, als einen Vorzug erblicken.

Aber nicht leicht ist die Aufgabe, über die eigenen Arbeiten einen
begleitenden Text zu schreiben. Jch will versuchen, den Lcsern über die
Art der Entstehung dieser Bilder etwas zu erzählen, weil man sich von
diesem Prozeß oft irrige Vorstellungen macht.

Jch arbeite am Bilde selbst nie unmittelbar vor der Natur und
habe auch nur selten Studien von dem Ort selbst, den das Bild dar-
stellt. Denn in diesem letzteren erscheint der Ort meist sehr veründert,
in den meisten Fällen aber gibt es gar nicht einen bestimmten Ort, den
das Bild darstellte. Jch folge hierbei nicht etwa einer vorgefaßten Regel,
sondern der natürliche Werdegang meiner Arbeiten lüßt sie so entstehcn.

Zumeist ist dieser Werdegang folgender: ich sehe ein Stück Natur,
das in seiner Erscheinung sich in besonders hohem Grade deckt mit der
eigenen seelischen Grundstimmung, die mich zur Zeit grad beherrscht.
Für solche Harmonie haben wir verschiedene Worte. Gewöhnlich wür-
den wir sagen: das Stück Natur „gefällt uns" gut, macht eiuen ticfen
Eindruck auf uns. Grad so gut kann man auch sagen: wir sehen in
die Natur unser eigenes Jnnenleben hinein. Wescnsunterschiede bestehen
hierbei nicht. . Vor so einem Stück Natur entsteht dann der Wunsch, in
ihrem Abbild als Träger die Seelenstimmung dauernd im Bilde fest-
zuhalten und zwar in je höherem Grade je mchr diese einem den Schatz
des menschlichen Fühlens zu bereichern, zu erweitern scheint.

Jch versuche dann meist mit ganz wenigen Strichen das Wesent-
liche dicses Eindrucks rasch zu fixieren. Es ist wohl dabei eben die

* Brauchen wir unscrn Lesern ausdrücklich zu sagen, warum wir solche
Selbstbekenntnisse eines Malers gerade in diesem Heftc bringen, das Bvcklin
gewidmet ist? Sie werden ihre Folgcrungen auf Böcklins Schaffensweiso nach
dem Lesen des Aufsatzes selber ziehnl

Annstwaet
 
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