Fähigkeit des künstlerisch Begabten, im Moment die wichtigen Züge aus
der Natur herauszulesen, die wie zusammenschietzende Krystalle sofort
Stellung zu einander nehmcn. Diese ganz rasche Notiz, die ost nur
aus wenigcn Blcistiftstrichen besteht, wird mir persönlich meist die ein-
zige unmittelbare stoffliche Grundlage für mcin Bild.
Ganz sinnlos wäre es für meinen Zweck, spüter mit Malkasten
und Staffelei nochmals an den Ort zu ziehen, um dort „das Motiv"
zu malen. Denn, was dabei herauskäme, wäre etwas ganz anderes,
als was ich als zweckdienlich erwartete. Nur äuherst selten fände
man dort auch nur dieselben atmosphärischen Bedingungen (die
„Stimmung" im malerischen Sinne) wieder — handelt es sich um be-
sondcrs eigenartige, eigentümliche, kann man auch sagen: nie. Man
selbst befände sich aber auch in anderer seelischer Verfassung, Vorbereitung,
und deshalb würde man andere Eindrücke haben, die dcr Einheitlichkeit
des crsten grohen starken Bildgedankens nur Abbruch thun würden. Zu-
mcist würde man vor der Natur irgendwelche nüchterne Alltagsstimmung
auf die Leinwand bringen und würde, wenn man dann dcn Schaden zu
Haus besähe, im besten Falle merken, datz man nichts davon brauchen kann.
Leute, dic nicht recht logisch denken können und nicht durch Erfahrung sich
belehren lassen, werfen dann gewöhnlich ihre ursprüngliche Absicht um,
da sie meinen, datz die genaue Studie doch „Recht hütte". Die Ne-
sultate sind dann jene langweiligen braven großcn Studien, die unserc
Ausstellungen füllen und sich Vilder nennen.
Aber die Studie hat nicht Recht, sondern das grotze starke inner-
liche Erlcbnis vor der Natur in jenem einen Moment, der Ausdruck
jener gehobcncn Stimmung einiger Minuten hat Necht, hat dic Berech-
tigung, datz sie dcr Menschheit mitgeteilt werdc.
Jch meidc deshalb, wenn ich es kann, dcn Ort, wo dieses innerc
Erlebnis gcgenübcr der Natur stattsand. Denn dieser Eindruck ist ja
seitdem nicht fossil geblicben, sondern hat sich seit der Befruchtung
nach alten Lebensgesetzen entwickelt.
Der erste Eindruck war noch ein ganz vager, allgemeiner. Wie
im Schöpfungsnebel wallcn Formen und Farben aus und nieder. Solche
Momente sind ja ziemlich häufig und nicht alle, um im Bilde zu bleiben,
führen zu einer wirklichen Befruchtung, die glücklich zu einem geistigen
Kinde auswächst. Jst dies abcr der Fall, so beginnt im Bewußten und
im Unbewutzten cine intensive Geistesarbeit. Jch lebe in dieser einen
Stimmung. Schon beim Nachhauseweg sangen die einzelnen Dinge an,
sich zu ordnen. Die kats. morA-ina vcrdichtct sich zu klar anschaulichen Ge-
bilden, bis nach einer gewissen Zeit das innerlich geschaute Bild fertig
ist. Wollte ich nun hiernach noch einmal vor die Natur gehen und
jencs auch nur mit den stofflich dort vorhandenen Formen vergleichen,
so wttrdc ich dabei nichts als einc grotzc Enttäuschung erlciden. Denn
(und dics ist das Zwcitc:) ich bin mit der Erinncrung an den Natur-
eindruck ziemlich schonungslos umgegangen. Nicht etwa willkttrlich.
Sondcrn die lokale Anordnung der Tinge damals in der Natur war
eine zusülligc, wührend die im inncrlich geschautcn Bildc cine aus
innercr Notwcndigkcit des Ausdrucks heraus gcwähltc ge-
wordcn ist. Beim optischcn Sehcn vor der Natur damals haben cbcn
nur die Dinge, die zum Ausdruck dientcn, einen starlen und deshalb
N Fcbruarheft tMl
der Natur herauszulesen, die wie zusammenschietzende Krystalle sofort
Stellung zu einander nehmcn. Diese ganz rasche Notiz, die ost nur
aus wenigcn Blcistiftstrichen besteht, wird mir persönlich meist die ein-
zige unmittelbare stoffliche Grundlage für mcin Bild.
Ganz sinnlos wäre es für meinen Zweck, spüter mit Malkasten
und Staffelei nochmals an den Ort zu ziehen, um dort „das Motiv"
zu malen. Denn, was dabei herauskäme, wäre etwas ganz anderes,
als was ich als zweckdienlich erwartete. Nur äuherst selten fände
man dort auch nur dieselben atmosphärischen Bedingungen (die
„Stimmung" im malerischen Sinne) wieder — handelt es sich um be-
sondcrs eigenartige, eigentümliche, kann man auch sagen: nie. Man
selbst befände sich aber auch in anderer seelischer Verfassung, Vorbereitung,
und deshalb würde man andere Eindrücke haben, die dcr Einheitlichkeit
des crsten grohen starken Bildgedankens nur Abbruch thun würden. Zu-
mcist würde man vor der Natur irgendwelche nüchterne Alltagsstimmung
auf die Leinwand bringen und würde, wenn man dann dcn Schaden zu
Haus besähe, im besten Falle merken, datz man nichts davon brauchen kann.
Leute, dic nicht recht logisch denken können und nicht durch Erfahrung sich
belehren lassen, werfen dann gewöhnlich ihre ursprüngliche Absicht um,
da sie meinen, datz die genaue Studie doch „Recht hütte". Die Ne-
sultate sind dann jene langweiligen braven großcn Studien, die unserc
Ausstellungen füllen und sich Vilder nennen.
Aber die Studie hat nicht Recht, sondern das grotze starke inner-
liche Erlcbnis vor der Natur in jenem einen Moment, der Ausdruck
jener gehobcncn Stimmung einiger Minuten hat Necht, hat dic Berech-
tigung, datz sie dcr Menschheit mitgeteilt werdc.
Jch meidc deshalb, wenn ich es kann, dcn Ort, wo dieses innerc
Erlebnis gcgenübcr der Natur stattsand. Denn dieser Eindruck ist ja
seitdem nicht fossil geblicben, sondern hat sich seit der Befruchtung
nach alten Lebensgesetzen entwickelt.
Der erste Eindruck war noch ein ganz vager, allgemeiner. Wie
im Schöpfungsnebel wallcn Formen und Farben aus und nieder. Solche
Momente sind ja ziemlich häufig und nicht alle, um im Bilde zu bleiben,
führen zu einer wirklichen Befruchtung, die glücklich zu einem geistigen
Kinde auswächst. Jst dies abcr der Fall, so beginnt im Bewußten und
im Unbewutzten cine intensive Geistesarbeit. Jch lebe in dieser einen
Stimmung. Schon beim Nachhauseweg sangen die einzelnen Dinge an,
sich zu ordnen. Die kats. morA-ina vcrdichtct sich zu klar anschaulichen Ge-
bilden, bis nach einer gewissen Zeit das innerlich geschaute Bild fertig
ist. Wollte ich nun hiernach noch einmal vor die Natur gehen und
jencs auch nur mit den stofflich dort vorhandenen Formen vergleichen,
so wttrdc ich dabei nichts als einc grotzc Enttäuschung erlciden. Denn
(und dics ist das Zwcitc:) ich bin mit der Erinncrung an den Natur-
eindruck ziemlich schonungslos umgegangen. Nicht etwa willkttrlich.
Sondcrn die lokale Anordnung der Tinge damals in der Natur war
eine zusülligc, wührend die im inncrlich geschautcn Bildc cine aus
innercr Notwcndigkcit des Ausdrucks heraus gcwähltc ge-
wordcn ist. Beim optischcn Sehcn vor der Natur damals haben cbcn
nur die Dinge, die zum Ausdruck dientcn, einen starlen und deshalb
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