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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 11 (1. Märzheft 1901)
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Avenarius, Ferdinand: Bitte, etwas ernsthafter!
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Bartels, Adolf: Was liest man in Deutschland?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0498

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Jm übrigen ist uns wegen der Gocthestiftung nicht bange. Jenscit
der Goethestiftung steht der Urheberschatz, der allem geistigen Schaffen
gewidmet ist. Und ob das Gesetz dasür einzutreten beginnt jetzt oder
später — der wird kommen, wenn nicht unsrc ganze natürliche Entmick-
lung ins Stocken gerät. A.

Mas Uest rnan in veulscfflancl?

Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, wic ivünschcnswert eine
Statistik dessen wäre, was man in Deutschland liest. Wie viel Pfnnd
Fleisch und Brot, wie viel Bicr und Branntwein auf den Kopf dcr
Beoölkcrung kommen, weitz man sehr genau und sorgt außcrdcm dafür,
datz keine Berfälschung der Nahrungsmittel stattsindct; mn die gcistigc
Nahrung des Volkes aber kümmert man sich kaum, obgleich doch auch
da eine Kontrolle sehr wünschenswert würe. Wohlverstandcn, ich wünschte
nicht etwa, datz die Polizei sich mit der Lcktüre dcs Volkes „bemengte"
und Bibliotheken zum Zweck der Konfiskation durchstöberte, aber die
Gebildeten könntcn sich wohl ein bißchcn mehr darum kümmcrn, was
ihre Volksgenossen geistig zu sich nehmen. Es hüngt die Zukunft des
Volkes doch auch mit davon ab.

Nicht allein jedoch über die Lektüre des „Volkes", auch übcr die
der .Gebildeten" möchte man unterrichtet sein, um den Geist der Zeit
und die Höhe des Geschmacks zu erkenncn. So war es ganz ancrkenncns-
wert, datz das „Literarische Echo" neulich cinc llmfrage bci fünfzig
Leihbiblioiheken und Lesezirkeln vcranstaltete, welches dic fünf bis
sechs m c i stb eg e h rt e n Bücher vom Herbst j899 bis Hcrbst 1900
waren. Das Ergebnis war leider nicht sehr erfreulich. „Als meist-
gclesene Autoren wurden bczeichnct (unter 28 Antworten): G. Frhr. von
Ompteda 2s mal, Ludwig Ganghofer s5mal, Natalg von Eschstruth
s2mal, Emil Zola sO mal, Leo Tolstoj 8mal, Ernst von Wolzogen
8mal. Als die meistgelesenen Bücher des Jahres ivurden bezcichnet
sunter 2s Antworten): Ompteda, -Epsen-, sgmal, Ganghofer, »Das
Schweigen im Walde«, sOmal, Zola, »Fruchtbarkcit«, 8mal, Tolstoj,
rAuferstehung-, 8mal, Wolzvgen, Das dritte Geschlccht::, 8mal,
Eschstruth, -Nachtschatten , 6mal. Autzer diescn sechs Büchern fanden
noch größere Stimmcuzahlen: L. Ganghofcr, »Ein Gottcslchen« (5),
H. von Kahlenberg, »Nirchcn sö), W. von Polenz, »Thekla Lüdekind--
(5), C. Viebig, »Das Weiberdorf« lö), P. K. Rosegger, »Erdsegcn« (ls).
Von den noch lebenden Schriftstellern der ältcren Generation wird
Spielhagen nur wenigc Malc aufgesührt, P. Heyse nie; von dcn Ver-
storbenen wcrden Gottfried Kcllcr, C. F. Meyer nicht cin einziges Mal
unter den Vielverlangten aufgcführt." Gcgen Ompteda uud sein „Eyscn"
ist natürlich nicht das geringste zu sagen, auch Polcnz' „Thckla Lüde-
kind", Ganghofers beide Bücher, Noseggers „Erdscgen" sind jedenfalls
ansländige Leklüre, und ohne Zola und Tolstoj geht's gegcnwürtig anch
nicht. Aber die Eschstruth, Wolzogen, Hans von Kahlenbcrg, selbst
Klara Viebig erscheinen mir doch sehr bcdenklich. Man sicht, ein grotzer
Teil des Leihbibliothekenpublikums will pikante Lektürc. Nun idcntifizicre
ich dieses Leihbibliothckenpublikum kcineswegs mit unscrn wahrhaft
Gebildeten, ich glaubc, datz in ihm die Frauenzimmer höhcrer und
niederer Kreise, die nichts zu thun haben, und die naschhaften Jünglinge
ttunstwart
 
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