überwicgcn. Jmmerhin, Gottsried Keller und Conrad Ferdinand Meyer,
deren Wcrke noch schr tcuer sind, mützten doch gerade in Leihbibliotheken
viel gelcsen, auch von Gcbildeten häufig geholt iverden. Dafi cs nicht
geschicht, ist kcin schönes Zeichen für die deutsche Kultur. Jm übrigen
sehe ich wiedcr, daß man gerade die Bücher häufig aus den Leih-
bibliotheken holt, welchc die Kritik als „gemein" abgelehnt hat, bei-
spielsweise Wolzogens „Drittes Geschlecht^ und Hans von Kahlenbergs
„Nixchen". Jch habe mich infolgedeisen entschlossen, „gemeine" Bücher,
also solche, bei denen das Bedcnkliche nicht durch große künstlerische
Vorzüge aufgewogcn wird, einsach nicht mehr zu besprcchen, da man
damit ja doch nur Reklame für sie macht, und möchte diejenigen mciner
Herren Kollegcn, dcncn gleich mir an oer Gesundheit dcs deutschen
Volkes gelegcn ist, auffordern, ebenso zu verfahrcn.
Auch cine Statistik darübcr, was dcr deutsche Arbeiter liest, ist vor
nicht langer Zeit crschiencn.* Es geht aus der Schri't vonPsannknche über-
zcugcnd hcrvor, daß dcr deutschc Arbeiter am liebsten naturwissenschaft-
liche Schriftcn licst, auch kulturhistorische recht gern, politische dagcgcn nicht
so häufig, wie man denkcn sollte. Die Bücher, die, in der Regel von
den Gewcrkschaftcn aus, zu ihrcr Verfügung stehen, sind meist gräßlich
einseitigcn Charaktcrs, gehörcn durchweg dcm Gebiete der „matcria-
listischcn Weltanschauung^ an, mit der die deutsche Wisscnschaft dcnn
doch, weiß Gott, sertig ist. Abcr der deutlche Arbciter ist jetzt vielfach —
ich lcugne gar nicht, zum Teil dank der Sozialdcmokratie — soweit,
daß cr ein wisscnschaftliches Buch lescn kann; es ist nun die Sache der
Gcbildctcn, dasür zu sorgen, daß er andere Bücher in die Hände
bekommt, als die vcraltetcn uus dcr Krast- und Stoffperiode. Trak-
tätlcin und obcrflächlichc „patriotischc" Schriftcn genügen freilich auch
nicht mchr, da täusche mnn sich nichr. Was die schöne Literatur anlangt,
so steht cs beim Arbcitcr nicht oicl, abcr doch etwas besscr als beim
bürgerlichcn Lcihbibliothckcnpublikum. Am meislen Beifall finden gebundene
Jahrgänge von Familicnzcitschriftcn wie dic „Gartcnlaube^ — ich nenne
die hier charaktcristische Zahl2255; dann solgt Zola mit ^55, I. Vcrne
mit 278, die Marlitt (!) mit 270, Gcrstäckcr mit 268, Heine mit 2(5,
Spiclhagcn mit (66, Auerbach mit (65, Frcytag mit (5st, Scott
mit (56, Hackländcr mit (55, G. Hauptmann (.Weber') mit (50,
Goethc mit (57, Zschocke mit (25, Suttner („Die Waffen nieder")
mit ((st, Sndcrmann mit ((2, Tchillcr mil (06, D. Walstcr (Soziale
Nomancj mit (0(. Klcincrc Zahlcn wcisen Neulcr, A. Dumas (.Drci
Mnskcticrc'), Shakcspcrc, W. Hauff , .Lichlcnstcin^,, Tolstoj, Freiligrath,
Lessing, Byron aus. Das ist auch nicht gcrade cinc erfreuliche Liste —
aus cinem andcrcn Vcrzcichnis gcht hervor, daß von Zola gcrade das
durch nnd durch rohe Werk „Multcr Erde' am meistcn gclescn wird —,
abcr immcrhin kann man mit Bcstimmlhcil sagcn, daß der Geschmack
dcs Arbeitcrpublikums mit lcichtcr Mühe gesund zu crhalten wärc.
Wenn Lculc wic Gcrstäckcr, Frcytag, Scott, Hackländer noch so stark
gclescn werdcn, dann kann, ivcnn auch kaum von Kunstbedürfnissen,
doch auch nicht von pervcrsen Neigungen und Tekadcnz die Rede scin.
* .WaS liclt dcr dcutschc Arbcilcr?' Aus Clrund cincr Enquclc bcant-
wortct von >^c. A. I. Th. Psannkuchc, Pastvr in Gr. Büllcn, tzannoncr:
Tilbingcn nnd Lcipzig, Pcrlag von I. C. B. Mohr.
,. Märzheft ,90,
deren Wcrke noch schr tcuer sind, mützten doch gerade in Leihbibliotheken
viel gelcsen, auch von Gcbildeten häufig geholt iverden. Dafi cs nicht
geschicht, ist kcin schönes Zeichen für die deutsche Kultur. Jm übrigen
sehe ich wiedcr, daß man gerade die Bücher häufig aus den Leih-
bibliotheken holt, welchc die Kritik als „gemein" abgelehnt hat, bei-
spielsweise Wolzogens „Drittes Geschlecht^ und Hans von Kahlenbergs
„Nixchen". Jch habe mich infolgedeisen entschlossen, „gemeine" Bücher,
also solche, bei denen das Bedcnkliche nicht durch große künstlerische
Vorzüge aufgewogcn wird, einsach nicht mehr zu besprcchen, da man
damit ja doch nur Reklame für sie macht, und möchte diejenigen mciner
Herren Kollegcn, dcncn gleich mir an oer Gesundheit dcs deutschen
Volkes gelegcn ist, auffordern, ebenso zu verfahrcn.
Auch cine Statistik darübcr, was dcr deutsche Arbeiter liest, ist vor
nicht langer Zeit crschiencn.* Es geht aus der Schri't vonPsannknche über-
zcugcnd hcrvor, daß dcr deutschc Arbeiter am liebsten naturwissenschaft-
liche Schriftcn licst, auch kulturhistorische recht gern, politische dagcgcn nicht
so häufig, wie man denkcn sollte. Die Bücher, die, in der Regel von
den Gewcrkschaftcn aus, zu ihrcr Verfügung stehen, sind meist gräßlich
einseitigcn Charaktcrs, gehörcn durchweg dcm Gebiete der „matcria-
listischcn Weltanschauung^ an, mit der die deutsche Wisscnschaft dcnn
doch, weiß Gott, sertig ist. Abcr der deutlche Arbciter ist jetzt vielfach —
ich lcugne gar nicht, zum Teil dank der Sozialdcmokratie — soweit,
daß cr ein wisscnschaftliches Buch lescn kann; es ist nun die Sache der
Gcbildctcn, dasür zu sorgen, daß er andere Bücher in die Hände
bekommt, als die vcraltetcn uus dcr Krast- und Stoffperiode. Trak-
tätlcin und obcrflächlichc „patriotischc" Schriftcn genügen freilich auch
nicht mchr, da täusche mnn sich nichr. Was die schöne Literatur anlangt,
so steht cs beim Arbcitcr nicht oicl, abcr doch etwas besscr als beim
bürgerlichcn Lcihbibliothckcnpublikum. Am meislen Beifall finden gebundene
Jahrgänge von Familicnzcitschriftcn wie dic „Gartcnlaube^ — ich nenne
die hier charaktcristische Zahl2255; dann solgt Zola mit ^55, I. Vcrne
mit 278, die Marlitt (!) mit 270, Gcrstäckcr mit 268, Heine mit 2(5,
Spiclhagcn mit (66, Auerbach mit (65, Frcytag mit (5st, Scott
mit (56, Hackländcr mit (55, G. Hauptmann (.Weber') mit (50,
Goethc mit (57, Zschocke mit (25, Suttner („Die Waffen nieder")
mit ((st, Sndcrmann mit ((2, Tchillcr mil (06, D. Walstcr (Soziale
Nomancj mit (0(. Klcincrc Zahlcn wcisen Neulcr, A. Dumas (.Drci
Mnskcticrc'), Shakcspcrc, W. Hauff , .Lichlcnstcin^,, Tolstoj, Freiligrath,
Lessing, Byron aus. Das ist auch nicht gcrade cinc erfreuliche Liste —
aus cinem andcrcn Vcrzcichnis gcht hervor, daß von Zola gcrade das
durch nnd durch rohe Werk „Multcr Erde' am meistcn gclescn wird —,
abcr immcrhin kann man mit Bcstimmlhcil sagcn, daß der Geschmack
dcs Arbeitcrpublikums mit lcichtcr Mühe gesund zu crhalten wärc.
Wenn Lculc wic Gcrstäckcr, Frcytag, Scott, Hackländer noch so stark
gclescn werdcn, dann kann, ivcnn auch kaum von Kunstbedürfnissen,
doch auch nicht von pervcrsen Neigungen und Tekadcnz die Rede scin.
* .WaS liclt dcr dcutschc Arbcilcr?' Aus Clrund cincr Enquclc bcant-
wortct von >^c. A. I. Th. Psannkuchc, Pastvr in Gr. Büllcn, tzannoncr:
Tilbingcn nnd Lcipzig, Pcrlag von I. C. B. Mohr.
,. Märzheft ,90,