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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 4 (2. Nevemberheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Sprechsaal: Subjektivität u.s.w.
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Schaukal, Richard von: Sprechsaal: in Sachen "Etwas von deutscher Kritik und deutschem Stil"
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0161

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sehr oft betrogen als Thatsachenmaterial, roas in Wahrheit nur der aufgestäubte
Puder von der Perrücke der Wahrheit ist. Der Servilismus der „Woche", meint
dann L-, „bringt ein gesundes Lachen bis zum Stiefelputzer hinunter in alles
Volk." Ach, kennt er unier gutes Volk schlecht! Glaubt er, all diese hohen
Herren säßen dann mit Eifer in fünf Posen dem Apparat der ,Woche"?
Sie kennen die Natur spießerlichen Bewunderns und Beneidens besscr.

Aber das sind alles nur Verschiedenheiten in der Diagnose auf den
einzelnen Fall. Jm Grundsatz stimmen wir dem Verfasser bei; scin Aufsatz
widerspricht dem unsern nicht, er ergänzt ihn. A.

An Sachen ,,Ltu»as von -entschcv rkvitik und dentschen« Stil".

Mein in der ^lievue ki-aueo-LllemLnäe" sNr. ZO) erschienemr Aufsatz „Noch
mehr Goethe" ist von Jhnen, sehr geehrter Herr Vogel, im zweiten Oktoberheft
des Kunstwarts als Beispiel der von manchen Kritikern dieser Tage beliebten
Formungeheuerlichkeiteu tüchtig angelassen worden. Meine Erwiderung würde
auf schwachen Beinen wackeln, wollte ich die von ihnen reichlich angezogenen
Proben ableugnen oder etwa als aus dem Zusammenhang gerissen, mit großem
Aufwande an Schöpferfreude verteidigen. Jm Gegenteil: Sie thun Recht daran,
daß Sie mich rüffeln, ich danke Jhnen für Jhre freundschaftlichen Be-
schimpsungen, abcr ich erlaube mir, gerade weil ich bekanntermaßen weder zu
irgend einer Klique gehöre, noch im geringsten Ausmaße die „Bitterkeit per-
sönlicher Feindschaft" besitze, einige Worte zu meincr Entschuldigung
vorzubriugen. Jch verkenne nicht die Schwersälligkeit meiner verschränkten und
künstlich verslochtenen Perioden, ich finde die von Jhnen allgcmeinerem Genusse
preisgegcbenen Beispiele weder schön noch besonders prägnant und klar, aber
es war und ist mir häufig reizend, mit meinen Worten und Sätzen zu spielen,
sie künstlich wie bunte Stcine zu gruppieren, mit ihnen fast zu jonglieren.
Jch beweise nur damit, in einer gewiß tadelnswerten Selbstgefälligkeit, meine
Macht über die Sprache. Manchmal und so des öfteren in dcm bewußten
Aufsatze ist diese Fangballspielerei und Schlangenmenschenbehendigkeit mit eincm
„höheren" Zwecke „behaftet": ich gehe darauf aus, eine gewissermaßcn burleske
Notc anzuschlagen, ich übertreibe geflissentlich, ich werde mit breitem Lächcln
clownhaft derb. Jn dieselbe Gruppe gehören die von Jhnen mit Abscheu
zitiertcn grotesken „Wvrtungetüme" wie Tagschlagwortautomaten, Gartenlaube-
leiermännerreimereien, Familienblattunterhaltungseckensteher und dergleichen
mehr. Jch versichere Sie aufrichtig, ich unterhalte mich dabci. Machcn Sie
jetzt, geehrtcr Herr, gefälligst keine schlechten Witze, die mach ich mir sclbst
soeben im Namcn aller, die dazu Lust haben.

Nur glauben Sie nicht, daß Sie mir eine „gclungene Selbstverspottung"
nachgewiesen haben. Denn wenn ich bewußt gegen das elendige Literatendeutsch
ankämpfe, weiß ich mich vorsichtig wohl vor der Lächerlichkeit zu bewahren,
mir Fehlerhaftigkeiten nachweisen zu lassen.

Jch bin immcr gern bcreit, mich auf verstündige Weise rügen zu lassen;
wie ich bereits bemerkte, bin ich Jhnen, der Sie aus ehrlichcr Bemühung um
eine gute Sachc mich angegriffen, aufrichtig dankbar. Aber verkennen Sie nicht
Absichten. Sie sragen, „wic ist es möglich, daß ein Schriftsteller, der sonst in
Gedichtcn und sogar an andern Stellen desselben Aufsatzes Sinn für knappe

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