prägnante Form zeigt, so schleppende Satzformen zusammenhäuft?" Wie das
möglich ist? Weil er es so will. Wenden Sie sich nicht kopfschüttelnd über-
legen oder gar mißtrauisch lächelnd ab. Sie haben mich nicht „ertappt". Jch
ulke Jhnen gar nichts rwr. Jch meine es auch unheimlich ernst mit meiner
Behauptung. Jch habe einen persönlichen Stil. Nicht? Das gebcn Sie mir
doch zu? Persönlichkeit heißt aber Wachsen. Jch gleiche mir nicht allzulange.
Jch hocke nicht breitbeinig auf „Errungenschaften". Jch lerne bcständig. Jch
häute mich wie eine Schlange. Jch stoße Rinden ab, daß es nur so knattert.
Jch bin auch weit davon entfernt, mich jetzt mit dor Lanze auf diescn „Auf-
satz" zu stellen — Sie sehen, ich treibe schon wieder Dummheiten — und die
„Feinde" anzufunkeln.
Meine Ansicht ist: der Künstler lebe, er äußere polternd, sich über-
schlagend, lekcht wieder und graziös schwebend auf dcn Beinen seine queck-
silberne Beweglichkeit. Manchmal wickele er sich grinsend in die schweren
Mäntel faltiger Perioden, plötzlich springe er mit einem gellenden Schrei nackt
und unoerschämt in das hochaufspritzende Wasser, mit kräftigen sonnenbraunen
Armen rudere er wuchtig an dem schlanken Kahn des blankgeputzten Ernstes
und in regelmäßigen flachen Schlägen bändige er muskelbewußt die Gegen-
strömung. Sehen Sie, das verstehe ich unter einem starken Persönlichkeitsstil.
Aber halt, eines darf man nicht: schlechtes Deutsch schreiben. Zeigen
Sie mir heute die Prosaisten, die das Gefühl ihres Deutsches haben. Zeigen
Sie mir die Dichter, die ihre Grammatik ini Blute tragcn. Zeigen Sie mir
den Autor, der nicht über Jnversionen stolpert, der niemals einen Um- oder
Ablaut metzelt, dcr die hohe Wissenschaft um seine Zeichen tiefst-innerlich be-
sitztl So jung ich bin, das eine darf ich mir mit dem Stolze des Strebenden
sagen: ich bemühe mich. Jch seile, ich verwerte, ich arbeite. Jch wende Aus-
drücke hin und her, halte sie an die Sonne und lasse sie glänzen, ich putze
verstaubte Worte blank, ich schnitze werkfreudig aus gutem Material. Daß mir,
besonders wenn ich hingerissen werde vom Sturm der Gedanken, wenn ich
nicht nachkomme mit der sträubenden Feder, bisweilen „Schnitzer" unterlaufen:
glauüen Sie nicht, daß ich das je verkenne. Keiner kann sich ihrer inniger
schämen als ich. Sie haben mir meine „dichterische Zeit", meinen „unein-
geschworenen" Leser gezeigt- Jch sehe sie. Jch sehe sie so brandmalhäßlich,
daß ich rot werde. Aber was wollen Sie, manchmal versagt das feinste
Gehör, und im Brausen der Mitteilungen entgeht einem der salsche Ton, den
die zappelnde Hand griff.
„Noch mehr Goethe" ist ein ehrlicher Ruf eines, der lange geschwiegen.
Sie müssen mir zugeben, geehrter Herr Vogel, daß Sie mich selten als „Kritiker"
treffen. Jch schreibe nur aus Bedürfnis. Jch bin kein Litcrat, Gott sei vor.
Jch hasse das. Nichts ekelhafteres als der Vollblutliterat. Jch kümmere mich
auch wenig um die „Literatur". Jch habe ein so feines Gesicht für das Les-
bare, daß ich selten mehr als zwei Seiten eines Buches lese, das nicht „dafür
steht". Und so habe ich mich auch auf die Folterbank der Selbstkritik schlank und
lang gestreckt. Vorsichtig bin ich gewordcn gegen mich und andere. Manch-
mal nur geht die Mühre „Denkungsart" mit mir durch. Und ich seh' ihr nach
und sage „halt" doch: Bravo! Jn aufrichtiger Hochachtung
Richard Schaukal.
Rnnftwart
-- l44 -
möglich ist? Weil er es so will. Wenden Sie sich nicht kopfschüttelnd über-
legen oder gar mißtrauisch lächelnd ab. Sie haben mich nicht „ertappt". Jch
ulke Jhnen gar nichts rwr. Jch meine es auch unheimlich ernst mit meiner
Behauptung. Jch habe einen persönlichen Stil. Nicht? Das gebcn Sie mir
doch zu? Persönlichkeit heißt aber Wachsen. Jch gleiche mir nicht allzulange.
Jch hocke nicht breitbeinig auf „Errungenschaften". Jch lerne bcständig. Jch
häute mich wie eine Schlange. Jch stoße Rinden ab, daß es nur so knattert.
Jch bin auch weit davon entfernt, mich jetzt mit dor Lanze auf diescn „Auf-
satz" zu stellen — Sie sehen, ich treibe schon wieder Dummheiten — und die
„Feinde" anzufunkeln.
Meine Ansicht ist: der Künstler lebe, er äußere polternd, sich über-
schlagend, lekcht wieder und graziös schwebend auf dcn Beinen seine queck-
silberne Beweglichkeit. Manchmal wickele er sich grinsend in die schweren
Mäntel faltiger Perioden, plötzlich springe er mit einem gellenden Schrei nackt
und unoerschämt in das hochaufspritzende Wasser, mit kräftigen sonnenbraunen
Armen rudere er wuchtig an dem schlanken Kahn des blankgeputzten Ernstes
und in regelmäßigen flachen Schlägen bändige er muskelbewußt die Gegen-
strömung. Sehen Sie, das verstehe ich unter einem starken Persönlichkeitsstil.
Aber halt, eines darf man nicht: schlechtes Deutsch schreiben. Zeigen
Sie mir heute die Prosaisten, die das Gefühl ihres Deutsches haben. Zeigen
Sie mir die Dichter, die ihre Grammatik ini Blute tragcn. Zeigen Sie mir
den Autor, der nicht über Jnversionen stolpert, der niemals einen Um- oder
Ablaut metzelt, dcr die hohe Wissenschaft um seine Zeichen tiefst-innerlich be-
sitztl So jung ich bin, das eine darf ich mir mit dem Stolze des Strebenden
sagen: ich bemühe mich. Jch seile, ich verwerte, ich arbeite. Jch wende Aus-
drücke hin und her, halte sie an die Sonne und lasse sie glänzen, ich putze
verstaubte Worte blank, ich schnitze werkfreudig aus gutem Material. Daß mir,
besonders wenn ich hingerissen werde vom Sturm der Gedanken, wenn ich
nicht nachkomme mit der sträubenden Feder, bisweilen „Schnitzer" unterlaufen:
glauüen Sie nicht, daß ich das je verkenne. Keiner kann sich ihrer inniger
schämen als ich. Sie haben mir meine „dichterische Zeit", meinen „unein-
geschworenen" Leser gezeigt- Jch sehe sie. Jch sehe sie so brandmalhäßlich,
daß ich rot werde. Aber was wollen Sie, manchmal versagt das feinste
Gehör, und im Brausen der Mitteilungen entgeht einem der salsche Ton, den
die zappelnde Hand griff.
„Noch mehr Goethe" ist ein ehrlicher Ruf eines, der lange geschwiegen.
Sie müssen mir zugeben, geehrter Herr Vogel, daß Sie mich selten als „Kritiker"
treffen. Jch schreibe nur aus Bedürfnis. Jch bin kein Litcrat, Gott sei vor.
Jch hasse das. Nichts ekelhafteres als der Vollblutliterat. Jch kümmere mich
auch wenig um die „Literatur". Jch habe ein so feines Gesicht für das Les-
bare, daß ich selten mehr als zwei Seiten eines Buches lese, das nicht „dafür
steht". Und so habe ich mich auch auf die Folterbank der Selbstkritik schlank und
lang gestreckt. Vorsichtig bin ich gewordcn gegen mich und andere. Manch-
mal nur geht die Mühre „Denkungsart" mit mir durch. Und ich seh' ihr nach
und sage „halt" doch: Bravo! Jn aufrichtiger Hochachtung
Richard Schaukal.
Rnnftwart
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