bleibenderi Eindruck gemacht, während alles unwichtige, das, was nicht
unbedingt notwendig war, übersehen wurde, dann in der Erinnerung wie
durch ein Sieb fiel und vergessen wurde. Darin besteht eben hierbei der
Abklärungsprozeß, den jedes Ding durchmachen muß.
Aber auch die Hauptsachen sind nicht unveründert geblieben. Sie
haben sich gleichsam ausgewachsen. Allerlei malerische oder formale
Möglichkeiten, die damals nur ganz verstcckt in der Natur schlummerten,
sind jetzl zum Leben erwcckt und treten nun mit eindringlicher Schärfe
vor das Auge. Es ist dabei ganz gleichgültig, ob es sich um Formen,
Linien, Verhältnisse, Farben, Lichtgegensätze handelt. Es handelt sich
nur darum, daß die Erscheinungen des Sehens zu jener Kraft und
Schärfe gesteigert sind, die wir als Ausdruck gesammelter und erhöhter
Menschlichkeit „Kunstwerk" nennen.
Diese Veränderungen sind oft so stark der Fall, daß ich die Orte, an
denen ich die Anregung empfangen, später kaum wiedererkaunte und kaum
glauben wollte, daß das derselbe Fleck wäre. Es müßte eine interessante
Aufgabe sein, diese Umwertung von Natur zum Kunstwerk bei verschic-
denen Künstlern in anschaulichen Beispielen einmal vorzuführen.
Der weitere Weg, dem inncrlich Geschautcu zum Dasein zu ver-
helfen, ist dann der, in mehreren Skizzen sich noch sorgfältiger über alle
Teile des Bildes klar zu werden. Erst danu kommt die eigentliche Lein-
wand daran, auf der das Bild endgültig Form findet.
Für diese muß mau natürlich seine Ausdrucksmittel beherrschen, d. h.
man muß die Sprache des Malers sprechen können. llnd dies erreicht
man nur in unablässigem und eindriuglichem Studium der Natur.
Das ist aber nicht so zu verstehen, das; wer tausend Studien herunter-
gefegt hat, doppelt so viel könne, wie einer, der fünfhundert hat. Nicht
das Nachpinseln macht die Studie, sonderu die Entschiedenheit, die Kraft,
mit der man in das Wesen der Erscheinung eindringt. Jch mache die
Beobachtung, daß im allgemcinen dicses Studium dcr Natur uicht
im richtigen Sinne betrieben wird. Man begnügt sich fast immer
damit, den oberflächlichen Eindruck so ungeführ wiederzugeben, und die
ganze Seichtheit der Menschen tritt hier zu Tage. Da würe viel zu
sagen über künstlerische Erziehung und die ganz neuen Forderungen, die
in ihr wieder eingeführt werden müßten. Das Hauptziel sollte scin,
durch beständige Uebung derart das Gedüchtnis zu stürken, daß all die
Dinge, die man in ihrem Organismus verstanden hat, aus dem Kopfe
wiedergegeben werden könnten, gleichviel, ob sie in Farben, Formen, Licht,
Bewegung oder sonst etmas bestehen. Nur so ist der Künstler befähigt, vom
zufälligen Borbild frei zu werdcn und zum Weseu zu dringen, wie es alle
großen Künstler gethan haben. Jst sein Gcdächtnis gefüllt mit Erscheinungs-
formen aller Art, die er in seincn Darstellungen braucht, mit dcr Wir-
kung von Farben, von Koutrastcn, Anordnungen, so wird er ungehindcrt
dem Besten und Schönstcn, was ihn bewegt, Ausdruck geben können.
Kann er das nicht, so würdc er eincm Dichter gleichen, der weder
sprcchen noch schreibcn kann und deshalb der Mitwelt nie hörbar wttrde.
Und er würde in den gcgenteiligen Fchler verfallen von dem, der es
immer nur bis zur objektiven Studie bringt. Nur mit Vermeidung
beider Fehler kann das Kunstwerk entstehen.
Uuustwart
LS8
unbedingt notwendig war, übersehen wurde, dann in der Erinnerung wie
durch ein Sieb fiel und vergessen wurde. Darin besteht eben hierbei der
Abklärungsprozeß, den jedes Ding durchmachen muß.
Aber auch die Hauptsachen sind nicht unveründert geblieben. Sie
haben sich gleichsam ausgewachsen. Allerlei malerische oder formale
Möglichkeiten, die damals nur ganz verstcckt in der Natur schlummerten,
sind jetzl zum Leben erwcckt und treten nun mit eindringlicher Schärfe
vor das Auge. Es ist dabei ganz gleichgültig, ob es sich um Formen,
Linien, Verhältnisse, Farben, Lichtgegensätze handelt. Es handelt sich
nur darum, daß die Erscheinungen des Sehens zu jener Kraft und
Schärfe gesteigert sind, die wir als Ausdruck gesammelter und erhöhter
Menschlichkeit „Kunstwerk" nennen.
Diese Veränderungen sind oft so stark der Fall, daß ich die Orte, an
denen ich die Anregung empfangen, später kaum wiedererkaunte und kaum
glauben wollte, daß das derselbe Fleck wäre. Es müßte eine interessante
Aufgabe sein, diese Umwertung von Natur zum Kunstwerk bei verschic-
denen Künstlern in anschaulichen Beispielen einmal vorzuführen.
Der weitere Weg, dem inncrlich Geschautcu zum Dasein zu ver-
helfen, ist dann der, in mehreren Skizzen sich noch sorgfältiger über alle
Teile des Bildes klar zu werden. Erst danu kommt die eigentliche Lein-
wand daran, auf der das Bild endgültig Form findet.
Für diese muß mau natürlich seine Ausdrucksmittel beherrschen, d. h.
man muß die Sprache des Malers sprechen können. llnd dies erreicht
man nur in unablässigem und eindriuglichem Studium der Natur.
Das ist aber nicht so zu verstehen, das; wer tausend Studien herunter-
gefegt hat, doppelt so viel könne, wie einer, der fünfhundert hat. Nicht
das Nachpinseln macht die Studie, sonderu die Entschiedenheit, die Kraft,
mit der man in das Wesen der Erscheinung eindringt. Jch mache die
Beobachtung, daß im allgemcinen dicses Studium dcr Natur uicht
im richtigen Sinne betrieben wird. Man begnügt sich fast immer
damit, den oberflächlichen Eindruck so ungeführ wiederzugeben, und die
ganze Seichtheit der Menschen tritt hier zu Tage. Da würe viel zu
sagen über künstlerische Erziehung und die ganz neuen Forderungen, die
in ihr wieder eingeführt werden müßten. Das Hauptziel sollte scin,
durch beständige Uebung derart das Gedüchtnis zu stürken, daß all die
Dinge, die man in ihrem Organismus verstanden hat, aus dem Kopfe
wiedergegeben werden könnten, gleichviel, ob sie in Farben, Formen, Licht,
Bewegung oder sonst etmas bestehen. Nur so ist der Künstler befähigt, vom
zufälligen Borbild frei zu werdcn und zum Weseu zu dringen, wie es alle
großen Künstler gethan haben. Jst sein Gcdächtnis gefüllt mit Erscheinungs-
formen aller Art, die er in seincn Darstellungen braucht, mit dcr Wir-
kung von Farben, von Koutrastcn, Anordnungen, so wird er ungehindcrt
dem Besten und Schönstcn, was ihn bewegt, Ausdruck geben können.
Kann er das nicht, so würdc er eincm Dichter gleichen, der weder
sprcchen noch schreibcn kann und deshalb der Mitwelt nie hörbar wttrde.
Und er würde in den gcgenteiligen Fchler verfallen von dem, der es
immer nur bis zur objektiven Studie bringt. Nur mit Vermeidung
beider Fehler kann das Kunstwerk entstehen.
Uuustwart
LS8