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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

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Heft 3 (1. Novemberheft 1900)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0122

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Der Graf hatte dem Geistesadel seine Reverenz gemacht. Nur der Geld-
adel kam bei ihnen allen gleich schlecht weg. Randers aber kam hartnäckig
immer roieder auf den Geburtsadel zurück-

„Da ist die lange Tradition, die Zucht von Geschlechtern her, da sind
die feinsten, höchsten Kräfte der Familie, des Stammes, der Rasse bis zur
Blüte getrieben."

„Bis zur Ueberkultur!", marf der Graf ironisch ein.

Aber Randers ließ sich nicht irre machen.

„Da ist Harmonie nach inncn und autzen", fuhr er fort. „Die Ruhe, die
vornehme Sicherheit, die Standesbewutztsein, Machtbewußtsein und Besitz ver-
leihen. Mit einem Wort Kultur. Und der Adel sollte diese seine höchsten
Güter nicht preisgeben, seine Exklusivität bewahren. Da darf sich nichts ein-
drängen, was nicht hineingehört, nichts Fremdes, Zerstörendes, Nivellierendes."

„Sie plaidieren für standesgemäße Verbindung", warf Fides etwas
spöttisch ein.

Jhr Spott kränkte und reizte ihn.

„Ja", sagte er.

„Auch bis zur letzten Konsequenz?"

„Ja, wie so?"

„Sie würden selbst unter keinen Umständen eine Aristokratin heiraten?"

„Nein."

Randers erinnerte sich nicht genau mehr aller Worte, aber er war sehr
beredt gewesen, schroff und unerbittlich. Es war ihm jetzt ganz leicht ums
Herz. Er hatte nun einen Schutzwall aufgerichtet zwischen sich und ihr; sie
wußte jetzt, wie sie mit ihm daran war, daß er sich durchaus nicht mit lächer-
lichen Absichten und überhebenden Hoffnungen trug. Jetzt konnte er ihr auch
ruhig sagen, daß sie Fjordaugen habe und die Stimme einer norwegischen
Hirtin.

Und er sagte es ihr, sich halb nach ihr umwendend, ganz unvermittelt.

„Jch habe alle diese Zeit darüber nachgedacht. Sie haben Fjordaugen,
Komtesse."

Fides saß mit ihrer Handarbeit neben ihm, ein wenig zurück, um von
den Tropfen, die von dem Verandadach fielen, nicht bespritzt zu werden.

„Fjordaugen?", fragte sie und lachte. „Was ist nun das wieder?"

„Sie waren nie in Norwegen?"

„Nein."

„Dann kennen Sie auch nicht diesen wunderbaren Wasserspiegel zwischen
den Schären. Klar und blank, und blau, als läge der Himmel zu ihren
Füßen, und doch von einer Tiefe, von einer dunklen, schwarzen Tiefe, die
wundersame beängstigende Geheimnisse zu bergen scheint. Und über dieser
Tiefe das goldige, grüngoldige Flimmern der Sonne, und in diesem Spiegel
die Felsen, die Wälder, die Wolken. Und mitten dazwischen ein kleines Boot,
das sich wiegt, wie zwischen zwei Himmeln. Und dann die Stille, die große
feierliche Stille umher. Jch kann es Jhnen nicht so sagen, wie es ist."

„Und das alles finden Sie in meinen Augen?"

Sie lächelte und sie errötete.

„Und in Jhrer Stimme", sagte er.

„Das wird immer wunderlichec. Was Sie für Einfälle haben."

Randers lachte. Sein gutmütigcs, überlegenes Lachen.

Dann nach einer Pause:
tkunstwart
 
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