„Jn dem Schatten meiner Locken" hat eine Eleganz der Melodieführung, eine
Anmut der Begleitung, die nur im Spanischen Liederbuch so herausgebildet
vorkommt. Auch das »Bedeckt mich mil Blumcn" ist noch liedartig: es ver-
webt übcr Dustwellen prachtvoller Akkordfolgen ein schwärmerisch atmcndes
Motiv mit dcr schönen Gesangsmclodie. Als Meistcrstückc eincr ausgcprägt
rhythmischen Gattung dürfen wir nicht übcrgehen: „Ach im Maien", „Trau
nicht der Liebe", „Mögen alle bösen Zungcn". Während ersteres in sciner
streng achttaktigen Gliederung der Melodie (nur am Schlutz ist eine Verkürzung)
das Muster einer einfachften dreiteiligen und doch ausdrucksfähigen Liedform
darstellt, gewinnen die letzteren dadurch formales Jnteresse, datz jede Strophe
ihr glciches Begleitmotiv, aber eine andere Gesangmelodie hat, welch letztere
jedesmal zwanglos in dcn Refrain hinausführt. Kabinetstücke sind: „Preziosas
Sprüchlein", ,Sie blascn zum Abmarsch", „Und schläfst Du, mein Mädchcn".
Durch eine Schubertsche Liedtechnik, die so recht dem Klavicr angepatzt ist,
sind bemcrkcnswert: „Weint nicht, ihr Aeuglein", „Wer that deinem Fützlein
iveh." Auch sonst liebt Wolf, zwischen untcrer Klavierstimmc und dcr Melodie
dic harmonische Führung einzuschalten, cin feines AuSdrucksmittcl für intime
Stimmungen.
Glücklicherweise sind nicht alle 54 wcltlichen Lieder dem Stoffgebiet der
Erotik entnommen. „Dereinst, dereinst, Gedanke mein" und „Komm, 0 Tod"
könnten als tiefernste Erzcugnisse den gcistlichen angegliedert werden. Sie
nähern sich der geschildcrten dramatischcn Behandlungsweise; Wols selbst hat
dcn Untcrschicd sinnig betont, indcm er das dritte der geistlichen Lieder über-
schrieb: „Dcr heilige Joseph singt:". Als Bcispiele leidenschaftlicher Dramatik,
in dencn bcsonders die chromatischen Mittel meisterhast angewendet sind,
crwähnen wir noch: „Sagt ihm, datz er zu mir kommc", „Bitt'ihn, 0 Mutter",
„Licbe mir im Buscn zündet", „Schmerzliche Wonnen" und das grotzartige
„Geh, Gelicbter, gch jctzt"; in „Wehe der, dic mir verstrickte" ist die Eifcrsucht
nicht ohne komische Würzc gcschildert. Eine Sonderstellung haben die beiden
Lieder: „Alle gingcn, Herz, zur Nuh" und „Ticf im Herzen trag ich Pein"
durch die abgedämpste Farbengebung, die verhaltene Glut und durch die eigen-
tümlich orchestrale Phantasie der Klavierbegleitung.
Wolf hat jedcm sciner Licderzyklen cine Anzahl übermütiger Jmprovi-
sationcn dreingcgeben. Als solche fassen wir hier auf: „Herz, verzage nicht
gcschwind", „Eide, so die Liebe schwur", „Sagt, scid ihr cs, feiner Herr",
„Deine Mutter, sützcs Kind", „Da nur Leid und Leidenschaft". Dicse Licder,
Zeugcn ausgelasscn humoristischer, ja sarkastischer Stimmungcn, sind im
Spanischcn Liedcrbuch als lustige Erholungen von durchbohrendem Ernst, auch
als Gcgcnstücke zu den leidenschaitlichcn und zärtlichen Schöpfungen ganz am
Play. Unbedcutcnd ist keins von ihnen; viclmehr ist cs, als würfe ein Loge,
wie im Nheingold, zu den herausgefördcrten Schätzcn dcs Horts noch Kostbar-
kciten darauf. K. Gruusky.
1. Gktobcrhest igoo
Anmut der Begleitung, die nur im Spanischen Liederbuch so herausgebildet
vorkommt. Auch das »Bedeckt mich mil Blumcn" ist noch liedartig: es ver-
webt übcr Dustwellen prachtvoller Akkordfolgen ein schwärmerisch atmcndes
Motiv mit dcr schönen Gesangsmclodie. Als Meistcrstückc eincr ausgcprägt
rhythmischen Gattung dürfen wir nicht übcrgehen: „Ach im Maien", „Trau
nicht der Liebe", „Mögen alle bösen Zungcn". Während ersteres in sciner
streng achttaktigen Gliederung der Melodie (nur am Schlutz ist eine Verkürzung)
das Muster einer einfachften dreiteiligen und doch ausdrucksfähigen Liedform
darstellt, gewinnen die letzteren dadurch formales Jnteresse, datz jede Strophe
ihr glciches Begleitmotiv, aber eine andere Gesangmelodie hat, welch letztere
jedesmal zwanglos in dcn Refrain hinausführt. Kabinetstücke sind: „Preziosas
Sprüchlein", ,Sie blascn zum Abmarsch", „Und schläfst Du, mein Mädchcn".
Durch eine Schubertsche Liedtechnik, die so recht dem Klavicr angepatzt ist,
sind bemcrkcnswert: „Weint nicht, ihr Aeuglein", „Wer that deinem Fützlein
iveh." Auch sonst liebt Wolf, zwischen untcrer Klavierstimmc und dcr Melodie
dic harmonische Führung einzuschalten, cin feines AuSdrucksmittcl für intime
Stimmungen.
Glücklicherweise sind nicht alle 54 wcltlichen Lieder dem Stoffgebiet der
Erotik entnommen. „Dereinst, dereinst, Gedanke mein" und „Komm, 0 Tod"
könnten als tiefernste Erzcugnisse den gcistlichen angegliedert werden. Sie
nähern sich der geschildcrten dramatischcn Behandlungsweise; Wols selbst hat
dcn Untcrschicd sinnig betont, indcm er das dritte der geistlichen Lieder über-
schrieb: „Dcr heilige Joseph singt:". Als Bcispiele leidenschaftlicher Dramatik,
in dencn bcsonders die chromatischen Mittel meisterhast angewendet sind,
crwähnen wir noch: „Sagt ihm, datz er zu mir kommc", „Bitt'ihn, 0 Mutter",
„Licbe mir im Buscn zündet", „Schmerzliche Wonnen" und das grotzartige
„Geh, Gelicbter, gch jctzt"; in „Wehe der, dic mir verstrickte" ist die Eifcrsucht
nicht ohne komische Würzc gcschildert. Eine Sonderstellung haben die beiden
Lieder: „Alle gingcn, Herz, zur Nuh" und „Ticf im Herzen trag ich Pein"
durch die abgedämpste Farbengebung, die verhaltene Glut und durch die eigen-
tümlich orchestrale Phantasie der Klavierbegleitung.
Wolf hat jedcm sciner Licderzyklen cine Anzahl übermütiger Jmprovi-
sationcn dreingcgeben. Als solche fassen wir hier auf: „Herz, verzage nicht
gcschwind", „Eide, so die Liebe schwur", „Sagt, scid ihr cs, feiner Herr",
„Deine Mutter, sützcs Kind", „Da nur Leid und Leidenschaft". Dicse Licder,
Zeugcn ausgelasscn humoristischer, ja sarkastischer Stimmungcn, sind im
Spanischcn Liedcrbuch als lustige Erholungen von durchbohrendem Ernst, auch
als Gcgcnstücke zu den leidenschaitlichcn und zärtlichen Schöpfungen ganz am
Play. Unbedcutcnd ist keins von ihnen; viclmehr ist cs, als würfe ein Loge,
wie im Nheingold, zu den herausgefördcrten Schätzcn dcs Horts noch Kostbar-
kciten darauf. K. Gruusky.
1. Gktobcrhest igoo