Waschzettel nicht als eine Schande an? Wer billigt die Versuche, unsre
Redakteure zum Bruch des Redaktionsgeheimnisses zu zwingen? Wer
verkennt die Ungerechtigkeit im „ambulanten Gerichtsstand" ? Wer
lobt ernsthaften Angesichts unsere Theaterzensur? Wer den Aus-
schluß des Wahrheitsbeweises und der „berechtigten Jnteressen" beim
Majestätsbeleidigungsprozesse? Wer findet's schön, daß Geistesarbeiten
nur nach dem Marktwert ihrer äußerlichen Niederschläge entlohnt wer-
den, als wären Bücher und Kunstwerke eines Wesens mit Wurstreihen
und Zwiebelschnüren? Wer erkennt nicht, daß wir schon deshalb eine
ganz andere ästhetische Erziehung brauchen, weil sehr viele geistige Freuden
sich wohlfeiler beschaffen lassen, als materielle? Wer weiß nicht — aber
was soll ich all die Programmpunkte wieder aufzählen, um die wir
kämpfenl Und überall thut außer dem Niederreißen ein Aufbauen von
festeren Sicherungen des Sittlichen not als die künstlich gestützten alten,
und von Sicherungen an der rechten Stelle, und überall erschließt sich
der Ausblick in das Zukunftsbild einer dem Leben selber aus der Tiefe
entwachsenden deutschen Geisteskultur. Großgeartete Aufgaben des Rettens
und des Neubildens, wohin wir sehn! O, ein allgemeiner Bund der
Jntelligenz in Deutschland hätte sich über Mangel an Arbeit nicht zu
beklagen.
Wir bezweifelten freilich, ob solch ein Bund so schnell schon aus
diesem Goethebund werden konnte. Hinsichtlich der positiven Ziele zumal
schien uns die Vorarbeit noch lange nicht weit genug gediehen, um eine
Einheitlichkeit zu verbürgen, wie sie doch hierfür erforderlich war.
Eine Möglichkeit zu gemeinsamem Vorgehen sahen wir vorerst nur bei
der Abwehr von Störungen des geistigen Schaffens. Wir empfahlen
eine Konferenz hierüber für den Herbst. So viel wir wissen ist keine,
jedenfalls ist keine zusammenfassende Organisation der Goethebunde
zustande gekommen.
Also das war verfrüht, und heute steht's so: der Berliner Goethe-
bund denkt, wie es scheint, vor allem einmal mit Muße und Würde
nach, ein paar andere dagegen beginnen sür sich (und zwar zum Teil
mit vorzüglichen Programmen) im Sinne der ästhetischen Erziehung zu
wirken. Einen Bund der Goethebunde gibt es noch immer nicht, und
gar an jenen allgemeinen Schutz- und Trutzverein für Geistesarbeit
denken nur noch sehr wenige ernsthaft. Gut, wir sind also noch nicht
reif genug dazu. Was folgt daraus?
Zu triumphieren haben die Gegner „des" Goethebundes des-
halb noch lange nicht. Erstens: was er geleistet hat, war immerhin
etwas, und was die einzelnen Bunde jetzt leisten, ist ebenfalls etwas,
sie sind wirklich immer noch so viel nutz, wie unter je zehn anderen
Vereinen der beste. Zweitens: kommt wieder einmal solch eine kunst-
politische Extra-Dummheit daher, wie die Heinze-Kunstparagraphen, so
ist jetzt die Organisation zum Widerstande gegeben, -- sie wird sich mit
dem Blute des Lebens rasch füllen können. Der Goethebund war eine
eilige Jmprovisation des Tages, eine Barrikade, keine Festung und noch
weniger eine befestigte Stadt, in der außer den Arsenalen auch noch
Tempel, Schulen, Werkstätten stehn. Mit der Zeit, mit Jahren, mit
Jahrzehnten vielleicht können aber die Goethebunde von heute recht
nützliche Vorarbeiter werden für den Goethebund der Zukunft, wie wir
>. Noveinberheft >900
Redakteure zum Bruch des Redaktionsgeheimnisses zu zwingen? Wer
verkennt die Ungerechtigkeit im „ambulanten Gerichtsstand" ? Wer
lobt ernsthaften Angesichts unsere Theaterzensur? Wer den Aus-
schluß des Wahrheitsbeweises und der „berechtigten Jnteressen" beim
Majestätsbeleidigungsprozesse? Wer findet's schön, daß Geistesarbeiten
nur nach dem Marktwert ihrer äußerlichen Niederschläge entlohnt wer-
den, als wären Bücher und Kunstwerke eines Wesens mit Wurstreihen
und Zwiebelschnüren? Wer erkennt nicht, daß wir schon deshalb eine
ganz andere ästhetische Erziehung brauchen, weil sehr viele geistige Freuden
sich wohlfeiler beschaffen lassen, als materielle? Wer weiß nicht — aber
was soll ich all die Programmpunkte wieder aufzählen, um die wir
kämpfenl Und überall thut außer dem Niederreißen ein Aufbauen von
festeren Sicherungen des Sittlichen not als die künstlich gestützten alten,
und von Sicherungen an der rechten Stelle, und überall erschließt sich
der Ausblick in das Zukunftsbild einer dem Leben selber aus der Tiefe
entwachsenden deutschen Geisteskultur. Großgeartete Aufgaben des Rettens
und des Neubildens, wohin wir sehn! O, ein allgemeiner Bund der
Jntelligenz in Deutschland hätte sich über Mangel an Arbeit nicht zu
beklagen.
Wir bezweifelten freilich, ob solch ein Bund so schnell schon aus
diesem Goethebund werden konnte. Hinsichtlich der positiven Ziele zumal
schien uns die Vorarbeit noch lange nicht weit genug gediehen, um eine
Einheitlichkeit zu verbürgen, wie sie doch hierfür erforderlich war.
Eine Möglichkeit zu gemeinsamem Vorgehen sahen wir vorerst nur bei
der Abwehr von Störungen des geistigen Schaffens. Wir empfahlen
eine Konferenz hierüber für den Herbst. So viel wir wissen ist keine,
jedenfalls ist keine zusammenfassende Organisation der Goethebunde
zustande gekommen.
Also das war verfrüht, und heute steht's so: der Berliner Goethe-
bund denkt, wie es scheint, vor allem einmal mit Muße und Würde
nach, ein paar andere dagegen beginnen sür sich (und zwar zum Teil
mit vorzüglichen Programmen) im Sinne der ästhetischen Erziehung zu
wirken. Einen Bund der Goethebunde gibt es noch immer nicht, und
gar an jenen allgemeinen Schutz- und Trutzverein für Geistesarbeit
denken nur noch sehr wenige ernsthaft. Gut, wir sind also noch nicht
reif genug dazu. Was folgt daraus?
Zu triumphieren haben die Gegner „des" Goethebundes des-
halb noch lange nicht. Erstens: was er geleistet hat, war immerhin
etwas, und was die einzelnen Bunde jetzt leisten, ist ebenfalls etwas,
sie sind wirklich immer noch so viel nutz, wie unter je zehn anderen
Vereinen der beste. Zweitens: kommt wieder einmal solch eine kunst-
politische Extra-Dummheit daher, wie die Heinze-Kunstparagraphen, so
ist jetzt die Organisation zum Widerstande gegeben, -- sie wird sich mit
dem Blute des Lebens rasch füllen können. Der Goethebund war eine
eilige Jmprovisation des Tages, eine Barrikade, keine Festung und noch
weniger eine befestigte Stadt, in der außer den Arsenalen auch noch
Tempel, Schulen, Werkstätten stehn. Mit der Zeit, mit Jahren, mit
Jahrzehnten vielleicht können aber die Goethebunde von heute recht
nützliche Vorarbeiter werden für den Goethebund der Zukunft, wie wir
>. Noveinberheft >900