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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1900)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwarts für 1901, [4]: Bildende Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0245

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Prakcische 'Aesrhecik. Ruttsruttterrichr.

Kunstunterricht im eigentlichsten Sinnc mird stcts nur prnktisch vnn
einem Künstler gcgeben werden könncn, den die Natur zusällig auch pädagogisch
begabt hat. Nur bci einigen Nebcnfächcrn mird man, und sei es auch nur
zur llnterstütznng des lehrenden Wortes und dcr Anschauung, doch zu Büchcrn
greifen müssen. Dies ist in erster Reihe bei dcr Anatoinie der Fall, dcr für
den Figurenmabcr und Bildhaüer, ja eigentlich für dcn bildenden Künstlcr

übcrhaupt wichtigsten Wissenschaft. Gewissermassen
können wir die Anatomic als ein Surrogat für dic
Zlnschauung des nacktcn menschlichcn Körpcrs auf-
fassen. Ein Künstlcrgeschlccht (nicht ein cinzelncr
Künstler) könntc wohl auch ohne Kenntnis dcr
Anatomie zur Meisterschaft in dcr Behcrrschung des
menschlichen Körpers kommcn, wenn cs sein Lcbcn
lang nackte Gcstalten in der Bewcgung vor sich
hätte. Die Antike wird hierfür als Beispiel oft
zitiert, bei der sich mit der Zeit, wenn auch
keine eigentliche Anatomie als Wissenschaft, so
doch cin wundcrvoll erdachtes Körpcrschcmn
hcranbildetc, das dcn Künstlern die Freihcit
brachte, mit der sie sich bewegten. Man muß
natürlich hicrbei unter Schema nicht cine blöde
Körperschablonc denkcn, (mit der fing man aller-
dings an), sondcrn eine von Gcschlecht zu Gc-
schlecht sich vererbendc Tradition ciner sich bis zu
eincm gewisscn Zeitpunkt stets veredelnden Glicdcr-
auffassung. Wir abcr haben eine solche nicht
mehr, uns fehlen auch die Vorbcdingungen dazu,
und so müssen wir uns anders bchelfen. Die Hcil-
wissenschaft hat uns da untcrstützt: ihrc genaue
Kenntnis dcs Menschcnkörpers ist auch dcr Kunst
zu gute gekommen.

Ein ernsthaft strcbcnder Künstler wird sich in
den Besitz genauer anatomischcr Kenntnissc sctzcn
müssen. Er kann dies nicht allein nach Büchern,
sondcrn muß dics an plastischen Mvdcllcn, am
bcsten also am Lcichnam sclbst vder doch an gutcn
Prüparaten, wic sic sorgfältige Gipsabgüss? bicten,
durch beständigcs Zeichncn thun. Doch wird cr
auch hierbei des erklürenden BucheS nicht entbchrcn
können. Jch führe im Folgendcn die bcstcn auf,
die mir bekannt sind.

Für cines dcr vorzüglichsten Wcrke
halte ich den dreibändigcn „Handatlas
der Anatomie" von Spalteholz. Ob-
wohl zunächst für Mediziner geschrieben,
wcrden doch die geradezu mustergültigcn
Abbildungen auch dem ernsthaften Künstler
das bictcn, was cr braucht. Das; cs
hie und da auch etwas mehr ist, ist ja
kein Nachtcil. Jedenfalls bcwahrt ihn
die analytische Methode des Lehrbuchcs
vor der Versuchung, die gesamte Anatomie
des Menschen in Bausch und Bogen ab-
zumachcn. — Für dcn Künstler sollte dazu
allerdings noch cin zweites Lehrbuch mit mehr synthetischer Methode trcten,
wie sie die cbcnso ausgezeichnete »^naromie arrisrigue» von Nicher hat.
Niemand wird die Erwerbung dieses hervorragenden Buches bcrcucn. Beide
Werke sind jedoch nicht ganz billig, es ist deshalb natürlich, daß dem Be-
Lürfnis des Unbemittelteren auch durch wohlfeilere abgeholfcn werdcn mußte.
So cin recht gutes, besonders im Text klar und anschauliches Anatomiebuch

Auustwart

Fcdcrzeichnung aus Dürers
Gebctbuch Maxnnilians.
Aus Springers.AlbrechtTürer"
lBcrlin, Grote).
 
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