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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunstwarts für 1901, [7]: Geschichte und Kulturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0256

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trat, zu erkläreir durch eine Zergliederung der Zustände in Frankceich. Der Scharf-
sinn und die Sicherheit, mit welcher Taine sie seziert, und die glänzende Form, in der
er seine Resultate dem Leser vermittelt, machen sein Buch zu einer der hervorragendsten
Leistungen auf dem Gebiete neuerer Kulturgcschichte, Zu so licfen Erkenntnissen wie
Taine vermag Sybel in seincr Geschichte des Revolutionszeiralters nicht vorzudringen,
da sich seine Belrachtung ausschließlich auf die polilischen Ereignisse und Persönlich-
keiten, also mehr aus dle Austenseite der Dinge, erstreckt.

Die Zeit dcr Erniedrigung Preuhens und seines Aufschwungs im Beginn des
19, Jahrhunderts hat farbenprächlig Treitschke im ersten Bande seiner^ deuischen
Geschichte geschildert. Dancben

kommen Drohsens Borle-
sungen über die Besreiungs-
kriege, die übrigens jene ganze
Revolutionsperiode umsassen,
und Häussers deulsche Gc-
schichte vom Tode Friedrichs
des Grohen bis zur Grün-
dung des deulschen Bundes
iu Betracht. Ueber die Ein-
zelheiten dcr Kriege von
1813/t5 orientiert Beizkes
nicht sehr in die Tiese gehcnde,
aber gut zu lesende Geschichte
der Befreiungskriege. Eme
vortrcffliche Biographie ist die
Uurks von Dropsen. Max
Lehmann hat Scharnhorsts
Leben beschrieben. Ueber den
Freiherrn vnn Slein unter-
richtet gut die kurze Lebens-
beschreibung von Neubauer.

Unter den Darstellungen
der deulschen Geschichte im
19. Jahrhundert steht noch
immer Treitschkes Werk,
das leider unvollendet gc-
blieben ist und in seinen fünf
Bändcn nur bis zur Revolu-
tion des Jahres 1848 heran-
reicht, im Mittelpunkt des
Jnteresses. Es spicgelt die
ganze sesselnde, feurige, aklive,
von sittlichem Pathos getra-
gene Persönlichkeit ihres Ver-
fassers wieder. Treitschke will
nicht, den Dingen von sou-
veräner Höhe zuschauend, zer-
gliedern, er will, sich setbst

Alte Wanduhr, Aus
Wuttkcs süchsischer Völ-
kerkundc sDresden,

G, Schönefeld).

kämpfend in den Strom der
Ereignisse stellend, sittliche und
poluische Ueberzeugungen
wecken. Wer sich durch die
manchcrlei Ungerechligkeiten
verletzt sühlt, zu denen er bei
seinem exwem preuhischen
Siandpunkte in seinem Urteil
geführt wird, wird in vielen
von Treiischkes historischen
und politischen Aufsätzen zu
einem minder getrübten Ge-
nusse gelangen, Die kleinen
Werke Biedermanns sind
recht empsehlenswerl, nur
manchmal etwas slörend in
der Betonung eines ausge-
prägten politischen Partci-
stanüpunkles, — Auf dem
Hintergrunde der zeitgenössi-
schen nationalen Slrömungen
ist von Franz Guntram
Schultheiß die Bedeulung
Jahns eindrucksooll gewür-
digt worden,

Die politischen und diplo-
malischen Ereignisse, die zur
Gründung des dentschen
Reichcs" lührten, hat knapp
und krastooll Maurenbre-
cherin seiner „Gründung des
deutschen Reiches" geschildert.
Dagegen vermag ich die übliche
Wertschätzung von Sybels
„Begründung des deutschen
ReichesdurchWilhelmI," nichl
zu teilen. An der Exaklhcit der
auf Aklen des preußischen
Hauptstaalsarchivs beruhen-

den Forschung wird niemand zweifeln, aber an der Darstellung ist zu viel von dem Staub
der benutzten Aklen hängen geblieben. Auch berührt bei der Gröhe des Ruses, den Sybel
als Historiker genvh, die in der Einleitung gegebene Erklärung merkwürdig, er
schildece die Ereignisse vom ausgesprochen nationalliberalen Parteistandpunkte aus.
Wesentlich höher elnzuschätzen ist das Parallelwerk des Oestcrreichers Fciedjung, der —
wie wohl nicht Historiker von Fach — von den analogen österreichischen Borgängen
ein vtel lebensvolleres Bild zu geben vermag.

Ueber Bismarck besitzen wir eine gute, kurze Biographie von Heyck. Am
unmittelbarsten wird uns natürlich seinc Gestalt aus seinen Reden und scinen
„Gedanken u»d Erinnerungen" entgegenlreten. Die lctzteren erfordern allerdings,
will man sie mit Gewinn durcharbeilen, genaue Ein;elkennlnisse der neuesten deulschen
Geschichte, namentlich in dcr Zeit von 1848 bis 1806. Eine Erinnerung daran,

» Hüchst anschaultche Eindrücke vom grohcn Kricgc gcbcn: Rindflcischs .Fcldbriefc'
lind Klcins .Fröschwcilcr Chronik'.

f. Dczcmberhcft lyoo
 
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