etwas moderner Auffärbung findcn mag. Es liegt eine gewisse Meisterschaft
in diesem Stil, er spiegelt ein langes Wandern in vielen Gedanken wicder,
eine seltsame Tiefe unter freundlicher Oberffäche, selten aber: durchschlagend.n
Mut und ungekünstelte Ehrlichkeit. Die Wahrheit, datz die menschlichen Dinge
sehr verwickelt sind, giebt er im Grunde gut, und so, daß die rechtwinklig
zugeschnittenen Köpfe der gar zu gradlinig und flach Veranlagtcn besser thäten,
hier zu lernen, statt zu spotten. Dennoch, Wahrheit und Vorsicht — das ist
cine zu unästhetische Verbrüderung. Es giebt da im Durchschnitt wenig Er-
freuliches. Um so Höheres kann gerade in diesem Felde geleistet merden, wo
ein durchschlagender Geist durch crlle diese Windungen zur Einfachheit drängt.
Wo sollte sich Einfachheit erfreulicher, auch ästhetisch erfreulicher, aussprechen
könncn, als da, wo sie Kraft braucht, um sich durchzusetzen, wie etwa bei
Kierkegaard oder Schrempf?
Erbarmungslos auszuschlietzen ist meiner Meinung nach oie sogenannte
„Christliche Literatur", und zwar im Namen sowohl der Religion wie der
Kunst. Nicht, datz ich auch nur einen Augenblick lang die leidenschaftliche
Aussprache re-
ligiöscr Uebcr
zeugung, die
sinnende Ge>
dankcnbeweg-
ung rcligiöser
Reflcxion, den
feicrnden Jubel
religiöser Dank-
barkeit nls
ästhetisch min-
derwertiges
Material ach-
tete. Dicsen Ge-
mütsbeweg-
ungen verdan-
kcn wir allcr
erhabcnste
Denkmale der
KunshHymncn,
Prophctenschcl-
ten, Grübcleicn
und Gesichte.
Aber cbcn die-
ses ist nicht
..christlicheLitc-
ratur", sondcrn
cinfach Litcra-
tur, Abteilung:
Heimsuchung von I-uc- -icll» Uobbl-.
Aus Krnus' .Geschichtc der christlichcn Kunst'
iFreiburg. Herder.)
Religiöscs. Die
„Christliche Li-
teratur" aber
ist etwas ganz
anderes,siewill
„Unterhal-
tungsliteratur
von und für
Christen" sein.
Man kann
nichts dagegen
habcn.wcnnpä-
dagogisch ver-
anlagte Gemü-
ter unter der
ehrlichzu stande
gekommenen
vorhandenen
Literatur das-
jenige anssu-
chcn und cm-
pfehlen, von
dem sie sich am
meisten crziehe-
rische Wirkung
versprechen.
Aber man denke
sich Leute, die
sich hinsetzen
mit der Absicht, eine christliche Litcratur iür dns Volk zu schaffcn, cine
„wahrc" Literatur, cine ..gute gcdiegene geislige Nahrung", um den unchrist-
lichcn Nomanen und Novellen cntgegcnzuwirkcn! Kcine innerc Nötigung
künstlerischer Art treibt sie; sie schrciben aus Erbarmen mit dem ..armcn
Volke", und wozu bci andercn Stcrblichen gute Veranlagung und schwcre
gcistige Arbeit gehört, das kann ihrer Mcinung nach ein guter Christ zwischcn
Frühstück und Mittag dcm „liebcn Volke" licfcrn. Dcr Kunstwart würdc ja
nicht die Fragc zu crörtern haben, in wclchem Sinne dicscs Trciben ..christlich"
zu nennen ist, — das in dcr landrätlich, ja von Hof und Regierung nnd
dem ..merkwürdigcn" Centralverband der Industrie dazu unterstütztcn Thütig-
kcit dcs Bcrliner Engros-Christcn Hülle seinc widerlichste Gestalt gcfundcn
hak — mit llunst hnt es von Hüllc an bis Funkc und bis in dic „Christo-
terpen" hinein nichts zu thun.
Schriftstcllcrnde Pfarrer hat es in jcder Zeit gcgcben und wird cs
geben, und es ist keinc Ilrsnche zum Mitztrauen gegcn dic künsllerischen Talente
gcradc nus diesem Stande, dem Herder (in gewisser Wcisc anch Klopstock),
Hcbcl, Ntörike, Jeremias Gotthelf angchörten. Äber sie stehen untcr demselben
>. Dezcmbcrhcst 1900
in diesem Stil, er spiegelt ein langes Wandern in vielen Gedanken wicder,
eine seltsame Tiefe unter freundlicher Oberffäche, selten aber: durchschlagend.n
Mut und ungekünstelte Ehrlichkeit. Die Wahrheit, datz die menschlichen Dinge
sehr verwickelt sind, giebt er im Grunde gut, und so, daß die rechtwinklig
zugeschnittenen Köpfe der gar zu gradlinig und flach Veranlagtcn besser thäten,
hier zu lernen, statt zu spotten. Dennoch, Wahrheit und Vorsicht — das ist
cine zu unästhetische Verbrüderung. Es giebt da im Durchschnitt wenig Er-
freuliches. Um so Höheres kann gerade in diesem Felde geleistet merden, wo
ein durchschlagender Geist durch crlle diese Windungen zur Einfachheit drängt.
Wo sollte sich Einfachheit erfreulicher, auch ästhetisch erfreulicher, aussprechen
könncn, als da, wo sie Kraft braucht, um sich durchzusetzen, wie etwa bei
Kierkegaard oder Schrempf?
Erbarmungslos auszuschlietzen ist meiner Meinung nach oie sogenannte
„Christliche Literatur", und zwar im Namen sowohl der Religion wie der
Kunst. Nicht, datz ich auch nur einen Augenblick lang die leidenschaftliche
Aussprache re-
ligiöscr Uebcr
zeugung, die
sinnende Ge>
dankcnbeweg-
ung rcligiöser
Reflcxion, den
feicrnden Jubel
religiöser Dank-
barkeit nls
ästhetisch min-
derwertiges
Material ach-
tete. Dicsen Ge-
mütsbeweg-
ungen verdan-
kcn wir allcr
erhabcnste
Denkmale der
KunshHymncn,
Prophctenschcl-
ten, Grübcleicn
und Gesichte.
Aber cbcn die-
ses ist nicht
..christlicheLitc-
ratur", sondcrn
cinfach Litcra-
tur, Abteilung:
Heimsuchung von I-uc- -icll» Uobbl-.
Aus Krnus' .Geschichtc der christlichcn Kunst'
iFreiburg. Herder.)
Religiöscs. Die
„Christliche Li-
teratur" aber
ist etwas ganz
anderes,siewill
„Unterhal-
tungsliteratur
von und für
Christen" sein.
Man kann
nichts dagegen
habcn.wcnnpä-
dagogisch ver-
anlagte Gemü-
ter unter der
ehrlichzu stande
gekommenen
vorhandenen
Literatur das-
jenige anssu-
chcn und cm-
pfehlen, von
dem sie sich am
meisten crziehe-
rische Wirkung
versprechen.
Aber man denke
sich Leute, die
sich hinsetzen
mit der Absicht, eine christliche Litcratur iür dns Volk zu schaffcn, cine
„wahrc" Literatur, cine ..gute gcdiegene geislige Nahrung", um den unchrist-
lichcn Nomanen und Novellen cntgegcnzuwirkcn! Kcine innerc Nötigung
künstlerischer Art treibt sie; sie schrciben aus Erbarmen mit dem ..armcn
Volke", und wozu bci andercn Stcrblichen gute Veranlagung und schwcre
gcistige Arbeit gehört, das kann ihrer Mcinung nach ein guter Christ zwischcn
Frühstück und Mittag dcm „liebcn Volke" licfcrn. Dcr Kunstwart würdc ja
nicht die Fragc zu crörtern haben, in wclchem Sinne dicscs Trciben ..christlich"
zu nennen ist, — das in dcr landrätlich, ja von Hof und Regierung nnd
dem ..merkwürdigcn" Centralverband der Industrie dazu unterstütztcn Thütig-
kcit dcs Bcrliner Engros-Christcn Hülle seinc widerlichste Gestalt gcfundcn
hak — mit llunst hnt es von Hüllc an bis Funkc und bis in dic „Christo-
terpen" hinein nichts zu thun.
Schriftstcllcrnde Pfarrer hat es in jcder Zeit gcgcben und wird cs
geben, und es ist keinc Ilrsnche zum Mitztrauen gegcn dic künsllerischen Talente
gcradc nus diesem Stande, dem Herder (in gewisser Wcisc anch Klopstock),
Hcbcl, Ntörike, Jeremias Gotthelf angchörten. Äber sie stehen untcr demselben
>. Dezcmbcrhcst 1900